As-a-Service gefragt

Outsourcing passiert nicht auf dem kleinen Dienstweg

28.09.2016
Von 
Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Der klassische Outsourcing-Markt in Europa bricht um 28 Prozent ein und erreicht den niedrigsten Wert seit sieben Jahren. Das Modell As-a-Service legt um 38 Prozent zu. Das meldet der Markforscher ISG aktuell für Europa. Friedrich Löer von ISG beobachtet, dass Unternehmen immer öfter von der Stange kaufen und dass sich die Verantwortlichkeiten verschieben.
  • Im zweiten Quartal 2016 erzielten Dienstleister in der Region EMEA mit klassischem Outsourcing rund 1,6 Milliarden Euro
  • ISG berücksichtigt Outsourcing-Verträge ab einem Volumen von vier Millionen Euro pro Jahr
  • Friedrich Löer: "Eigentlich findet Digitalisierung auf der Business-Ebene statt. Aber letztlich sprechen wir über Software-Lösungen, die das Ganze abbilden müssen."
Friedrich Löer von ISG sagt: "Outsourcing ist ein Breitenschwert, kein Skalpell."
Friedrich Löer von ISG sagt: "Outsourcing ist ein Breitenschwert, kein Skalpell."
Foto: Friedrich Löer, ISG Group

Der Marktforscher ISG berichtet, dass As-a-Service-Verträge das traditionelle Outsourcing in Europa verdrängen. Als traditionelles Outsourcing definieren die Marktforscher das Auslagern von Geschäftsprozessen oder Teilprozessen. "Damit wird die Ergebnisverantwortung übertragen", sagt Friedrich Löer, Partner und Global Lead of ITO Transactions bei ISG. Beim Modell As-a-Service geht es dagegen um das Nutzen von Funktionalität oder Ressourcenbereitstellung. Die Prozessverantwortung und das Risiko bleiben in der Regel beim Auftraggeber.

Dazu ein paar Zahlen: Im zweiten Quartal 2016 erzielten Dienstleister in der Region EMEA (Europa, Nahost, Afrika) mit klassischem Outsourcing rund 1,6 Milliarden Euro, das sind 28 Prozent weniger als gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das ist der niedrigste ACV-Wert seit sieben Jahren. Das Kürzel ACV steht für Annual Contract Value, das Jahresvolumen der Verträge also. Mit dem Modell As-a-Service erwirtschafteten die Provider 600 Millionen Euro. Das entspricht einem Plus von 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Löer ergänzt: "Weltweit betrachtet, repräsentieren As-a-Service-Aktivitäten nun 36 Prozent des gesamten Sourcing-Marktes." Das entspricht fast einer Verdoppelung des Anteils seit Anfang 2014, so der Analyst weiter. Zum Verständnis: ISG berücksichtigt Outsourcing-Verträge ab einem Volumen von vier Millionen Euro pro Jahr.

Ein Blick auf die Branchen zeigt, dass Finanzdienstleister am stärksten auslagern, und zwar sowohl im Hinblick auf das Marktvolumen, als auch auf die Zahl der abgeschlossenen Verträge. Diese werden offenbar kleiner: Die Finance-Branche schloss im ersten Halbjahr 2016 insgesamt Abkommen in Höhe von einer Milliarde Euro ab. Das stellt gegenüber dem ersten Halbjahr 2015 ein Minus von 17 Prozent dar. Gleichzeitig ging die Zahl der Abschlüsse um 17 Prozent nach oben.

Konzerne mit leistungsfähigen Strukturen sehen weniger Vorteile in der Cloud

Wie Löer beobachtet, nutzen insbesondere kleinere Firmen und Mittelständler As-a-Service-Angebote. Beispiel Cloud: Mittelständler hätten meist keine eigene IT-Organisation, die die Kapazität hat, die aktuellen Anforderungen zu bewältigen. Die Entscheidung, ob selbst aufgebaut oder in die Cloud ausgelagert werden solle, falle dann oft zugunsten der Cloud aus. Dagegen sähen Konzerne mit leistungsfähigen Strukturen für sich weniger Vorteile in der Cloud.

Dabei ist dem ISG-Experten bewusst, dass das Stichwort Cloud für viele CIOs in Großunternehmen mit Schatten-IT verbunden ist. Fachabteilungen, die selbstständig und unter Umgehung des IT-Entscheiders einzelne Cloud-Services einkaufen, sind nicht selten. "Es ist die Herausforderung per se, für alle IT-Anforderungen der richtige Ansprechpartner im Haus zu sein", erklärt Löer. Der CIO müsse die gewünschten Leistungen entweder selbst erbringen oder einkaufen.

Hintergrund dessen ist die Frage, wer die Entscheidungsmacht über das Outsourcing innehat. "Outsourcing ist ein Breitschwert, kein Skalpell", sagt Löer. Mit anderen Worten: Outsourcing ist ein Instrument der Unternehmens-Strukturierung. Es geht nicht nur um den bloßen Einkauf von Hardware, Software oder Dienstleistungen. "Outsourcing passiert nicht auf dem kleinen Dienstweg", sagt der Analyst. So etwas könne nicht ein Entscheider alleine verantworten.

"Der CIO wird nicht mehr alles selbst machen können"

Der Einfluss des CIO wird auf jeden Fall mit der Digitalisierung wachsen, ist Löer überzeugt. "Eigentlich findet Digitalisierung auf der Business-Ebene statt", führt er aus, "es geht ja um das Entwickeln neuer Geschäftsmodelle. Aber letztlich sprechen wir über Software-Lösungen, die das Ganze abbilden müssen." Und damit über die Erstellung oder den Einkauf und Betrieb von Lösungen. "Der CIO beziehungsweise die IT-Abteilung wird nicht mehr alles selbst machen können", so das Fazit von Löer.

Die Zukunft des Outsourcing liegt in der Standardisierung, prognostiziert der ISG-Experte. "Unternehmen sourcen größere Aggregate und fragen zunehmend nach Marktstandards, nicht mehr so stark nach individuellen Lösungen", beobachtet er. Das eröffne Dienstleistern mehr Effizienzmöglichkeiten. Was die Inhalte betrifft, sieht Löer Business-Funktionen im Kommen. Unternehmen werden zunehmend Joint Ventures gründen und neue Partnerschaften schließen. Löer: "Um das Outsourcen von IT-Infrastruktur wird es nicht mehr so stark gehen."