Des einen Leid, des andern Freud'

Panik vor Hackern läßt die Kassen klingeln

06.08.1999
MÜNCHEN (CW) - Die Sicherheit von IT-Systemen ist für Anwender und Anbieter gleichermaßen ein heißes Eisen. Bleibt die Frage: Panikmache, oder ist die Sorge vor Angriffen berechtigt?

Spione, Saboteure, Viren und Trojanische Pferde bedrohen den wirtschaftlichen Erfolg eines jeden Unternehmens. Eine wahre Flut von Studien und Statistiken, in denen vor Sicherheitslücken gewarnt und dringender Handlungsbedarf auf seiten der Verantwortlichen angemahnt wird, bricht über IT-Manager herein. "Die Bandbreite der kriminellen Machenschaften im Internet ist inzwischen erschreckend", so Staatssekretär Claus-Henning Schapper vom Bundesinnenministerium.

Delikte der Wirtschaftskriminalität wie Betrug und Sabotage gewinnen nach Ansicht des Innenpolitikers weiter an Bedeutung. Mit dieser Prognose steht Schapper nicht allein: Die Gartner Group rechnet beispielsweise damit, daß im Jahr 2001 rund 80 Prozent aller Firmen-Websites von Hackern angegriffen werden. Unternehmen ließen nach Meinung der Auguren bislang ein adäquates Sicherheitsbewußtsein vermissen.

Derartige Verlautbarungen hören die Anbieter von Security-Lösungen verständlicherweise gern. Laut IDC wächst der Markt für Sicherheitssoftware jährlich um 30 Prozent, im Jahre 2002 soll die Branche bereits mehr als sieben Milliarden Dollar umsetzen. Neben den klassischen Firewalls machen sich dort inzwischen Chipkarten und digitale Signaturen breit. Biosensoren prüfen anhand der Stimmen, Netzhaut oder Fingerabdrücke die Zugangsberechtigung der Angestellten, Programme gehen im Intranet auf die Suche nach Eindringlingen.

Jede Woche ein spektakulärer Hacker-Angriff

Keine Woche vergeht, in der nicht vor neuen Viren oder Hacker-Anschlägen gewarnt wird. Meistens kommen die Meldungen direkt von Firmen, die binnen kürzestem eine passende Lösung aus dem Hut gezaubert haben. Angesichts der Goldgräberstimmung unter den Anbietern und der vermeintlichen Panik der Anwender fällt es kaum auf, daß die vorgelegten Untersuchungen häufig an der Realität vorbeizielen.

Die vom Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden jährlich veröffentlichte "Polizeiliche Kriminalstatistik" verzeichnet beispielsweise für 1998 einen Anstieg der Computerverbrechen um rund 17 Prozent. Den weitaus größten Anteil an den Delikten hatte dabei der Betrug mit gestohlenen EC- und Kreditkarten (78 Prozent). Darüber hinaus resultieren rund sechs Prozentpunkte der Steigerungsrate daraus, daß das BKA erstmals auch den Betrug mit Zugangsberechtigungen zu Kommunikationsdiensten in die Statistik aufgenommen hat.

Zwar stieg die Zahl der Sabotagefälle 1998 laut BKA um 74 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, und die Häufigkeit der Datenspionage kletterte um ein Viertel. Angesichts der absoluten Werte der Delikte stellt sich jedoch die Frage, wie bedroht die Wirtschaft wirklich ist: Im vergangenen Jahr wurden bundesweit 326 Fälle von Sabotage und 267 Fälle von Spionage gemeldet. Die Dunkelziffer sei allerdings gewaltig und dürfe nicht unter den Tisch fallen, heißt es unisono von den Sicherheitsanbietern.

In den USA geht die Angst inzwischen so weit, daß eine konzertierte Aktion gegen IT-Terroristen gestartet werden soll. Die Clinton-Administration bastelt an einem landesweiten System namens "Fidnet" (Federal Intrusion Detection Network), in dem die wichtigsten Behörden und Schlüsselunternehmen des Landes verbunden werden. Mitten im elektronischen Gefüge, so der Plan, thront das FBI und kontrolliert die Infrastruktur. Ziel ist es, alle Knoten im Netz zu alarmieren, wenn ein Angriff stattfindet. Bürgerrechtler haben allerdings ihre Zweifel angemeldet.