H & N Implementiert PPS-Software von Ratioplan

Packstoff-Hersteller läutet das CIM-Zeitalter ein

01.12.1989

MÜNCHEN (CW) - Der Packstoff-Hersteller Haendler & Nattermann (H & N) in Hannoversch-Münden läutet mit der Einführung der PPS-Software "DIA-FOS" von Ratioplan das ClM-Zeitalter ein. Mit Schaffung einer durchgängigen DV-Lösung vom Einkauf über die Produktionsplanung und -steuerung bis hin zum Vertrieb will H & N die Produktivität steigern und seine Wettbewerbskraft im hart umkämpften Verpackungsmarkt stärken.

Haendler & Nattermann, die zur Braunauer Austria Metall Aktiengesellschaft (AMAG) gehören, leiteten bereits 1963 die Entwicklung der Datenverarbeitung mit der Installation einer Tabelliermaschine vom Typ IBM 424 ein. Auf der Basis des Plattensystems IBM /3 wurden schrittweise Softwarelösungen für die einzelnen Bereiche geschaffen. Diese Insellösungen konnten auf Dauer jedoch nicht zufriedenstellen. Mit der Umstellung auf den Datenbankcomputer /38 im Jahr 1982 sah H & N die Zeit gekommen, eine integrierte DV- Lösung zu entwickeln. Das Kernstück sollte ein leistungsfähiges PPS-System bilden.

Auf dem neuen Rechner implementierte man zunächst ein damals marktgängiges PPS-Paket, das ursprünglich für /36-Rechner entwickelt wurde. Im Praxiseinsatz entsprach diese Lösung aber nicht den Erwartungen der DV-Verantwortlichen. Die Software schöpfte die Möglichkeiten des Datenbankcomputers bei weitem nicht aus. Nach intensiver Sichtung des Marktangebots zog Haendler & Nattermann drei Softwarehäuser in die engere Wahl und entschied sich dann für die PPS Software "DIA-FOS" der Ratioplan

Unternehmensberatung und Datenverarbeitung GmbH. Als entscheidende Pluspunkte bei dem Villinger Unternehmen wertete man die langjährigen Erfahrungen mit dem System /38 und die umfassende Produktpalette im administrativen Bereich. "Das neue Paket fügte sich so nahtlos ein, daß die Umstellung im Bereich Vertrieb zunächst gar nicht bemerkt wurde" , beschreibt ein H & N-Manager die Implementierung.

In Teamarbeit erfolgte dann die Feinanpassung des Systems an die spezifischen Anforderungen des Produktionsprozesses. Die komplexen Aufgabenstellungen, die es mit dem neuen PPS-System in der Fertigung zu lösen galt, verdeutlichen die Arbeitsgänge für die Herstellung eines Packstoffs. Das mittelständische Unternehmen bietet eine umfangreiche Palette hochveredelter Verpackungsmaterialien aus Aluminium, Kunststofi und Papier in allen marktüblichen Ausführungen für die abpackende Wirtschaft. Im ersten Arbeitsgang wird die Folie lackiert oder mit Papier zusammen kaschiert. Anschließend werden sie mehrfarbig bedruckt, dann gehen sie in die Ausrüstung und werden dort, abgestimmt auf die Verpackungsmaschinen der Kunden, in Rollen oder Formaten zugeschnitten und konfektioniert.

Bezugsgrößen und Mengenmaße

Bei den verschiedenen Arbeitsgängen werden unterschiedliche Bezugsgrößen und Mengenmaße zugrundegelegt. Daraus resultieren komplizierte Umrechnungsverfahren für die Disposition, wie am Beispiel einer Flaschenhalsfolie verdeutlicht werden soll: Das Ausgangsmaterial Aluminium kauft H & N in Kilogramm ein, rechnet es in Laufmeter pro Rolle, danach in Bogen und anschließend in Formaten ab. Für jeden Auftrag wurde vor der Einführung des PPS-Programmes DIA-FOS der Materialbedarf manuell berechnet. Jede Bestelländerung; erforderte eine Neukalkulation. Um diesen enormen Aufwand einzudämmen und die Datenbasis insgesamt auf sichere Beine zu stellen, entwickelte die DV-Abteilung bei H & N zusammen mit Ratioplan Standardarbeitspläne, die anschließend durch retrograde Berechnungen hinterlegt wurden. Heute gehen die Disponenten die

Bestellmenge ein, das System rechnet diese über alle Stufen hoch und ermittelt für jeden Arbeitsgang den erforderlichen Materialbedarf .

Betriebswirtschaftliche Erleichterungen

Das bringt erhebliche betriebswirtschaftliche Erleichterungen mit sich, insbesondere im Hinblick auf die Einsparungen beim Materialeinsatz.

Durch die parallele Hochrechnung des Materialverbrauchs für jeden Arbeitsgang auf Kilogramm- und Quadratmeter-Basis wird die Abfallmenge sehr exakt bestimmt. Der Abfall pro Maschine und Arbeitsgang wurde zwar früher auch schon gewogen, es fehlte jedoch ein Vergleichswert, der die Abfallmenge in Relation zu dem Auftragsvolumen darstellen konnte. Durch die retrograde Berechnung läßt sich heute genau ermitteln, ob der angefallene Abfall pro Arbeitsgang im Bereich des Normalen liegt.

