Ernst Koller, Deutschland-Chef von IBM Global Services im Interview

"Outsourcing ist heute etabliert"

27.04.2001
Mehr als ein Dutzend Töchter arbeiten in Deutschland unter dem Dach von IBM Global Services. Zu viele, befand das Management, eine Konsolidierung unter den Outsourcing-Gesellschaften soll Abhilfe schaffen.CW-Redakteuer Joachim Hackmann sprach mit Ernst Koller, dem deutschen Chef von IBMs Dienstleistungsarm, über die Reorganisation, den Outsouring-Markt und IBMs Rolle im IT-Servicegeschäft.

CW: Die IBM Global Services ordnet ihr hiesiges Outsourcing-Geschäft neu. Dazu sollen Tochtergesellschaften zusammengelegt werden. Warum machen Sie das?

Koller: Die Outsourcing-Aktivitäten lassen sich nur dann gut betreiben, wenn sich die Scales of Economy optimal ausnutzen lassen. Ein großes Rechenzentrum arbeitet dann gut und rentabel, wenn es viele Kunden mit gleichartigen Prozessen versorgt. Je mehr Tochtergesellschaften im Outsourcing aktiv sind, desto mehr Koordinationsaufwand fällt an, desto schwieriger wird es auch, wirtschaftliche Effizienz zu erreichen. Darum wollen wir Gesellschaften zusammenführen oder zumindest dafür sorgen, dass Kompetenzzentren für bestimmte Disziplinen entstehen.

CW: Das dürfte aber doch keine neue Erkenntnis sein. Warum hat IBM überhaupt so viele Tochtergesellschaften gegründet?

Koller: Weil in den frühen Tagen des Outsourcings viele Vorbehalte vorhanden waren. Die Kunden haben zu Recht die Vertrauensfrage gestellt: Kann der Dienstleister überhaupt meine Anforderungen erfüllen? Sie haben auf ein Joint Venture gedrängt, um die Aktivitäten eine Weile zu beobachten und die Entwicklung mitzugestalten. Outsourcing wurde auch kritisch betrachtet, weil es kaum Referenzen gab. Heute ist es eine etablierte Vorgehensweise, so dass die Vertrauensfrage nicht mehr das Gewicht früherer Tage hat.

CW: Haben Ihre Anwender nichts gegen die Konsolidierung?

Koller: Wir bereinigen unsere Strukturen überall dort, wo es uns die Kunden erlauben. Immerhin profitieren sie ja auch von der damit verbundenen wirtschaftlichen Effizienzsteigerung. Zudem wird dieser Prozess sehr sanft vorangetrieben. Es ist ja nicht so, dass wir in diesem Jahr aufgestanden sind und gerufen haben: Wir legen unsere Servicetöchter zusammen.

CW: Nehmen Sie die Bereinigung vor, weil der Outsourcing-Markt kein großes Potenzial mehr in sich birgt? Die ganz großen Abschlüsse dürften ja wohl der Vergangenheit angehören.

Koller: Ach was, je intensiver die Geschäftswelt darüber nachdenkt, wie sie effizienter arbeiten kann, desto größer wird der Markt. Außerdem gibt es immer wieder große Akquisitionen und Unternehmenshochzeiten, bei denen sich jedesmal die Frage stellt: Was machen wir bloß mit der IT? Das ist für uns eine großartige Möglichkeit, mit unser Kompetenz aufzuwarten. Hinzu kommt die Welt des Internet und des E-Business. Viele Kunden haben weder Zeit noch Kompetenz, diesen Anforderungen aus eigener Kraft zu begegnen. Die suchen einen Partner, der Teilbereiche oder auch die gesamte damit verbundene IT für sie betreibt. Outsourcing ist nach wie vor ein bedeutender Markt.

CW: Auffällig ist indes, dass Sie bei Ihren Töchtern, die im Consulting-, Projekt- oder User-Helpdesk-Geschäft aktiv sind, auf Steigerung beim Umsatz und bei den Marktanteilen Wert legen, im Bereich des strategischen Outsourcings jedoch nur die Effizienzsteigerung im Auge haben. Es entsteht der Eindruck, dass die einen wachsen sollen, die anderen lediglich ihre Position zu halten brauchen.

