NTG-Fachtagung "Datennetze"

Paketvermittlung nicht vor 1980

05.03.1976

BADEN-BADEN - Die Nachrichtentechnische Gesellschaft (NTG) im Verein Deutscher Elektroingenieure (VDE) hatte zur Fachtagung "Datennetze" vom 18. bis 20. Februar 76 ins Baden-Badener Kongreßhaus eingeladen und über 400 Gäste kamen. Dem Beobachter konnte nicht entgehen, daß fast alles vertreten war, was an Hochschulen, in der Industrie, bei der Deutschen Bundespost und im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen "Rang und Namen" hat. Die NTG hatte ein anspruchsvolles Programm zusammengestellt. Die wichtigsten Themen: Datenkommunikation, Prinzipien der Datenvermittlung, Verkehrstheorie, Systemfragen, Datennetze im Ausland, Verfahren der Datenübertragung und Übertragungssysteme im öffentlichen Fernschreib- und Datennetz.

Das heißeste Thema der Fachtagung war, welches Vermittlungsprinzip für Datennetze denn nun besser geeignet sei, die Durchschaltetechnik (Line-Switching) oder der Teilstreckenbetrieb mit Paketvermittlung (Package-Switching). Es wurden zwei Fronten sichtbar, eine "anglikanisch-französische" und eine "deutsch-skandinavische".

In der Bundesrepublik wird bekanntlich von Siemens in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundespost ein Elektronisches Datenvermittlungssystem (EDS) für das neue Fernschreib- und Datennetz entwickelt, das im Durchschaltebetrieb (Line-Switching) arbeiten soll.

Das zweite Lager, vertreten durch einige Teilnehmer aus Übersee, beschrieb das auch als "Store and Forward" bekannte Paketvermittlungs-Prinzip.

In der Diskussion wurde bemängelt, daß EDS zwar für eine Vielzahl von Teilnehmeranschlüssen ausgelegt, jedoch in der gegenwärtigen Form nur Übertragungsgeschwindigkeiten bis zu 2400 Baud zulasse. In der ersten Ausbauphase sollen bis 1980 an 24 Orten EDS-Systeme für Geschwindigkeiten von 50 bis 2400 Baud installiert werden. Danach, also erst in den Achtziger Jahren, wird EDS, das bis dahin nur "bit-weise" Durchschaltung erlaubt, um "Paketvermittlung" erweitert, so daß dann auch höhere Geschwindigkeiten wirtschaftlich angeboten werden können.

Geografische Vorteile

Neben den Vorträgen deutscher Datennetz-Spezialisten fanden auch die Tagungsbeiträge von Teilnehmern aus Japan, den USA, Kanada und Schweden reges Zuhörerinteresse. So berichtete Dr. H. Opderbeck von der Telenet Communications Corporation über den Aufbau des Telenet in USA. Opderbeck hob besonders hervor, daß Telenet - ein hierarchisches Netz aus Minicomputern, das nach dem Paketvermittlungsprinzip arbeitet - einfach zu implementieren und vor allem wirtschaftlich zu betreiben sei, was wiederum positive Auswirkungen aus die Teilnehmergebühren habe.

Von deutschen Sprechern wurde jedoch darauf Angewiesen, daß Package-Switching nur bei geografischen Gegebenheiten, wie sie nun mal in Nordamerika anzutreffen sind, eine echte Alternative zu Durchschaltetechnik sei.

Kanada ist weiter

In Kanada hat man sich im vorigen Jahr für "Electronic Data Exchange" (EDX) entschieden, eine von Siemens in Zusammenarbeit mit der Canadian National Railways and Canadian Pacific Limited (CNCP) -sowie einem amerikanischen Software-Haus weiterentwickelte EDS-Technik. Wie G. F Carleton, Projektleiter des kanadischen Infoswitch-Netzwerkes erklärte, soll dieses Datennetz noch in 1976 installiert und im Frühjahr 1977 in Betrieb genommen werden. Wer weiß, in welchem Tempo hierzulande an den Entwicklung des neuen Netzes gearbeitet wird, muß - sich fragen, warum die Kanadier so viel schneller sind, obwohl sie doch von dem selben Hersteller beliefert werden.

Monopol der DPB als Entwicklungsbremse?

B. Akesson von der staatlichen schwedischen Televerket-Organisation beschrieb das geplante skandinavische Datennetz, das 1977 teilweise in Betrieb genommen werden soll und für das in diesen Tagen die ersten Hardwarebestellungen herausgingen, In Stockholm hat man sich für Durchschaltebetrieb ähnlich dem deutschen EDS-System entschieden. Der Endausbau des Netzes ist für 1980 vorgesehen. Resümee der NTG-Tagung: Die Deutsche Bundespost präsentiert sieh zur Zeit als ein Unternehmen, das qualifizierte Mitarbeiter hat und sicherlich intensiv an der Weiterentwicklung der Datenfernverarbeitung arbeitet. Mit EDS wird eine geeignete Vermittlungstechnik bereitgestellt.

Bleibt zu fragen, ob bei der Netzplanung neben den Kriterien "Leistungsfähigkeit" und "Sicherheit" auch die "Wirtschaftlichkeit" angemessen berücksichtigt wurde.

Den DFÜ-Anwender interessiert letztlich am meisten, was er für Mietleitungen zukünftig zahlen muß. In der Gebührenfrage liegt - das hat die Tagung gezeigt - noch eine Menge Zündstoff. Die Monopolstellung der DBP ist wohl der entscheidende Punkt, an dem sich die Gemüter erhitzen.