DV-Kosten lassen sich detailliert berechnen

Outsourcing-Anbieter haben beim Kunden ein leichtes Spiel

14.02.1992

Einen für beide Seiten akzeptablen Outsourcing-Vertrag aufzusetzen, ist ein Rechenexempel. Weil die komplizierten Berechnungen wegen fehlender methodischer Ansätze oft nicht möglich sind, einigen sich die Partner im finanziellen Bereich gern auf eine vertraglich festgelegte Obergrenze - nicht selten zum Schaden der Anwender, wie Tilman Gerhardt* meint.

Die Problematik des Outsourcing ist seit geraumer Zeit beherrschendes Thema in der Informationsverarbeitung. Kaum ein DV-Verantwortlicher kann sich derzeit dieser Fragestellung entziehen. Gegenüber dem Management, aber auch als Rechtfertigung vor sich selbst muß der DV-Verantwortliche die zentrale Datenverarbeitung, den Großrechner oder sogar seinen ganzen Verantwortungsbereich in Frage stellen und rechtfertigen.

Kleine Änderungen können große Vorteile bringen

Die Unantastbarkeit der bestehenden Strukturen wird in der Regel mit subjektiven qualitativen Kriterien oder gar mit einfachen Pauschalurteilen begründet. Die am häufigsten verwendete Erklärung für das Beibehalten der Strukturen läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: "So wie wir die Abwicklung brauchen, kann das sowieso niemand." In dieser Ansicht findet ein gewiefter Outsourcer gleich zwei Ansatzpunkte, um einen potentiellen Kunden zu gewinnen.

In vielen Fällen liegt nämlich dem "so" beziehungsweise dem "genau so und nicht anders" ein Irrtum zugrunde: Schon geringfügige Änderungen von spezifischen Abläufen und Eigenheiten der Abwicklung können die Handhabung grundsätzlich erleichtern und sind häufig sogar längst überfällig.

Eine marktorientierte Standardisierung tut dabei nicht nur in den Bereichen der allgemeinen Verwaltung, sondern auch in anderen Unternehmensaufgaben Not.

Die Möglichkeiten werden oft unterschätzt

Zudem werden die Möglichkeiten von Outsourcing-Anbietern immer wieder unterschätzt. Das vielseitige Leistungsspektrum der Anbieter ermöglicht es, auf individuelle Situationen der Kunden einzugehen und gleichzeitig ein enormes Potential an kundenübergreifendem Know-how einzusetzen.

Interessanterweise aber werben die meisten Outsourcer für ihr Geschäft auf der Basis ähnlich unpräziser Argumente, mit denen die nachdenklichen DV-Verantwortlichen ihre eigenen Strukturen betrachten. Nicht wenige Anbieter beschränken sich ausschließlich auf die Darstellung der bekannt gewordenen Vor- und Nachteile des Outsourcing oder preisen die Qualität und Effizienz ihrer Dienstleistungsrechenzentren so an:

1. Ebene der operativen Umsetzung:

- Kosteneinsparungen durch bessere Auslastung von technischen Ressourcen (Größeneffekte),

- Bündelung von Know-how und professionellen Dienstleistungen (Expertenwissen),

- höhere Verfügbarkeit und Serviceleistungen rund um die Uhr (100-Prozent-Service) und

- hohe Betriebssicherheit (Back-up).

2. Ebene der strategischen Planung:

- technische und organisatorische Flexibilität im Fall von Volumen- und Strukturveränderungen,

- Modernität, der technischen Ressourcen (Bewältigung des Technologiewandels ohne Investitionen) und

- Anschluß an die Entwicklung von Marktstandards.

Mit einer nachvollziehbaren kostenrechnerischen Bewertung der DV-Auslagerung tun sich also beide potentiellen Partner schwer. Die Komplexität unterschiedlicher Maßnahmen, die vielschichtigen Zusammenhänge und schwer abschätze baren Konsequenzen führen dazu, daß eine systematische Bewertung Probleme aufwirft.