Koller: Nein, dieser Eindruck ist falsch. Die Töchter im Bereich strategisches Outsourcing verantworten aus historischen Gründen den Betrieb, also die Auslieferung von Services an die Kunden. Der Verkauf und das Marketing in diesem Bereich obliegen der Organisation IBM Global Services Strategic Outsourcing. Bei den Unternehmensberatungs-, Projekt- und Helpdesk-Töchtern ist das anders. Sie verkaufen und vermarkten ihre Produkte eigenständig, weil sie einen eigenen Markennamen und Marktauftritt haben. Sie verantworten auch die Qualität und Auslieferung ihrer Dienstleistungen.

CW: Im Vergleich zu den Konkurrenten fehlt IBM Global Services eine markante Botschaft. T-System lockt mit der Konvergenz von IT- und TK-Techniken, Siemens Business Services (SBS) hat sich Mobile Business auf die Fahnen geschrieben. Wie lautet das Alleinstellungsmerkmal von IBM Global Services?

Koller: Ein Alleinstellungsmerkmal ist schwierig zu beschreiben, weil Themen unterschiedlich benannt werden. Ein Bereich, von dem wir enormes Wachstum erwarten, ist das Mobile E-Business. Das beginnt bei der Miniaturisierung von Servern und Endgeräten. Damit geht einher, dass gewaltige Datenbanken zu verwalten und Data-Mining-Verfahren samt der dafür benötigten Hard- und Software erforderlich sind. Bindeglied zwischen End-geräten und Datenbanken sind neue Bandbreiten-Ressourcen, die derzeit entstehen. Diesen ganzen Komplex wollen wir mit unseren Kunden umsetzen.

Zweites wichtiges Thema ist Linux, das dritte die Storage Area Networks. Hier müssen gigantische Speichereinheiten verwaltet werden, und wir werden Services dafür anbieten. Schließlich gibt es große Wachstumschancen beim Hosting und Sourcing, also dem modifizierten strategischen Outsourcing. Auf diese Themen haben wir unsere Investitionspläne ausgerichtet. Schließlich ist der E-Business-Markt bei weitem noch nicht ausgereizt.

CW: Die IBM in den USA bewirbt verstärkt das Thema E-Sourcing. In Deutschland ist darüber relativ wenig zu erfahren. Gibt es hier entsprechende Aktivitäten?

Koller: E-Sourcing ist ein wichtiger Bestandteil des Strategic Outsourcing. Wir haben eigens dafür eine Abteilung gegründet, die E-Sourcing- und E-Business-Hosting-Aktivitäten bündelt. Es wurden bereits Rechenzentren installiert, denn E-Sourcing ist ein völlig neues Konzept, verlangt eine andere Aufstellung der Mannschaft und neue Verrechnungsmodelle. Es ist für all die Unternehmen interessant, die das Internet als Infrastruktur für ihre Geschäftstätigkeiten nutzen. Application-Service-Provider (ASPs) etwa sind eine wichtige Klientel.

CW: IBM-Chairman Louis Gerstner hat kürzlich von IBM Global Services einen höheren Anteil am Gesamtumsatz eingefordert (aktuell liegt er bei gut 37 Prozent - Anm. der Red.). Beunruhigt Sie eine solche Forderung?

Koller: Diese Forderung gibt es, seit IBM Global Services besteht. Ziel ist es, dem Kunden zu liefern, was er im IT- und Geschäftsbereich wirklich benötigt. Hier hat sich IBM Global Services eine gute Stellung erarbeitet. Immerhin wuchs das Geschäft von zirka vier Milliarden Dollar im Jahr 1990 auf mittlerweile 33 Milliarden Dollar. IBM Global Services stellt einen Integrationsfaktor für alle anderen IBM-Bereiche dar, seien es die branchenorientierten Gesellschaften oder die Hard- und Softwareeinheiten. Gerstner hat natürlich Recht: Wenn man in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig ist, muss man die Integrationsmöglichkeiten voll ausschöpfen.