Rechnergesteuerter Lagertransport rationalisiert Materialfluß:

Paletten-Daten am I-Punkt des Hochregals

16.10.1981

Während Produktionsprozesse häufig schon optimal ausgelotet sind, können im Waren- und Werkstücktransport noch beachtliche Rationalisierungsreserven stecken - insbesondere in "unproduktiven" Dienstleistungsbereichen. Hier einige Fallbeispiele von Heinz Heiner*.

Durch die Zusammenfassung aller Produkte einer Herstellerfirma im Hochregallager mit rechnergesteuertem Palettentransport kann die Zeitspanne zwischen Auftragseingang und Lieferung erheblich verkürzt werden. Denn sonst machen die langen Wege und die räumliche Trenung die gesamte Auftragszusammenstellung nicht nur kostenintensiv, sondern auch langsam. Eine sichere Einlagerung und ein zuverlässiger, reibungsloser Transport der Paletten zwischen Wareneingang, Lager, Kommissionplätzen und Versand sind die notwendige Ergänzung, wenn die Rationalisierung erfolgreich sein soll. Als Fördersystem der Zukunft wird von Fachleuten die "Elektrobahn" bezeichnet.

Die automatische Kommissionierplatz-Beschickung soll an einem neuen Fallbeispiel erläutert werden. Bedingt durch kontinuierliches Wachstum wurden bei einem der fahrenden Hersteller von Ventilatoren Produktions-, Lager- und Versandstätten im Laufe der Zeit immer wieder zu klein. So entsprechen die inzwischen auf verschiedene Stellen verteilten Teilelager endgültig nicht mehr den Vorstellungen der Unternehmensleitung. Man entschloß sich daher zur Erstellung eines Hochregallagers (70 Meter lang, 18 Meter hoch und 14 Meter breit mit 3360 Palettenstellplätzen). Alle 600 Artikel werden hier auf Paletten eingelagert und im gleichen Gebäude auch wieder kommissioniert und versandfertig gemacht.

Zur Zeit verlassen in der Spitze rund 80 Aufträge pro Tag das Zentrallager; innerhalb von acht Stunden können je 400 Paletten ein- und ausgelagert werden. Eine von der Firma Arnold (Kempen/Niederrhein) installierte, rechnergesteuerte Palettenförderanlage mit Zielsteuerung übernimmt diese Materialbewegungen. Sie sorgt für die kontinuierliche Beschickung des Hochregallagers mit angelieferten Paletten. Die im Materialeingang ankommenden Paletten werden mit Stapler auf eine Rollenbahn aufgesetzt und durchlaufen die Profilkontrolle, die neben der Höhenkontrolle auch die vier Seiten der beladenen Palette auf ihrer gesamten Länge überprüft sowie die Kufen abtastet und über Druckmeßdosen das Gewicht auf Zuverlässigkeit kontrolliert.

Leichtgewichte und Schwergewichte

Fehlerhafte Paletten werden ausgeschleust, korrekte Paletten zum I-Punkt des Hochregallagers weitergefördert. Am I-Punkt werden alle wichtigen Daten der Palette in den Rechner eingegeben. Akzeptiert der Rechner diese Daten, so sucht er sich im Lager eine freie Lagerfachadresse und ordnet sie der bereitstehenden Palette zu. Damit wird die Palette freigegeben und auf eine Förderstrecke aufgesetzt, die zur Staustrecke vor dem Übernahmeplatz des Verschiebewagens führt. Ein Verschiebewagen übernimmt die Verbindung zwischen den Einlagerungs- und Auslagerungs-Rollenbahnen des Hochregallagers und den Förderstrecken ins Lager oder aus dem Lager zu den Bearbeitungsplätzen. Bei einem anderen Fallbeispiel wird im Hochregallager im Kleinmotorenwerk eines Elektro-Konzerns pausenlos ein- und ausgelagert. Umschlagplatz ist die Vorzone. Zwei getrennte Fördersysteme für Leicht- und Schwergewichte machen die Zwischenlagerung überflüssig. Fördersystem eins: Bis zu 1400 Kilo schwere Paletten und Gitterboxen unterschiedlicher Bauweise müssen sieben verschiedene Regal-Gassen oder der Sofortauslagerung zugeführt werden. Dazu werden Tragkettenförderer von Eisenmann (Böblingen) eingesetzt. Fördersystem zwei: Es gibt vier Gassen plus Sofortauslagerung für übereinander gestapelte Behälter. Tragkettenförderer mit zahlreichen

Pufferstrecken, Dreheinrichtungen, Querverschiebewagen und Etagenförderern arbeiten im Takt.

