Outsourcing ist Chefsache

17.12.2008
Experten empfehlen eine zentrale Organisation zur Steuerung der Provider. Zu viel Kontrolle kann allerdings auch schädlich sein.

Die Wirtschaftskrise zwingt die Unternehmen verstärkt, ihre interne IT-Infrastruktur in Sachen Flexibilität und Agilität auf den Prüfstand zu stellen. Outsourcing gilt als wirkungsvolles Instrument, um schneller und beweglicher zu werden. Nach wie vor scheitern jedoch viele Auslagerungsvorhaben. Frank Ridder, Research Director IT-Sourcing bei Gartner, sieht einen wichtigen Grund darin, dass die Aktivitäten der IT und damit auch der externen IT-Dienstleister im Unternehmen zu wenig wahrgenommen werden. Damit sei eine exakte Abstimmung mit den übergeordneten Geschäftszielen des Auftraggebers kaum möglich: "Die IT kommt selten über eine rein taktische Rolle hinaus", beobachtet Ridder. Traditionell verstärke sich dieser Trend in wirtschaftlich unsicheren Zeiten: "In der Dotcom-Krise hatten die Outsourcing-Anwender nur ein Motiv: Einsparungen. Danach hat sich das Thema allmählich in Richtung Qualität und Innovation entwickelt. Aber jetzt rücken die Kosten wieder verstärkt in den Fokus."

Geschäftsleitung muss involviert sein

Fehlt es an der strategischen Ausrichtung einer Auslagerung, hat das nach Ansicht von Ridder aber auch viel mit der Rolle des CIO im Unternehmen zu tun. Der ist zwar in der Regel für IT-Sourcing-Projekte hauptverantwortlich, einer Studie von Gartner zufolge hat er aber nur in 39 Prozent der Fälle direkten Zugang zur Geschäftsleitung. Dieser sei jedoch wichtig, um den Dienstleistern die strategischen Ziele des Kunden näherzubringen. "Geschäftsführer und Fachabteilungen hegen oft unrealistische Erwartungen, weil es ihnen an Einblick in die Möglichkeiten der IT mangelt", erläutert der Experte. Umgekehrt habe die IT eine sehr technische, auf SLAs basierende Sichtweise aufs Business: "Zwischen dem Anspruch der Business-Seite und dem Feedback der Provider fühlt sich der CIO wie ein Schnitzel in der Semmel." Um Innovationen hervorzubringen, seien solche Strukturen wenig geeignet. "Viele Business-Manager denken: Der IT-Dienstleister muss die Innovationen doch am besten erkennen, so tief wie er in der Materie steckt. Ihnen ist nicht bewusst, dass sie den Provider dazu erst einmal in die Lage versetzen müssen."

Wichtig: gegenseitiges Verständnis

In den meisten Fällen verantwortet die IT-Abteilung die Erbringung der Services für die Fachabteilungen und managt die externen Provider. Während selbst die eigene IT-Abteilung oft nicht beschreiben kann, wie sie die Ziele der Fachbereiche erfüllen kann, agieren die Externen völlig losgelöst vom Geschäft, kritisiert Ridder: "Das Business kann den Wertbeitrag durch die Provider nicht nachvollziehen, diese wiederum verstehen nicht, was die Business-Seite will, und können deshalb schwer zur Erreichung ihrer Ziele beitragen." Um dem externen Dienstleister zu vermitteln, was das Business anstrebt, sollten IT-Abteilung und Geschäftsleitung des Anwenderunternehmens gemeinsam mit ihren Outsourcing-Partnern ein "magisches Dreieck" bilden, in dem es darum geht, gemeinsame Ziele zu kommunizieren und die Zusammenarbeit zu koordinieren, empfiehlt Ridder. Bekommt etwa der Provider direkten Input auf Geschäftsebene, kann er die Anforderungen des Business besser verstehen und darauf reagieren, so sein Argument. Für die Geschäftsleitung wiederum ist es leichter, den Wert der IT einzuschätzen und die Ziele mit den externen Partnern abzustimmen.

Ziele klar definieren

Die Ziele müssen allerdings so formuliert sein, dass die jeweils andere Seite sie auch versteht, gibt der Analyst zu bedenken. Mit Begriffen wie "Umsatzwachstum" oder "Profitsteigerung" etwa könnten IT-Abteilung und Provider wenig anfangen. Vielmehr gelte es, die jeweiligen Treiber auf dem Weg zu bestimmten Zielen sowie Hindernisse, die ihrer Erreichung im Weg stehen, detailliert zu beschreiben. Empfehlenswert seien auch Tools, mit deren Hilfe sich Business-Ziele quantifizieren lassen - etwa Dashboards, die geschäftsrelevante Kennzahlen zur Erfolgsmessung (KPIs) mit der technischen Ebene des Outsourcing-Projekts verbinden und dadurch die Sichtbarkeit in beide Richtungen sowie die Abstimmung verbessern.

Beispiel aus der Praxis

Wie wichtig eine umfassende Sourcing-Organisation ist, die alle Beteiligten einbindet, weiß auch Marcel Merz, Vice President Seafright Systems bei Panalpina, wie sein auf der IT-Strategiekonferenz von Gartner geschildertes Beispiel zeigt: Das Management des Schweizer Speditionsunternehmens, das mit 500 Niederlassungen in 90 Ländern vertreten ist, hatte vor gut fünf Jahren beschlossen, die Codierung des Speditionssystems, eine Eigenentwicklung, sowie Teile des Projekt-Managements auszulagern, weil die damit verbundenen Aufgaben mit den eigenen Mitarbeitern nicht mehr zu stemmen waren. Ziel des Vorhabens war es, die in den verschiedenen Geschäftsstellen extrem uneinheitlichen Systemversionen im Rahmen eines Offshore-Projekts weltweit zu standardisieren. Für die Marktanalyse, die Evaluierung der Anbieter und die anschließende RFP-Phase (Request for Proposal) hatte sich Panalpina professionelle Unterstützung durch die Beratungsfirma Navisco geholt.

