Interview mit CEO Carl Yankowski

Palm will Europa und das Enterprise erobern

30.06.2000
Mit Carl Yankowski, seit Anfang dieses Jahres Chief Executive Officer (CEO) des PDA-Weltmarktführers Palm Inc., sprach CW-Redakteur Thomas Cloer.

CW: Der Börsengang von Palm war nicht der Riesenerfolg, den manche erwartet haben. Die Aktie schoss zwar gleich auf über 160 Dollar, ist aber seither stetig gefallen und wird nun für rund 27 Dollar gehandelt. Wie kam es dazu?

YANKOWSKI: Zunächst einmal: Unser Börsengang war ein voller Erfolg. Wir hatten den höchsten Wertzuwachs in der Geschichte der IT-Börsengänge, und wir haben ungefähr eine Milliarde Cash gemacht - das würde ich auf jeden Fall als Erfolg verbuchen. Ich bin ziemlich stolz auf unsere gegenwärtige Marktkapitalisierung von rund 15 Milliarden Dollar.

Zugeben, der Markt hat damals ziemlich verrückt gespielt - als ich unseren ersten Kurs an der Nasdaq sah, dachte ich: Das ist doch Wahnsinn. Seither hat sich unsere Aktie exakt so entwickelt wie der Nasdaq-Index. Ich denke aber, dass die Palm-Aktie sich für mittel- und langfristige Investitionen empfiehlt. Wir haben sieben Millionen Anwender, wir verdienen Geld, und wir gewinnen ständig neue Lizenznehmer.

CW: Was passiert, wenn 3Com sich Ende Juli endgültig von all seinen Palm-Aktien trennt?

YANKOWSKI: Schwer zu sagen - auch bei unserem Börsengang konnte niemand voraussagen, wie sich der Kurs entwickeln würde. 3Com selbst hatte schon einmal eine Bewertung von minus acht Dollar pro Aktie, und das bei einer Firma mit zwei Milliarden Dollar Cash. Der Finanzmarkt ist einfach irrational. Wenn aber jetzt 500 Millionen Palm-Aktien auf einen Schlag auf den Markt kommen, gibt es sicher einige Korrekturen. Der Kurs wird wahrscheinlich erst noch ein wenig fallen und sich dann konsolidieren - es wird eine Weile dauern, bis sich die Papiere endgültig verteilen.

CW: Kommen wir zur Konkurrenz. Microsoft hat sich mit seinem Pocket PC mächtig ins Zeug gelegt. Sehen Sie das Unternehmen deswegen als größere Gefahr für Ihr Geschäft als früher?

YANKOWSKI: Ich sehe in Microsoft die gleiche Gefahr wie früher. Und gleichzeitig sehe ich, dass es ihnen noch immer an Verständnis für diesen Markt fehlt. Ich habe mir selbst einen HP Jornada 545 gekauft und zehn Stunden am Stück getestet. Sicher haben sie einiges verbessert, aber ich vermisse immer noch die Quintessenz einer guten Anwendererfahrung.

Grundsätzlich ist mein Eindruck, dass sich Bill Gates mit dem Pocket PC aufs Unternehmensgeschäft konzentrieren wird. Außerdem positionieren sie sich gegen die "alte Palm" - sie sind sich anscheinend nicht der inzwischen 82 000 Entwickler bewusst, die weltweit für unsere Plattform entwickeln. Der Palm soll alle Bedürfnisse von Endkunden bis zum Enterprise abdecken - denn Microsoft wird versuchen, den Pocket PC durch die CIO-Hintertür zu etablieren.

CW: In Europa ist auch Psion respektive Symbian ziemlich gut im Geschäft, jedenfalls besser als in den USA. Viele halten auch das Psion-System Epoc für das ausgereifteste Handheld-Betriebssystem überhaupt.

YANKOWSKI: Zunächst einmal: Wir haben in Europa und auch in England einen Marktanteil von 70 Prozent - Palm ist also der klare Favorit der Verbraucher. Die Stärke von Epoc liegt im Mobiltelefon-Bereich. Wir entwickeln uns dort ebenfalls weiter, zumal wir gerade die nächste Generation unseres Betriebssystems definieren. Das ist auch deshalb notwendig, weil wir hardwareseitig vor einem Wandel stehen: Motorola stellt die von Palm verwendete Prozessorfamilie "Dragonball" ein - deswegen werden wir auf einen ARM-Prozessor wechseln.

