Ostdeutsche Kommunen setzen auf Systemintegration

03.02.1995

Die Einfuehrung moderner Informationstechnologien in den Verwaltungen wird in den alten und neuen Bundeslaendern unterschiedlich angegangen. Zu diesem Ergebnis kommen die Marktforscher von IDC und die Alldata GmbH, die im vergangenen Jahr 372 DV-Leiter aus den Kommunen zu ihren kuenftigen DV- Strategien befragten.

Die kommunalen Verwaltungen im Osten und Westen Deutschlands sind keine zwei Welten, wenn es um die Planung von IT-Konzepten geht. Unterschiede scheint es nur bei den Schwerpunkten zu geben, wie eine 1994 von der IDC Deutschland und dem Software-Anbieter Alldata GmbH durchgefuehrte Umfrage beweist.

Ein gemeinsames Problem ist die Nutzung proprietaerer Systeme. In den neuen Laendern macht sich ausserdem ein DV- Wildwuchs breit. Nicht zu vergessen die Kreisreform: Die neue Organisation der Laender macht die Vereinheitlichung bisheriger IT-Konzepte noetig. Uebereinstimmung zwischen Ost und West ergab die Untersuchung im Bereich der Software-Applikationen. Nahezu zwei Drittel der befragten oeffentlichen Verwaltungen arbeiten ueberwiegend mit Standardsoftware. Individuelle Anwendungen bevorzugen lediglich 13 Prozent; 26 Prozent aller Institutionen nutzen beide Varianten. Obwohl die Verwaltungs- und Verfahrensablaeufe in den Kommunen fast identisch sind, gibt es bei den eingesetzten Systemen keine Prioritaeten.

Bundesweit visieren die DV-Leiter der Aemter das "technische Rathaus" an. Geplant sind Informationssysteme und zu integrierende Gesamtloesungen, die auf der Basis von Standardsoftware die Verwaltung von Katastern, Liegenschaften und Umweltaufgaben erleichtern. Interesse herrscht vor allem an geografischen Informationssystemen (GIS) und Umweltinformationssystemen.

Die Integration vorhandener Hard- und Software halten die DV- Organisatoren in den ostdeutschen Laendern (23 Prozent) fuer wichtiger als ihre Kollegen im Westen (14 Prozent). Grund: Mit Basismodulen meist proprietaeren Charakters sollte nach der Wende im Osten die DV schnellstens zum Laufen gebracht werden. Funktionsfaehigkeit rangierte vor Offenheit und Kompatibilitaet. Ein Manko, das nun wieder ausglichen werden muss. Im Vergleich mit anderen Branchen in Deutschland werden in der oeffentlichen Verwaltung viele veraltete Midrange-Systeme verwendet. Mehr als ein Drittel aller befragten Betriebe und Koerperschaften verfuegen ueber derartige Loesungen. Genannt wurden unter anderem: Kienzle, Philips, HP3000 MPE sowie SNI C 40 / C 50. Die IBM mit ihren AS/400-, /36-, und /38-Maschinen hat dabei einen Markt von 18,6 Prozent. Der Anteil der Nutzer, die Unix einsetzen, ist mit 38,9 Prozent nicht besonders hoch. Inselloesungen bringen heute kaum die noch die erwarteten Leistungen. Somit stellt sich in vielen Kommunen die Frage, die bis dato verwendete Hardware auszutauschen oder bestehende Komponenten zu integrieren. Die DV- Leiter in den ostdeutschen Verwaltungen fuehlen sich dem Investitionsschutz wie gesagt staerker verpflichtet als ihre westdeutschen Kollegen. Ein wichtiges Thema fuer die Investitionsplanung der naechsten zwei Jahre heisst Netzwerk- Management. Bis Ende 1995 sollen drei von vier PCs in lokale Netze eingebunden sein.

Die Integration der komplexen, weil haeufig sehr heterogenen DV- Landschaft uebersteigt die internen Kapazitaeten der oeffentlichen Hand. So planen nahezu zwei Drittel der Institutionen, die Installation ihres LANs externen Partnern anzuvertrauen. Weit mehr als die Haelfte der Befragten will auch die Netze von einem Service-Anbieter warten lassen. Laut der Studie wollen die Kommunen in den naechsten zwei Jahren ihren PC-Bestand um mehr als die Haelfte aufstocken. Bei den Betriebssystemen wird Windows fuehrend sein. Auf eine DOS- werden kuenftig zwei Windows- Installationen kommen.

Bei den Servern dominiert Unix: 47 Prozent aller Verwaltungen streben nach eigenen Aussagen "eine aktive Unix-Planung" an. Strategische Entscheidungen, so ein Insider, beschraenken sich kaum auf die Wahl zwischen OS/2 und Windows NT. Den Umbruch in der IT, den die Studie fuer den Zeitraum bis 1996 verdeutlicht, duerften die Kommunen in Ostdeutschland kaum ganz aus eigener Kraft in den Griff bekommen. Trotz geringer Mittel wollen sie Partner von aussen einbeziehen, um neue Projekte schnellstens zu realisieren. Dabei veraendert sich die Rolle des Externen: Gefragt ist nicht mehr der Zuarbeiter, sondern eher ein Partner mit Projektwissen und Verantwortung. Neben technologischem Know- how ist die Kenntnis interner Strukturen und Ablaeufe in oeffentlichen Aemtern gefragt. Schliesslich gehe es langfristig um eine "betriebswirtschaftliche Verwaltungsarbeit und Buergernaehe", wie eine typische Forderung lautet. Allerdings werden in den neuen Bundeslaendern externe Anbieter kritischer beurteilt als im Westen, so das Ergebnis der Studie. Neben Kriterien wie Kompetenz und Kostenbewusstsein zaehlen hier vor allem die Praesenz vor Ort. * Der Autor ist Geschaeftsfuehrer der Alldata Beratung Informationssysteme GmbH in Muenchen.