Den Zuschlag erhielt schließlich der indische IT-Dienstleister Tata Consultancy Services (TCS), "weil der in Sachen Firmenkultur und Struktur am besten zu unserem Unternehmen passte", begründete Merz die Entscheidung. In weniger als drei Monaten stand das theoretische Fundament - Prozesse, SLAs (Service-Level-Agreements) und KPIs (Key Performance Indicators). Um auf Nummer sicher zu gehen, führte Panalpina ein Offshore-Onsite-Modell ein: Für die Analyse hielten sich immer mindestens zehn TCS-Mitarbeiter in der Schweiz auf. Die Stimmung in der Belegschaft war gut: "Während des Know-how-Tranfers wuchs das gegenseitige Vertrauen kontinuierlich", erinnert sich der Manager.

Woran Outsourcing scheitert

Es hapert an der Kommunikation zwischen Business und IT;

Provider werden zu Befehlsempfängern degradiert;

die IT-Abteilung steht zwischen allen Stühlen und bekommt die Dynamik nicht in den Griff;

die Ziele der Fachbereiche sind unklar definiert;

extern zu erbringende Leistungen werden nicht genau beschrieben;

Provider und Anwender passen nicht zusammen;

der Outsourcing-Vertrag ist nicht flexibel genug;

es gibt kein ausgefeiltes Vendor-Management;

es wurde kein umfassendes Risiko-Management betrieben.

Zu viel Kontrolle schadet

Trotz alledem erwiesen sich die ersten Resultate der Zusammenarbeit als Enttäuschung. Vor allem beim Projekt-Management zeigten sich enorme Schwachstellen. "Die Fehler lagen allerdings zum Großteil bei uns, nicht bei TCS", räumte Merz ein. "Wir waren zu sehr damit beschäftigt, alles zu kontrollieren, und haben den externen Mitarbeitern ständig reingeredet." Um eine Auslagerung zum Erfolg zu führen, müsse man dem IT-Dienstleister ein gewisses Maß an Eigenständigkeit und Verantwortung zugestehen. Ratsam sei zudem, nicht allzu ambitionierte SLAs und KPIs zu formulieren und diese von finanziellen Vorgaben zu entkoppeln. "Bei einem Outsourcing-Deal von diesem Ausmaß muss man zumindest am Anfang eine gewisse Intransparenz in Kauf nehmen", so die Erfahrung des Managers.

Projekt-Management ist das A und O

Entscheidend sei es vielmehr, die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Griff zu haben, sprich: ein gutes Projekt-Management sicherzustellen und einen Single-Point-of-Contact einzurichten. "Die Kommunikation ist das A und O", so Merz. Das gelte vor allem für die Vermittlung der Anforderungen, bei der erfahrungsgemäß besonders viele Fehler aufträten. Nach den Pannen in der Anfangsphase wurde bei Panalpina zu diesem Zweck eigens eine Organisation eingerichtet. Anschließend sprechen die Projektbeauftragten die Anforderungen noch einmal persönlich mit den indischen Verantwortlichen durch. Dank dieser Struktur gelang es dem Speditionsunternehmen, das Projekt-Management innerhalb weniger Monate in den Griff zu bekommen.

Was Anwender falsch machen

  • Mangelndes Vertrauen in den Outsourcing-Anbieter;

  • unrealistische Erwartungen an die Provider beim Thema Innovationen;

  • fehlende Vorbereitung auf Multi-Sourcing-Vorhaben;

  • mangelndes Engagement des CIO für Business-Veränderungen.

Ratsam ist ein Top-down-Ansatz

Ein permanenter Dialog zwischen den relevanten Gruppen ist auch wichtig, weil sich die Geschäftsziele schnell ändern und die Komplexität im Unternehmen ständig zunimmt: "In die Projekte sind immer mehr Einheiten involviert, es werden nicht mehr nur IT-Infrastrukturen, sondern auch Anwendungen ausgelagert, und die Firmen greifen verstärkt auf Offshore-Kapazitäten zu." Ratsam sei daher ein übergreifendes, alle beteiligten Bereiche umfassendes Konzept, das möglichst hoch aufgehängt sein sollte: "Beim Outsourcing ist viel Politik im Spiel, ohne Top-down-Ansatz kommt man da meist nicht weiter", so Ridder. Als ideal erachtet der Analyst eine Sourcing-Zentrale mit dem CIO an der Spitze, der einen direkten Zugang zum CEO hat. Dieses Team müsse jederzeit auf internes Expertenwissen zugreifen können und die Provider steuern. Eine solche Organisation erfordere zwar einen hohen Aufwand an Koordination und Vorbereitung, rechne sich langfristig aber.

Panalpina-Manager Merz kann das bestätigen. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten bezeichnet er die Zusammenarbeit mit TCS mittlerweile als "Erfolgsstory". In nur fünf Jahren habe sein Team alle anvisierten Ziele - die weltweite Standardisierung und Erweiterung des Systems um zahlreiche neue Funktionen sowie eine kürzere Time-to-Market - erreicht und dabei die Kosten deutlich gesenkt. Fazit des Managers: "Wenn die Organisation erst einmal steht, kann man massiv gegenüber dem Eigenbetrieb sparen."