Outsourcing-Frage: Stunde der Wahrheit

07.06.1991

Weil die hauseigene DV-Abteilung Millionenbeträge vergeudet, denken Firmenchefs über Outsourcing nach - Informationstechnik wird zum Management-Thema. Wenn es dieses Ondit nicht gäbe, müßte es erfunden werden. Die Frage "Make or buy?" - und um die geht es - kann nur beantworten, wer die historischen Fakten und die aktuellen Zusammenhänge kennt.

Erstens: DV-Dienstleistung durch Dritte stand am Anfang der Marktentwicklung, als Computer für das einzelne Unternehmen noch nicht erschwinglich waren. Heute sind sie es - dank der Miniaturisierungs-Erfolge im Halbleiterbereich. Zweitens: Wenn wertvolle Ressourcen in langlebigen, herstellerspezifischen Systemen gebunden sind, kann der technische Fortschritt, der ja ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis zumindest auf der Hardwareseite bringt, von den Anwendern nicht genutzt werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß die Make-or-buy-Frager den Finger in die Wunde legen: Wo die DV, auch was die Wirtschaftlichkeit betrifft, auf dem neuesten Stand ist und - notwendigerweise - als strategische Waffe eingesetzt wird, bleibt Outsourcing-Anbietern die Tür verschlossen - andernfalls stimmt etwas nicht.

Freilich, es gibt Anwendungen - vorwiegend im kommerziellen, abrechnungstechnischen Bereich -, bei denen sich eigentlich jede Diskussion erübrigt, weil nichts anbrennt, wenn man sie außer Haus gibt. Die Tatsache, daß hierzulande auch dafür in den meisten Fällen noch die eigene DV-Mannschaft bemüht wird, spricht also eher gegen als für ein ausgeprägtes Outsourcing-Verständnis. Sei's drum. Das Unwohlsein nimmt zu, je mehr es ans Eingemachte geht. In einigen Fällen hat es sich artikuliert, sind Management-Entscheidungen getroffen worden, den Status quo zu verändern. Die Debis-Gründung im Daimler-Benz-Konzern ist das wohl bekannteste Beispiel.

Daß das Systemhaus unter der Debis-Flagge auch als Outsourcing-Anbieter fungiert, hat für unser Thema keine Bedeutung. Bemerkenswert ist, daß sich die schwäbischen Automobilbauer weitgehend von der eigenen DV getrennt haben - sicherlich nicht aus Jux und Tollerei, auch wenn man sich mit Aussagen über die wahren Gründe zurückhaltend gibt. Der Gedanke, bei der Ausgestaltung der informationstechnischen Infrastruktur aufs falsche Pferd gesetzt zu haben, muß die DV-Verantwortlichen bei Daimler-Benz zutiefst verstören.

Sie werden verstört, weil sie sich daran gewöhnt haben, mit unzufriedenen Benutzern zu leben - und mit einem Management, das in bezug auf die eingesetzten DV-Mittel keine Fragen stellte. Absurd zu glauben, mit Mainframe-DV a la IBM könnte etwas schiefgehen. Aus der Traum. Und das ist gut so. Andernfalls stimmt etwas nicht.