Für unser kommendes Betriebssystem will ich drei Dinge: Erstens Multimedia-Fähigkeiten, damit wir die zunehmenden Bandbreiten nutzen können, zweitens integrierte Telefonie-Fähigkeiten, und drittens soll es weiterhin so einfach zu benutzen sein wie bisher - ich nenne das "Zen of Palm". Wir werden uns damit auch weiterhin von Epoc absetzen.

CW: Kommen wir zu Ihrem Wettbewerber Handspring. Als Palm-OS-Lizenznehmer versuchen sie sich vor allem über den Preis und den Erweiterungssteckplatz "Springboard" zu differenzieren. Hat Palm je darüber nachgedacht, diesen in Lizenz zu nehmen?

YANKOWSKI: Definitiv nein. Wir haben eine erheblich bessere Lösung, und die bringen wir im kommenden Jahr auf den Markt.

CW: Es gab bereits Meldungen, Palm werde noch in diesem Jahr die neue Funktechnik "Bluetooth" bringen. Stimmt das?

YANKOWSKI: Das stimmt, aber der Termin ist pure Spekulation. Bluetooth ist in jedem Fall eine wichtige Zukunftstechnik, vor allem wegen der Interoperabilität mit anderen Geräten. Handy-artige Devices könnten damit zum Server werden - einfach mit einer Batterie und einer Access Engine, und ein Bluetooth-Palm würde dann zu einem intelligenten Terminal.

CW: Der "Palm VII" ist bislang das einzige Gerät mit integriertem Internet-Zugang - und den gibt es nur in den USA. Werden Sie hier vergleichbare Angebote machen?

YANKOWSKI: Wir setzen für Europa ein dreistufiges Programm auf. In einem ersten Schritt bekommen alle derzeitigen Palm-Geräte Ende dieses Jahres kostenlos drahtlosen Zugriff auf "Palm. net". Wir stellen dazu eine Software bereit, und für die Verbindung braucht man ein Handy. Das kann man entweder über Infrarot oder über ein Datenkabel anschließen. Für uns ist das ein wichtiges Versuchsprogramm, denn wir haben hier ehrlich gesagt einiges nachzuholen.

Schritt zwei wird eine Reihe von Zusatzgeräten sein, die den Wireless-Zugang auch ohne Mobiltelefon ermöglichen. In einem dritten Schritt bringen wir dann integrierte Geräte heraus.

CW: Wo sehen sie die Unterschiede zwischen dem Geschäft in den USA und hier in Europa?

YANKOWSKI: Ich sehe keine allzu großen Unterschiede - Menschen sind Menschen. Aber ich möchte in jedem Fall Palm in Europa aggressiver positionieren und vermarkten. Unsere Marktdurchdringung in den USA ist deutlich höher als hier, wir haben allerhand nachzuholen.

Zuvorderst werden wir in Europa ein lokales Management in einem Business-Kontext und nicht nur als Vertriebsniederlassung etablieren. Zum zweiten sitzt unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung für Telekommunikation in Montpellier, also in Europa. Diese Leute können uns im europäischen Markt voranbringen. In den USA sind wir sicher enger mit CDMA verbunden, aber wir müssen auch unsere GSM-Angebote auf Vordermann bringen.

CW: Palm-PDAs werden noch immer vorwiegend persönlich genutzt. Wie wollen Sie in die Unternehmen vordringen?

YANKOWSKI: Wir haben zum Beispiel gerade ein Team gebildet, das sich um den Enterprise-Bereich kümmern soll. Dieses hat erst vor zwei Wochen den "Hotsync Server" vorgestellt, mit dem unsere PDAs Zugang zu Unternehmensnetzen bekommen.

Wir bauen zudem globale Allianzen mit Firmen wie Sun, IBM, Siebel, Peoplesoft etc. aus. Wir müssen sehen, welche Anwendungen Sinn machen, und sicher stellen, dass wir den entsprechenden Anforderungen nachkommen. Ich sehe vor allem Möglichkeiten in den Bereichen Customer-Relationship-Management, Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen sowie Transport und Logistik.