Diskussion unter Finanzdienstleistern

Outsourcing der Banken schlägt hohe Wellen

21.02.2003
FRANKFURT/M. (CW) - Das Outsourcing der Deutsche-Bank-Rechenzentren an die IBM hat Modellcharakter für die hiesigen Finanzdienstleister. Eine Diskussionsrunde mit verschiedenen IT-Verantwortlichen von Großbanken hat gezeigt, dass die Wettbewerber die Auslagerung interessiert verfolgen. Beäugt wird insbesondere der Versuch, sich vom starren IT-Kostenblock zu lösen.

Das Thema Deutsche Bank beherrschte die von der Maleki Group veranstaltete Diskussionsrunde "Bank der Zukunft". Der Grund dafür war nicht allein, dass die Veranstaltung in der Frankfurter Zentrale des größten deutschen Finanzdienstleisters stattfand. Die Branche beäugt und bewertet dessen Vorhaben, die IT auszulagern, sehr kritisch - und sie bewundert es. "Was die Deutsche Bank gemacht hat, ist für mich ein Quantensprung", zollte Jürgen Rebouillon, Mitglied des Vorstandes bei Credit Suisse First Boston, dem Outsourcing-Projekt Respekt.

Das derart gelobte Unternehmen übergibt zurzeit seine europäischen Rechenzentren an IBM. Die Beweggründe nannte HermannJosef Lamberti: "Was macht den Wettbewerbsvorteil einer Bank aus?" fragte der CIO der Deutschen Bank das Auditorium, "Doch nicht die Wertschöpfungskette zu 100 Prozent zu betreiben, sondern den Kunden variabel zu beraten." Vehement plädierte Lamberti dafür, neue Wege zu beschreiten, Wertschöpfungsketten aufzubrechen und dem Kontrollwahn auf Vorstandsebene ein Ende zu setzen.

Für die Commerzbank, die neuerdings auch Outsourcing-Pläne verfolgt (siehe CW 6/03, Seite 1), ergänzt Martin Blessing, Mitglied des Vorstands: "Kernkompetenz einer Bank ist der Vertrieb und das Wissen um die notwendigen Prozesse. Wir müssen verstehen, wie die Abläufe funktionieren und wie sie abgewickelt werden. Das heißt nicht, dass die Herstellung aller Prozesse zwangsläufig ist." Die möglichen Grenzen fasst er sehr weit. In seinen Augen ist die Auslagerung des Rechenzentrums-Betriebs, der Netze, der Desktop-Services sowie im Bereich des Investment-Banking auch die Anwendungsentwicklung denkbar.

Die meisten Banken stehen derzeit unter gewaltigem Druck. Einerseits leiden die Geschäfte unter der anhaltenden Konjunkturkrise, der drohenden Kriegsgefahr und dem extremen Börseneinbruch. Andererseits ist der Investitionsbedarf in Sachen IT so groß wie nie.

"Im letzten Jahr haben die Banken in Deutschland 20 bis 25 Milliarden Euro in IT investiert", rechnete Theophil Graband vor, Sprecher des Vorstandes der Norisbank. Beat Mathys, Mitglied der Geschäftsleitung der Zuger Kantonal Bank, ergänzte, dass 80 Prozent der Banken weiterhin massiv investieren müssen: "Die Banken-IT stammt aus den 70er und 80er Jahren. Sie ist am Ende ihres Lebenszyklus." Rebouillon ist der Meinung, dass verstärkte Kooperationen der Banken untereinander einen Gutteil der Investitionen überflüssig machen würden: "90 bis 95 Prozent der Dienstleistungen der Häuser sind identisch. Nur wenig erbringen sie gemeinsam."

Zusammengefasst führt dies zu der ernüchternden Erkenntnis: Die Bankenbranche steckt Milliardenbeträge in den Betrieb und Ausbau von IT-Umgebungen, die im Kern dennoch veraltet sind und zum Gros identische Services unterstützen. Die Manager wissen das: "Die Zukunft der Banken ist nicht die IT, aber ohne IT haben Banken keine Zukunft", fasst Graband zusammen.

Das Outsourcing wird keineswegs als Königsweg aus dem Dilemma gesehen, aber als Chance, sich einige Unannehmlichkeiten vom Hals zu schaffen. So ist der Präzedenzfall Deutsche Bank vor allem deshalb für die Branche interessant, weil sich an ihm studieren lässt, ob und wie es der Finanzdienstleister schafft, sich vom großen und fixen IT-Basiskostenblock zu trennen. Lambertis Ziel ist es, das Gros der Services je nach Bedarf vom Betreiber zu beziehen, also bedarfsgerecht wirtschaften zu können. Dabei geben die Frankfurter unumwunden zu, aus der Not eine Tugend zu machen: "Wir haben uns sukzessive in einen Prozess- und Technologieverhau verheddert", so Lamberti ein.

Outsourcer muss neutral sein

Lamberti steht mit diesem Dilemma nicht allein, das zeigte die Veranstaltung. In den meisten Banken haben sich über die Jahre hochkomplexe, kaum noch durchschaubare Systeme und Wildwuchs in verschiedenster Ausprägung herausgebildet. Ursache ist unter anderem das ausufernde Produktangebot der Fachabteilungen. Standardisierung, so hieß es auf der Veranstaltung immer wieder, dürfe sich nicht auf IT beschränken. Den Versuch, einen Standard beziehungsweise eine gemeinsame Dienstleistung für die Branche zu etablieren, hat die Deutsche Bank mit der Ausgliederung ihrer European Transaction Bank (ETB) gestartet. Bisher nutzen nur kleinere Banken das Angebot, Transaktionsprozesse extern abwickeln zu lassen. Die Großen halten sich zurück, sie möchten sich in diesem Geschäft keinem Wettbewerber anvertrauen: "Eine Transaktionsbank benötigt strikte Neutralität", bringt Graband die Bedenken auf den Punkt. "Solange es einen Mehrheitsgesellschafter aus dem Bankengewerbe gibt, ist das Angebot nicht akzeptabel." Als unabhängigen Dritten brachte er die Deutsche Börse ins Spiel.

Solche Vorbehalte bestehen, weil sich die Verantwortlichen im Klaren darüber sind, dass sie mit dem Outsourcing einen Teil ihrer Steuerungsmöglichkeiten verlieren. Das gilt nicht nur für die Auslagerung des Transaktionsverkehrs an die ETB, sondern für sämtliche Outsourcing-Angebote. "Outsourcing macht man nur einmal. Wenn Sie die Wertschöpfungskette zerschneiden, müssen Sie genau überlegen, wo Sie die Schnitte ansetzen", warnte Blessing.

Ein gewisses Misstrauen den Anbietern gegenüber scheint den IT-Verantwortlichen eigen. Für die Zuger Kantonal Bank liefert beispielsweise CSC einige Betriebsdienste, der Vertrag darüber wurde kürzlich erst um fünf Jahre verlängert. Geschäftsführer Mathy empfiehlt genaues Verhandeln: "Bekommt man vom Outsourcer immer das, was man bestellt hat? Ja, wenn man alles klar geregelt hat. Allerdings kostet es viel Zeit, die Verträge zu gestalten." Hier sind die Outsourcing-Anbieter, die Heerscharen von Experten und Anwälten in Lohn und Brot, im Vorteil. Commerzbank-Manager Blessing: "Die outsourcende Bank muss ebenfalls Experten mobilisieren, sonst hat sie zum Schluss immer das kürzere Ende der Wurst in der Hand." (jha)