Buhmann der Arbeitgeberverbände veröffentlicht Buch

P = O/Az: Weltformel oder Milchmädchenrechnung

14.01.1983

Wien (eks) - Ein technisch möglicher Fortschritt beim Einsatz von Mikroelektronink in Produktion und Verwaltung ist nur durch Arbeitszeitverkürzung möglich. Diese Meinung vertritt F. G. Hanke, derzeit liebster Buhmann der Arbeitgeberverbände und der etablierten Wirtschaftswissenschaftler. Sein Buch "Endsieg des Kapitalismus" erscheint bereits in dritter Auflage.

Hankes Weltformel lautet: P = O/Az. Dabei bedeuten O den Output an produzierten Gütern, Az die dafür aufgewendete Arbeitszeit und P die daraus resultierende Produktivität. In den vergangenen Jahren stieg die Produktivität jeweils um einige Prozent pro Jahr. Und ihr weiterer Anstieg steht eigentlich nicht zur Diskussion, eher nur das Ausmaß. Mikroelektronik im Büro- und Verwaltungsbereich und durch Industrieroboter menschenleere Fabrikshallen werden zu weiteren Freisetzungen führen. In vielen Fallen muß jedoch heute auf technisch machbare und kaufmännisch finanzierbare Rationalisierungsinvestitionen verzichtet werden, da ihre Rentabilität jedenfalls nur durch Verringerung des Arbeitseinsatzes erreicht werden kann.

In den Jahren des Wiederaufbaus: seit dem 2. Weltkrieg und der Nutzbarmachung vor allem der KFZ-Technik und der Unterhaltungselektronik für den Konsum konnte der produzierte Wert fast beliebig gesteigert werden. Seit den 70er Jahren jedoch kennen wir global die "Grenzen des Wachstums". Und trotz durchaus noch vorhandener Armut im weitesten Sinn scheint bei den Konsumprodukten, die bisher das Wachstum trugen, eine Sättigung in Sicht. Auch wenn manche Industriellen von unerschlossenen Märkten in China und der dritten Welt träumen, so ist aus Rohstoff- und Energiegründen die Prolongierung des Wachstums der Wirtschaftswunderzeit unwahrscheinlich. Und neue Produkte, die einen neuen Boom auslösen könnten, sind nicht in Sicht. Ja, gerade bei den Produkten, die vor einigen Jahren noch die Hoffnungen auf weiteres Wachstum zumindest in Teilbereichen trugen, scheinen die Probleme heute am größten, wie beispielsweise bei Videorecordern. Angesichts der bereits unausgenutzten Produktionskapazitäten dürfte auch jedes heute denkbare Wachstumsprogramm oder "deficit spending" nur zu geringem Anstieg bei den Investitionen führen.

Weniger arbeiten - gleich viel verdienen

Eine Produktivitätssteigerung um einige Prozent jährlich wird weiter stattfinden. Bereits die heute produzierten Güter sind schwierig abzusetzen; also ändert sich die Arbeitszeit. Heute findet diese Änderung etwas undifferenziert statt: Normalarbeitszeit oder Arbeitslosigkeit. Hanke tritt dafür ein, den bisher stets ausbezahlten Produktivitätsfortschritt künftig zur Gänze oder teilweise in Form von verkürzter Wochenarbeitszeit zu verteilen. Aber eben nur einmal und nicht in Form von Lohnerhöhungen und verkürzter Arbeitszeit.

Eine Arbeitsstunde pro Woche weniger entspricht rein rechnerisch einer Lohnerhöhung von 2,5 Prozent. Sicher muß man auch erhöhte Unkosten ansetzen (von Schreibtischen bis zu anteiligen Kosten für Lohnverrechnung und Betriebsärzte), so daß diese Stunde vermutlich etwa drei Prozent entsprechen wird.

Wurde Hankes Formel noch 1979 vom Chef der Angestelltengewerkschaft Alfred Dallinger als "Milchmädchenrechnung" abgetan, so befreundete er sich in der Zwischenzeit damit.

In Gespräch und Vortrag ist Hanke von messianischem Eifer. Er schwankt, ob er sich als Christus, die Tische der Geldwechsler umstürzend, sehen soll oder lieber als Kopernikus, der die Augen seiner Zeitgenossen für das wahre Weltbild öffnet. Gelegentlich hat der beeindruckte, aber noch zweifelnde Zuhörer das Gefühl, weniger Enthusiasmus wäre mehr. Etwa dann, wenn Hanke zwischen zwei Atemzügen erklärt, er könne die Wirtschaft Mexikos sanieren und den Rüstungswahnsinn beenden.

Haupteinwände gegen die Arbeitszeitverkürzung sieht Hanke eher im emotionalen Bereich, des "Zähne zusammenbeißen und durch" oder der tiefverwurzelten christlich-abendländischen Weltanschauung, daß Wohlstand und Wohlergehen durch saure Arbeit erst verdient werden müßten.

Auch aus dem staatlichen Bereich kommt Ablehnung. Kein Wunder, schließlich gehört der Finanzminister mittels Steuerprogression zu den größten, aber heimlichen Gewinnern jeder Gehaltserhöhung. Hanke verschweigt daher auch nicht, daß Arbeitszeitverkürzung mit einer Einschränkung der staatlichen Leistung verbunden ist. Was unseren aufgeblähten Verwaltungen so übel nicht täte.

Im Gegensatz zu den Theorien der von Hanke als "ahnungslos" apostrophierten Nobelpreisträger Friedmann und Hayek ist seine "Weltformel" einfach, was ihm ebenfalls oft zum Vorwurf gemacht wird. Aber schließlich ist auch Einsteins berühmte Formel (e = mc²) nicht schon deshalb falsch, weil die schwierigste darin vorkommende Rechenoperation die Multiplikation ist.

F. G. Hanke, Der Endsieg des Kapitalismus, weniger arbeiten - besser leben

Verlag Orac, 223 Seiten, 256 Schilling, 36 Mark