Bei einem Hersteller von Sportschuhen und Sportbekleidung sind im Tagesdurchschnitt bis zu 1000 Bestellungen, jede mit über 20 Positionen, zu kommissionieren. Dazu sind 50 Ziele anzufahren, teils im Sportschuh-Lager, teils im Textilien-Lager und schließlich im Zentral-Versand. Die Streckenlänge beträgt rund 1000 Meter. Beide Lager mit zwei Kommissionierebenen sind durch 15 Grad schräge Rampen verbunden. Ein Unterflurförderer (Variocar) übernimmt alle Transporte vom Wareneingang über die Kommissionierung bis zum Versand. Vorteile dieses Systems: Wagenausschleusung und Stillstand an den Zielen zum Be- und Entladen, problemloser Einbau wegen extrem niedriger Kettenlaufschiene, Strang verlauf unterflur, das heißt freibleibende Bodenflächen.

37 000 Flaschen stündlich auf der Rolle

Bei einem Getränkehersteller wird Leergut am Band sortiert. Von Entpalettierplätzen werden über EDV die bereitgestellten Paletten abgerufen. "Sortenreine" Gebinde laufen über drei Förder-Etagen zu den Abfüllstationen. "Unreine" Gebinde werden nach Kastentyp und Flaschenart sortiert. 60 Prozent müssen umsortiert werden, das sind 37 000 Flaschen stündlich auf der Rolle. Im neuen automatischen Sortierkreisel sparte der Getränkehersteller ein Drittel Personal und vergrößerte seinen Flaschendurchsatz auf engstem Raum erheblich. Im Verteilerlager eines großen deutschen Herstellers für Unterhaltungselektronik treffen sich zigtausend Bausteine, die seine Auslandswerke brauchen. Hier werden sie kommissioniert und versandt, bei getrennten Fördersystemen für Kleinteile und schwere Gebinde bis zu 500 Kilo. Diese transportiert ein Rollenbandsystem direkt über Wiegestationen und Kommissionierung in Richtung Lkw. Die Kleinteile werden auf 54 Packplätzen zu großen Bestelleinheiten umgepackt und über Rollenbahnen und gleisgebundene Wagen der Sammelbahn zugeführt.

Über lange Strecken bietet sich ein von Eisenmann neuentwickeltes Fördersystem zum universellen Einsatz an: Die "Elektrobahn", die sich in zahlreichen Punkten von älteren Elektro-Hängebahn-Systemen unterscheidet.

Zunehmend wird auch da automatisiert, wo es um den Transport geringerer Stückzahlen über relativ lange Strecken geht - und gerade dort liegt ein typisches Einsatzgebiet für Elektro-Hängebahnen. Speziell bei dieser Aufgabenstellung bieten sie Vorteile, die ein Stetigförderer nicht aufweisen kann.

Elektro-Hängebahnen sind bodenfreie Einschienen-Fördersysteme, deren Fahrwerke mit Einzelantrieben ausgestattet sind. Die Fahr- oder Laufschiene nimmt zugleich die sogenannten Stromschienen, das heißt die Schleifleitungen für die Stromabnahme, auf. Ähnlich wie bei Power + Free-Förderern können komplizierte Verteilvorgänge - Stapeln, Abzweigen, Ein- und Ausschleusen, Stoppen, Absenken etc. - bewältigt werden. Die Anlagen haben in der Regel Zielsteuerung. Im Vergleich zu kettengetriebenen Fördersystemen können Elektro-Hängebahnen sehr viel höhere Fördergeschwindigkeiten erreichen. 20 bis 50 Meter pro Minute gelten als durchaus normal, und bei entsprechenden Voraussetzungen kommen Maximalgeschwindigkeiten um 120 Meter pro Minute vor. Beispielsweise laufen die Fahrwerke auf langen, geraden Strecken mit Höchstgeschwindigkeit, um dann vor Kurven, Übergabestellen etc. abzubremsen.