Eine weitere Besonderheit der PPS-Lösung im Hause H & N stellt die

Kapazitätsterminierung dar, die auf der Basis des Stanadardpakets zusammen mit Ratioplan entwickelt wurde. Die erforderlichen Informationen stammen aus der Betriebsdatenerfassung.

Das Zeitmengengerüst als Grundlage der Kapazitätsterminierung wird permanent den tatsächlichen Bedingungen im Betrieb angepaßt.

Die Vorteile der Kapazitätsterminierung zeigen sich vor allem im Bereich Controlling und können auf folgenden Nenner gebracht werden:

þpräzisere lnformationen über die Maschinenbelegung,

þexaktere Berechnung des Materialbedarfs,

þzuverlässigere Kalkulationen,

þgenauere Sollzahlen für die Lagerhaltung.

Auf der Kapazitätsterminierung baut das Kalkulationsprogramm auf, das in "DlA-FOS" enthalten ist. Die Kalkulation beginnt bereits mit dem Angebot. Wird der Auftrag erteilt, liegt bereits eine Standard-Kalkalkulation auf Soll-Basis vor. Dieser Wert gilt für den Zeitraum von Auftragseingang bis Fertigungsbeginn.

Einflußfaktoren wie zum Beispiel Preisänderungen werden innerhalb dieser Zeitspanne erfaßt, so daß jederzeit der aktuellste Stand des Auftrags abgefragt werden kann. Während der Fertigung werden Rückmeldungen über Material- und Zeitverbrauch in der mitlaufenden Kalkulation direkt bewertet. Diese lassen sich am Bildschirm jederzeit abrufen.

Damit stehen bereits angelaufene Material- und Fertigungskosten pro Arbeitsgang jederzeit und nicht nur nach Abschluß eines Fertigungsauftrages zur Verfügung.

Der permanente Soll-/ lst-Vergleich zwischen Auftrag und Arbeitsgang in der Fertigung im Hinblick auf Menge, Produktionskosten und die daraus abgeleitete Wertschöpfung liefert dem Management eine sichere Entscheidungsgrundlage, welche Aufträge bei Engpässen in der Fertigung forciert werde müssen.

Mitten im Stadtgebiet gelegen, hat das Unternehmen wenig Raum für eine weitere Expansion. Dies zwang zu einem zentralen Lager, das zwischen H & N und der Tochtergesellschaft AVI GmbH liegt. Von diesem Lager aus werden die gesamten Rohmaterialien für die Fertigung bereitgestellt und hier werden die Endprodukte bis zum Versand gelagert.

Im Lager olles unter Kontrolle

Aufgrund der Entfernung sind die Ansprüche an die Logistik hoch. Eine exakte Online-Lagerbestandsführung ist erst seit Einführung des Standardpaketes "DIA-VER" von Ratioplan gegeben. Durch die Integration mit "DIA-FOS" kann die gesamte Lagerverwaltung mittlerweile im Dialog auf Basis der zentral geführten Stammdateien erfolgen .

Die Durchgängigkeit im Informationsfluß führt zu termingerechter Bereitstellung der Rohmaterialien in der Produktion und zu erhöhter Transparenz in der Vertriebsabwicklung.

In Zukunft sollen die Produkte bei Verlassen der Fertigung über Barsode erfaßt und fortan zur Auslieferung und Fakturierung anhand dieser Barcodes identifiziert werden. Entsprechende Schnittstellen für den Einsatz von Barcodelesern sind in beiden Programmen bereits vorgesehen .

Der Datenaustausch zwischen PPS-System, Vertrieb und Einkauf sowie Kostenrechnung erfolgt auf dem IBM-System /38. Darüber hinaus sind die Standardpakete Anlagenbuchhaltung und Lohn- und Gehalt von Ratioplan sowie die IBS-Buchhaltung von IBM über Schnittstellen integriert. Die H&-N-Tochter AVI ist über Standleitung verbunden. Das Thema Integration ist damit aber noch nicht abgeschlossen. Zur Zeit arbeitet die DV-Abteilung zusammen mit Ratioplan daran, die Betriebsdatenerfassung elektronisch in den Griff zu bekommen .

Qualitätssicherung in DV-Landschaft einbinden

Die einzelnen Arbeitsgänge sollen später als Ereignissätze direkt an den Maschinen über Barcodes erfaßt werden. Als nächstes Vorhaben steht an, die Qualitätssicherung mit in die DV-Landschaft einzubinden. Gespräche mit Ratioplan über das Standardpaket "DIA-QWA" wurden bereits geführt.

Als reine Inseln agieren bislang noch die CAD-Arbeitsplätze für Design und Konstruktion. Doch auch das soll sich bald ändern. Um die kommenden Projekte zu realisieren, ist der Umstieg auf das /38 Nachfolgesystem AS/400 bereits beschlossene Sache. +

*Gerd Spieglel ist Prokurist und Leiter der DV-Abteilung bei Haendler & Nattermann in Hannoversch-Münden.