Osteuropa: IT-Werkbank für Mittelständler

03.08.2006
Von 
Sabine Prehl ist freie Journalistin und lebt in München.

Geografische und kulturelle Nähe

Trotzdem bietet das Nearshoring in Mittel- und Osteuropa nach Ansicht der Marktforscher der Deutschen Bank handfeste Vorteile. Von der geografischen und kulturellen Nähe profitierten vor allem Unternehmen, die noch keine Erfahrungen mit dem Auslagern ins Ausland gemacht haben und speziell der Mittelstand: Angesichts kleinerer Auftragsvolumina und einem geringeren Grad an Standardisierung ist Offshoring für kleinere Firmen meist keine Option, weil die Investitionen in die Auswahl und Kontrolle des Partners in einem Land wie Indien die Einsparpotenziale schnell übersteigen. In Nearshore-Regionen sind die Rüstkosten dagegen vergleichsweise gering.

Gut aufgestellt sind MOE-Länder zudem im Hinblick auf makroökonomische und institutionelle Faktoren wie politisches Risiko, Bürokratie oder Rechtsstaatlichkeit. So sind die Kosten, um einen Zahlungsanspruch im Falle eines Streits gerichtlich durchzusetzen, in ärmeren Ländern besonders hoch: In Indien können sie mehr als 40 Prozent der ausstehenden Summe ausmachen, in China und Russland sind es im Schnitt jeweils 20 Prozent. In Rumänien und Bulgarien liegen die Kosten der Vertragsdurchsetzung dagegen nur bei 15 Prozent, in Ungarn und Tschechien sogar bei unter zehn Prozent und damit niedriger als in Deutschland.

Kommunikation klappt besser

Zum einen funktioniert die Kommunikation mit mittel- und osteuropäischen Partner wegen der guten Sprachkenntnisse, aber auch mentalitätsbedingt in der Regel besser als etwa mit indischen Offshorern. So sind die Mitarbeiter in den MOE-Ländern selbstsändiges Arbeiten gewöhnt und müssen nicht ständig kontrolliert werden. Und bei neuen Aufträgen oder Veränderungen pflegen sie genau nachzufragen, um Missverständnissen vorzubeugen. "MOE bietet möglicherweise genau die Faktoren, die die kontinentaleuropäischen Firmen bislang vermisst haben - vor allem mit Blick auf Sprache und Kultur", fasst Michael Meyer, Autor der Studie, zusammen.