Dies läßt sich besonders deutlich am Beispiel der individuellen Anwendungsentwicklung und -betreuung zeigen: Was passiert, wenn der Outsourcer Individualsoftware betreuen muß und sich die Anforderungen des Kunden grundlegend ändern? In der Praxis entsteht in einer solchen Situation häufig ein schwer steuerbares doppeltes Know-how - und zwar auf den verschiedenen Ebenen Abwicklung, Vorbereitung und Anwenderbetreuung.

Ist der Dienstleister wirklich daran interessiert, sich mit dem Kunden weiter zu entwickeln? Ist er überhaupt in der Lage, das zwangsläufig erworbene Anwender-Know-how zu vertretbaren Kosten und in ausreichendem Umfang zu aktualisieren?

Zahlreiche Übernahmen von IV-Infrastrukturen und den damit verbundenen Dienstleistungen werden aufgrund bestehender Bewertungsprobleme heute nicht im Detail durchgerechnet. Sie basieren auf vertraglich fixierten Obergrenzen, deren Berechnung zum großen Teil auf geheimgehaltenen Erfahrungswerten beruht. Auf der Basis solcher Schätzungen gelingt es den Anbietern jedoch immer häufiger, Kunden davon zu überzeugen, ihre technisch veralteten kleinen Rechenzentren angesichts der bevorstehenden erheblichen Investitionen abzutreten.

Zu einer solchen Übernahme führen nicht nur der in der Regel desolate Zustand des betreffenden Rechenzentrums sondern häufig auch politische Gründe. So läßt sich zum Beispiel die gesamte Produktivität durch die Ausgliederung nicht-produktiver Unternehmensteile erhöhen. Innerhalb von Großunternehmen wird dieser Weg häufig gewählt: Obwohl zum Teil höhere Kosten entstehen, werden nicht-produktive Dienstleistungen ausgegliedert. Beide Seiten sind darüber sogar häufig froh, kann man sich bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung doch jetzt auf eine einzige Zahl unter dem Strich beschränken.

Im wachsenden Markt für Outsourcing-Leistungen genügt die verbale Formulierung qualitativer Vor- und Nachteile auf Dauer aber nicht. Ebenso können schnelle, mit erheblichen Sicherheitsmargen gerechnete Pauschalangebote nur eine Übergangslösung sein. Es fehlt ein Konzept, das die beiden notwendigen Faktoren der qualitativen und quantitativen Bewertung möglicher Maßnahmen zu einem hinreichend umfassenden Ansatz verbindet.

Auch die Anbieter, die durchweg hohe Wachstumsziele verfolgen, sind an einer tragfähigen Bewertungssystematik für Outsourcing-Leistungen interessiert. Durch ein schnelles Wachstum soll die deutliche Abhängigkeit vom Kunden Konzernmutter" abgebaut werden. Für viele Anbieter bedeutet dies, sich stärker als bisher mit Marktbedingungen und Wettbewerb auseinandersetzen zu müssen.

Um in diesem umkämpften neuen Markt bestehen zu können, müssen viele Anbieter erst einmal lernen, kompetent Aufträge zu akquirieren. Der kritische Kunde will nachvollziehen können, welcher bewertbare Nutzen für ihn entsteht.

Stark vereinfacht kann die Argumentation auf folgendem Vorgehen basieren (siehe Abbildung 1):

- Abgleich der individuellen Bedürfnisse des Kunden mit den Stärken des Anbieters;

- Erfassung und Verknüpfung zentraler quantitativer Einflußgrößen in einem Modell, das Alternativen anhand der Wirkung wesentlicher Gestaltungsparameter testet.

Der Anbieter von Outsourcing-Leistungen muß den Schwächen und dem Unterstützungsbedarf potentieller Kunden in überzeugender Weise mit seinen eigenen Stärken begegnen (Abbildung 2). Nicht jede DV-Leistung eignet sich grundsätzlich für eine Fremdvergabe. Die gleiche Leistung kann auch von Kunde zu Kunde unterschiedlich beurteilt werden, so daß sie für den einen von strategischer Relevanz, für den anderen eine reine Nebensache ist.