Elektrobahnen: Nicht in aggressiver Atmosphäre

Ein wichtiger Pluspunkt ist natürlich der geräuscharme Lauf. Außerdem läuft die Elektro-Hängebahn nur dann, wenn effektiv ein Bewegungsvorgang von Gütern oder Leergehängen stattfinden muß. Das spart Energie und bedeutet auf die Dauer gesehen auch weniger Wartung und geringeren Verschleiß. Reversierbetrieb ist möglich. Bei geringer Transportfrequenz können sogar lange Förderstrecken als eingleisige Stichbahnen betrieben werden, wenn Ausweichstellen für einander begegnende Fahrwerke vorhanden sind. Eine nachträgliche Steigerung der Förderleistung ist einfach durch Einsatz zusätzlicher Fahrwerke oder Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit zu erreichen. Auch Änderungen in der Streckenführung sind - ein leistungsfähiges Baukastensystem einmal vorausgesetzt - unproblematisch. Bestehende Anlagenteile müssen bei der Installation neuer Fahrwerke nicht stillgelegt werden, das System bleibt auch während eines Umbaues praktisch ständig betriebsbereit.

Höhenunterschiede zwischen Transportebene und Einzel-Arbeitsplatz werden - wie beim Power + Free-Förderer - durch Hub- und

Senkstationen überwunden. Dagegen sind Steigungen und Gefälle, die sich zum Beispiel durch unterschiedliche Hallenhöhen ergeben, von der Elektro-Hängebahnen nicht so einfach zu bewältigen wie von einem Kettenförderer. Hier müssen zum Niveauausgleich entweder ebenfalls Hub- und Senkstationen eingesetzt werden, oder der Höhenunterschied wird durch eine Schrägstrecke überbrückt, auf der ein Schleppkettenförderer die Fahrwerke zieht. Als stockwerksverbindender Transport sind aufzugartige Etagenförderer üblich. Für erhöhte Umgebungstemperaturen und Bereiche mit starkem Schmutzanfall, feuchter oder aggressiver Atmosphäre sind Elektro-Hängebahnen nicht geeignet. Bei abteilungsüberschreitenden Materialflußsystemen kann es gelegentlich sinnvoll sein, den direkten Lackier- und Trocknungsbereich durch einen Hilfsförderer zu überbrücken.

Programmierbare Steuerungen im Kommen

Nichts zu suchen haben diese Systeme in Fabrikationsräumen mit leicht entflammbarem Staub. In vielen anderen Bereichen der Industrie, in Handelshäusern und Dienstleistungsbetrieben bieten sich dagegen interessante Einsatzmöglichkeiten: beim Sortieren, Speichern, Verteilen oder gezielten Zuführen von Gütern wie auch ganz einfach beim Transport von Punkt zu Punkt. Elektro-Hängebahnen arbeiten besonders wirtschaftlich, wenn sie Lasten mit hoher Geschwindigkeit über lange Strecken transportieren und dabei mit relativ wenigen Fahrwerken auskommen. In die Zukunft gedacht haben die Fördertechniker schließlich auch bei der Anlagensteuerung: Im Regelfall wird die Elektrobahn mit einer freiprogrammierbaren Steuerung ausgestattet. Diese Steuersysteme sind stark im Kommen, weil sie beträchtliche Vorteile aufweisen, so zum Beispiel hohe Betriebssicherheit, Wartungsfreundlichkeit, Verschleißfreiheit. Sie bauen wesentlich kleiner als Kontakt- oder festverdrahtete Elektroniksysteme und können mit einem vorhandenen Zentralrechner gekoppelt werden. Sie ermöglichen außerdem eine übersichtliche Programmerstellung und einfache nachträgliche Änderungen - durch hauseigenes Personal, weil freiprogrammierbare Steuerungen auf den Betriebselektriker zugeschnitten sind.

Einsatzbeispiel ist ein neues Werk eines Landmaschinen-Konzerns für Traktoren-Kabinen. Für Fahrerhäuser wurde das Power + Free-System eingesetzt, für Armaturenwände Rollenbahnen, als Zubringer zum Hauptmontageband - Taktzeit und Entfernung zwischen Fertigung und Montage sprachen dafür - die Elektrobahn. Über der Aufgabestation stellt sich ein Fahrwerk bereit, übernimmt mit Hub- und Senkeinrichtung die Armaturenwand und fährt nach Zieleingabe die entsprechende Montagelinie an. Dort erfolgt die automatische Aufstapelung der Fahrwerke bis Montagestelle frei. Im fliegenden Wechsel werden die Armaturenwände am Montageband in die Fahrerhäuser abgesenkt.

*Heinz Heiner ist freier Fachjournalist.