Dienstleistungen noch kaum gefragt

Outsourcer kämpfen um den Mittelstand

10.09.2003
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
Der deutsche Mittelstand ist kein leicht zu bestellendes Feld für IT-Anbieter, doch das Marktpotenzial gilt als immens. Vor allem Outsourcing- Dienstleister erwarten starkes Wachstum durch Aufträge heimischer Traditionsunternehmen.

DIE HOTTINGER Baldwin Messtechnik (HBM) GmbH mit Sitz in Darmstadt ist ein ganz normales mittelständisches Unternehmen mit einer ganz normalen heterogenen IT-Landschaft: 731 PCS, 160 Notebooks und 85 Server, rund 400 Drucker, knapp 350 SAP- und mehr als 200 Siebel-Nutzer. Und doch gibt es einen kleinen Unterschied, denn HBM ist Outsourcing-Kunde, und das bereits seit 1994.

„Wir wären kaum in der Lage, die heutige Struktur des Unternehmens in dieser Qualität aufrechtzuerhalten, wenn wir das aus eigenen Kräften leisten müssten“, bilanziert HBM-Geschäftsführer Roland Seebauer. Anfang der 90er-Jahre hatte sich der Messgeräte-Spezialist die obligatorische Frage nach den Kernkompetenzen gestellt und war zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt: „Der Betrieb von IT-Plattformen fällt sicherlich nicht darunter.“ Folglich wurden die Hardwareverwaltung, der Support und die Betreuung von Anwendungen ausgelagert, damals an Digital Equipment. „Wir arbeiten ergebnisorientiert“, begründet Seebauer den Schritt.

In Deutschland ist HBM damit ein Außenseiter, denn Outsourcer und Mittelständler gelten nicht als Idealbesetzung für eine Liebesheirat - heimische Traditionsfirmen stehen neuen Dienstleistungen eher skeptisch gegenüber, sagt Karsten Leclerque, Berater bei Pierre Audoin Consultants (PAC). Das war schon immer so, und bis heute hat sich daran nur wenig geändert. Doch in der Branchenkrise müssen die IT-Anbieter neue Geldquellen erschließen, und was läge näher, als das vermeintlich größte Reservoir im Lande anzuzapfen?

Nutzen oft unklar

„Der Mittelstand steht momentan im Zentrum aller Wachstumshoffnungen“, beobachtet Heinz-Paul Bonn, Mittelstandssprecher des Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom). Jahrelang belächelt und vernachlässigt, wird das Segment der kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) inzwischen hofiert, weil Großkonzerne mit IT überversorgt sind. Allerdings ist hier das Geschäft zäher, Mittelständler hinterfragen vermeintliche Modernisierungsansätze und lassen sich nur dann überzeugen, wenn der Nutzen einer Investition klar auf der Hand liegt.

Hinzu kommt das notorische Liquiditätsproblem: Für große Kostenblöcke ist im IT-Budget in der Regel kein Platz, das Eigenkapital wird vor dem steuerlichen Zugriff aus den Firmen geschleust, und Kredite lassen sich nur schwer beschaffen. Steht etwa der Releasewechsel einer betriebswirtschaftlichen Standardsoftware ins Haus, drohen die Aufrüstung der Hardwarelandschaft und damit hohe Aufwendungen. Das Unternehmen steht vor dem Dilemma, die Investition zu wagen oder sie weiter hinauszuschieben. „Auch wir haben damals unter finanziellem Druck für Outsourcing plädiert“, erinnert sich HBM-Chef Seebauer.

Spätestens an dieser Stelle wittern die einschlägigen Dienstleister ihre große Chance, denn sie versprechen moderne IT-Lösungen, ohne dass hohe Anfangsinvestitionen fällig werden: „Kosten sparen ist einer der stärksten Treiber für das Outsourcing-Geschäft“, sagt Gerhard Schoch, Geschäftsführer der Karlsruher Orga GmbH. In der letzten Zeit seien daher verstärkt Anfragen von Unternehmen mit weniger als 500 Usern bei ihm eingegangen, berichtet der Outsourcing- und SAP-Spezialist.

Diese Entwicklung schlägt sich auch in Zahlen nieder, wissen die Marktforscher von PAC zu berichten. So legte das mittelständische Outsourcing im Jahr 2001 hierzulande um stattliche 16 Prozent zu, und für 2003 rechnet Berater Leclerque ebenfalls mit einer zweistelligen Wachstumsrate. Etwas progressiver verhalten sich dabei die großen Mittelständler, während kleine Firmen nur zögerlich ihre IT-Plattform außer Haus geben wollen.

Rund 17 Milliarden Euro gibt der heimische Mittelstand dieses Jahr für Business- IT aus, errechnen die Marktforscher von Techconsult. Davon entfallen etwa fünf Milliarden Euro auf Dienstleistungen wie Outsourcing, Wartung, Schulung oder Beratung. Damit liegen die KMUs zirka zwölf bis 16 Prozent über dem Niveau von 2002, prognostiziert Techconsult. Als Gründe für den Anstieg nennt Bitkom-Vorstand Bonn den hohen Kostendruck auf die Anwender sowie den Zwang, unternehmerische Entscheidungen in immer kürzerer Zeit treffen zu müssen - ein klassisches Argument für hohe Flexibilität in der IT.

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