CCITT-Empfehlung schafft einheitliche Basis für den Aufbau von DÜ-Netzen

Paketschnittstelle X.25 verabschiedet

12.11.1976

Auf der Plenarsitzung des Comité Consultatif International Télégrafique et Téléphonique (CCITT) wurde Anfang Oktober 1976 neben anderen Schnittstellen für die Datenübermittlung auch die Paketschnittstelle X.25 verabschiedet. Der Ende 1975 erarbeitete Entwurf für die Schnittstelle zwischen Datenendeinrichtungen (DEE) und Datenübertragungseinrichtung (DÜE) für den paketweisen Betrieb (Packet Mode of Operation) über öffentliche Datennetze hatte bereits im Frühjahr dieses Jahres seine erste Hürde genommen, als er von der Studienkommission VII des CCITT verabschiedet wurde. Der Vorschlag geht auf Entwicklungen zurück, wie sie beispielsweise bei den Netzen Telenet, Datapac, RCP und EPSS durchgeführt wurden.

Es wurde in zunehmendem Maße notwendig, eine internationale Empfehlung für eine solche Paketschnittstelle herauszugeben.

Die rapide wachsende Entwicklung der Datenfernverarbeitung hatte nämlich bereits zu einer Vielzahl unterschiedlichen Schnittstellen bei einzelnen Datenfernverarbeitungssystemen geführt. Diesen Hersteller- und anwender-spezifischen Entwicklungen ist in der Regel eins gemeinsam: Die Inkompatibilität untereinander. Unter Inkompatibilität soll in diesem Zusammenhang die Unverträglichkeit in bezug auf Datentransport und Vermittlung bei bestehen Datenfernverarbeitungssystemen verstanden werden, die dem Anwender den Rahmen seiner DFV-Anwendung einschränken.

Unter diesem Gesichtspunkt kann X.25 als ein wichtiger Schritt gesehen werden, Inkompatibilitäten zu verringern und damit die Freizügigkeit der Datenkommunikation zu verbessern.

Drei Ebenen

Was ist nun eigentlich X.25?

Am besten kann dies am Beispiel zweier über ein DÜ-Netz kommunizierender Rechner dargestellt werden.

Da gibt es auf der untersten Ebene zunächst einmal den physikalischen Anschluß der beiden Rechner an das Datennetz. Oberhalb dieser Ebene wird ein Verfahren zur Sicherung der zu übertragenden Daten einzusetzen sein. Auf der nächst höheren Ebene werden die Funktionen des Verbindungsauf- und -abbaus sowie die Zuordnung der Informationsströme zwischen den Rechnern zu realisieren sein.

Die Empfehlung X.25 behandelt genau diese drei Ebenen (Grafik):

- Die physikalische Ebene, die im wesentlichen die mechanischen, elektrischen und prozeduralen Anschlußbedingungen festlegt, ist in den gesonderten CCITT Empfehlungen X.21 und "X.21 bis" definiert. Hierbei ist "X.21 bis" die V-kompatible Schnittstelle, die es erlaubt, bestehende Datenendeinrichtungen anzuschließen.

- In der DÜ-Block-Ebene wird zur Sicherung der Datenübermittlung zwischen Datenendeinrichtungen und Datennetz ein HDLC Steuerungsverfahren für symmetrische Punkt-zu-Punkt-Verbindungen verwendet. Das Datenfeld eines DÜ-Blockes enthält dabei genau ein X.25-Paket.

- Die X.25-Paket-Ebene definiert Verbindungsaufbau und -abbau und Betrieb ein oder mehrerer logischer Verbindungen über einen physikalischen Anschluß. Für diese Funktion sind verschiedene X.25-Paket-Formate vorgesehen. Ein solches X.25-Paket besteht in der Regel aus einem Kopfteil (Header) und einem Datenfeld (Benutzerdaten).

Die Übermittlung von Daten zwischen zwei an das Datennetz angeschlossene DEE verläuft auf der Paket-Ebene, wie üblich, in den drei Phasen Verbindungsaufbau, Datenübermittlung und Verbindungsabbau.

Einfach- oder Mehrfachverbindungen über einen physikalischen Anschluß werden dabei virtuelle Verbindungen genannt. Es wird hierbei zwischen temporären und permanenten virtuellen Verbindungen unterschieden. Bei einer permanenten virtuellen Verbindung entfällt der dynamische Verbindungsauf-/abbau. Sie wird bei der Einrichtung des Teilnehmeranschlusses etabliert.

4096 virtuelle Verbindungen

Einige Beispiele sollen die in X.25 liegenden Möglichkeiten verdeutlichen: So können beispielsweise zwischen zwei über je eine X.25-Schnittstelle an das Datennetz angeschlossenen Rechnern theoretisch bis zu 4096 Benutzerprozesse des Rechners A mit bis zu 4096 Benutzerprozessen des Rechners B gleichzeitig über 4096 virtuelle Verbindungen kommunizieren.

In einem anderen Beispiel könnte ein über nur eine Leitung an das DÜ-Netz angeschlossener Rechner, unter Verwendung von X.25, mit bis zu 4096 ebenfalls an das DÜ-Netz angeschlossenen Terminals gleichzeitig Daten austauschen.

Natürlich ist es auch denkbar, daß X.25 als Schnittstelle für den Verkehr zwischen Terminal/Terminal, Rechner/Rechner bzw. Terminal-Konzentrator/Rechner eingesetzt wird.

Aus technischer Sicht bedeutet die Verabschiedung dieser Schnittstelle, wie oben erläutert, die Schaffung einer einheitlichen Basis für den Anschluß von paketorientierten DEE an Paketvermittlungsnetze. Die Frage, ob dies als ausreichende Basis für die Lösung der beim Anwender vorliegenden Anschlußprobleme dienen kann, kann mit ja beantwortet werden.

Aus wirtschaftlicher Sicht bietet X.25 sowohl für den Netzbetreiber als auch für den einzelnen Anwender erfreuliche Perspektiven. Denn sowohl die Vollduplexfähigkeit der Leitungsprozedur, als auch die Mehrfachausnutzung der Leitung durch virtuelle Verbindungen und die Möglichkeit, bei bestimmten DFV-Anwendungen Betriebsmittel besser auszulassen, können für den Anwender und Netzbetreiber zu einer Kostenreduzierung

führen.

Darüber hinaus würde eine überwiegend datenmengenabhängige Tarifierung in einem öffentlichen Datennetz für den Benutzer die Möglichkeiten erweitern, aus der Palette der DÜ-Dienstleistungen diejenige mit der für die vorliegenden Anwendungen günstigsten Gebührenstruktur auszuwählen. Aus anwendungsorientierter Sicht bedeutet die X.25 Empfehlung dreierlei:

- Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß sich noch mehr Fernmeldeverwaltungen zum Aufbau von öffentlichen Paketvermittlungsnetzen auf der Basis von X. 25 entschließen, so daß diese Schnittstelle international angeboten wird.

- Es ist anzunehmen, daß die Rechner- und Terminal-Hersteller nicht an dieser internationalen Empfehlung vorbeigehen können und ihr Angebot entsprechend erweitern.

- Es ist zu hoffen, daß auch Geräte-Hersteller benachbarter Branchen wie Textverarbeitungs- und Büromaschinen-Industrie auf diese Schnittstelle zurückgreifen und so neue Anwendungsbereiche für die Kommunikation erschlossen werden.

*Heinz Sarbinowski ist Mitarbeiter der GMD, Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH, Bonn.