Cyber-Krieg im Nahen Osten weitet sich aus

Palästinensische Hacker greifen Lucent an

10.11.2000
MÜNCHEN (CW) - Der Krieg im Nahen Osten spiegelt sich zunehmend auch im Internet wider. Nach Angriffen auf israelische und arabische Sites stehen nun ausländische Firmen in der Schusslinie, die in der Region Geschäfte machen. Vergangenen Donnerstag wurde Lucent ein erstes Opfer.

Erst Tage zuvor hatte die US-Bundespolizei FBI davor gewarnt, dass auch amerikanische Firmen in den Cyber-Krieg hineingezogen werden könnten. Mit Lucent Technologies hat es nun ein großes Unternehmen erwischt, das in Israel über Niederlassungen mit insgesamt rund 500 Mitarbeitern verfügt. Ein amerikanischer Konzernsprecher bestätigte vergangene Woche, dass Hacker die Website angegriffen haben.

Das dabei eingesetzte Tool namens "Defend" ähnelt in seiner Vorgehensweise dem "Floodnet"-Programm, das in den letzten Jahren bereits die zapatistischen Rebellen in Mexico verwendet hatten. Defend ruft dabei die Zielseite im Internet alle 2,5 Sekunden auf. Wenn sich genügend Hacker zusammenschließen und ihren Angriff koordinieren, bricht der Rechner irgendwann zusammen.

Nach Aussage des Lucent-Sprechers kann es aufgrund von Überwachungsmaßnahmen als sicher gelten, dass die Attacke von palästinensischen Kräften ausging. Allerdings sei man generell auf derartige Angrife vorbereitet gewesen, da Lucent aus den Schäden durch den 1999 verbreiteten Virus "Melissa" seine Lehren gezogen habe. Zwar handle es sich bei den aktuellen Vorfällen um eine andere Form der Bedrohung, Melissa sei jedoch eine Art Weckruf gewesen.

Lucent ist nicht das einzige nordamerikanische Unternehmen, das über Niederlassungen in Israel verfügt. Auch Branchenriesen wie Microsoft, Cisco und Motorola haben Stützpunkte in der Region, was mit dazu beigetragen hat, dass sie inzwischen "Silicon Wadi" genannt wird.