Ein Outsourcer muß also zunächst den Kunden analysieren und dessen Schwachstellen erkennen. Auch scheinbar zufriedenstellende Situationen lassen sich durch die gezielte Ergänzung der jeweiligen Stärken des Anbieters oder durch den Abbau von Schwächen so optimieren, daß die Kosten reduziert oder Ressourcen freigesetzt werden können. Ansatzpunkte für ein entsprechendes Vorgehen hat der Dienstleister vorzulegen.

Für die Analyse der Kunden-DV bietet sich als Grundrahmen die in der betriebswirtschaftlichen Forschung und Praxis bewährte Transaktionskosten-Theorie an.

Indem Jeweils die Vor- und Nachteile verschiedener Einbindungsmöglichkeiten von Teilleistungen überprüft werden, gibt diese Theorie Antwort auf die erweiterte Fragestellung des Make or Buy. Das Facilities Management zum Beispiel stellt eine alternative Einbindungsform dar, die irgendwo zwischen "Make" und "Buy" angesiedelt ist.

Nach der systematischen Aufbereitung des Unterstützungsbedarfs beziehungsweise -potentials kann der Outsourcer seine Leistungen gezielt anbieten. Für den Kunden muß dabei nachvollziehbar sein, warum die Inanspruchnahme der Dienstleistung zu einer Verbesserung der individuellen Situation führt.

Die quantitative Bewertung der Verlagerung von Leistungen ist weitaus kritischer aber nichtsdestotrotz unumgänglich.

Ein modellhaftes Vergehen ermöglicht dem Anbieter, Ratiopotentiale an konkreten Beispielen mit verschiedenem Input und veränderten Variablen durchzuspielen, ohne seine Erfahrungswerte und Berechnungsverfahren detailliert offenlegen zu müssen.

Indem der Anbieter ein plausibles Grundgerüst von Wirkungsbeziehungen mit kundenspezifischem Input füllt und sowohl die Eingabe als auch wechselseitige Wirkungsbeziehungen variiert, kann der potentielle Abnehmer nachvollziehen, welche Ratiopotentiale in Verbindung mit den Stärken des Anbieters erschlossen werden können. Die Einrichtung eines solchen Modells kann erheblichen Aufwand bedeuten.

Die einfachste Form ist eine konsequente "Delta-Rechnung", die sich auf die kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender Strukturen bezieht und lediglich Abweichungen dazu erfaßt. Nach der Darstellung der gemeinschaftlich konzipierten "Bezugsentwicklung" anhand wesentlicher Kenngrößen lassen sich alternative Maßnahmen und Konsequenzen berücksichtigen, so daß jede bewertete Veränderung nachvollzogen werden kann und als Teil in ein Gesamt-Delta einer Alternative eingeht.

Die Stärke des Verfahrens

Die besondere Stärke dieses Verfahrens, so zeigte ein von uns durchgeführtes Beratungsprojekt, liegt darin, daß auf unterschiedliche Bewertungen einzelner Maßnahmen gezielt eingegangen werden kann. Die Konfliktlösung reduziert sich dadurch auf einen engen Bereich.

Eine von allen Beteiligten getragene Alternativenbewertung - auch wenn diese nicht den jeweiligen vorherigen Erfahrungen entspricht - kommt zwangsläufig dann zustande, wenn die Bewertung einzelner Maßnahmen in ihrer Vollständigkeit und Korrektheit grundsätzlich akzeptiert wird.

Zweifelsohne beschränken sich der Leistungsabgleich und die modellhafte Darstellung der Schlüsselvariablen auf das Vorfeld einer möglichen Outsourcing-Beziehung.

Hierbei handelt es sich primär um eine Akquisitionsunterstützung in Form eines Instrumentariums, das maßgeblich zur Gestaltung der Beziehung beitragen kann. Die Vertragsgestaltung und die klassische Wirtschaftlichkeitsrechnung werden dadurch jedoch unterstützt und die Argumentationsbasis systematisiert und erweitert.

*Tilman Gerhardt ist Berater bei der BPU Betriebswirtschaftliche Projektgruppe für Unternehmensentwicklung GmbH in München