Gastkommentar

Papierarchive leben zäh

09.10.1998

Papier ist geduldig. Doch daß sich diese Volkswahrheit ausgerechnet so bewahrheitet? Die Digitalisierung boomt, aber wer Geschäftsdokumente archiviert, steht - in Treue fest - zum guten alten Papier. Es hat sich schließlich als langlebiger erwiesen als all die Visionen vom "papierlosen Büro", die offenbar längst ad acta gelegt sind.

Dabei ist Dokumenten-Management (DM) ohne Integration von digitalisierten Dokumenten, also wenigstens teilweise Papiervermeidung, nicht einmal eine halbe Sache, denn schließlich leben DM-Systeme (DMS) davon, Informationen ohne Rücksicht auf die Ursprungsmedien zur Verfügung stellen zu können. Nur so sind die Informationsquellen vom Quittungszettel bis zum Web effektiv nutzbar.

Dem Vernehmen nach setzen hierzulande nur knapp drei Prozent der Unternehmen echte DMS-Lösungen ein. Eine merkwürdige Situation: Da sitzt man in einem mit Elektronik vollgestopften Auto und läßt sich von einem satellitengestützten Navigationssytem durch Europa leiten - in die Reisekostenabrechnung aber stanzt man anschließend zwei Löcher und heftet sie zwischen Pappdeckeln ab. Wer will behaupten, daß es in seinem Unternehmen anders zugeht?

Viele Anbieter konnten der Versuchung nicht widerstehen, auch mit Billigprodukten verdienen zu wollen. Nun geistern DMS der 99-Dollar-Klasse durch die Bürolandschaften und können der guten alten Papierablage nicht das Wasser reichen. Kein Wunder, wenn 97 Prozent der Unternehmen dann gleich dabei bleiben.

Wenn DMS etwas bringen sollen, müssen sie Groupware- und Workflow-Fähigkeiten haben und dürfen keinesfalls proprietär sein. Für 99 Dollar ist das nicht zu haben, allenfalls auf Papier...