"OSI ist fuer uns die einzige Alternative mit Zukunft"

20.01.1995

CW: Kann man heute wirklich eine reine OSI-Welt installieren?

Rastetter: Ja, das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeigt dies. Wir setzen OSI flaechendeckend und nicht nur in Orchideenprojekten ein.

CW: Welche OSI-Standards nutzen Sie?

Rastetter: Wir haben unser Landesverwaltungsnetz ganz auf die Ephos-Richtlinien abgestimmt, mit X.25-, X.400- und FTAM- Komponenten. Gegenwaertig sind wir dabei, Standards aufzunehmen, die durch neue Ephos-Richtlinien vorgeschrieben sind, zum Beispiel Management-OSI. Beim virtuellen Terminal nach ISO-Norm pruefen wir, ob es unseren funktionalen Anforderungen entspricht. Ausserdem ist ODA fuer uns der naechste grosse Schritt in Richtung genormte und offene Systeme, weil wir verschiedene Textverarbeitungsprogramme einsetzen und in der Verwaltung haeufig Dokumente ausgetauscht werden muessen.

CW: Warum setzt die Landesverwaltung auf OSI?

Rastetter: Um bei unabhaengiger Beschaffung und laenderuebergreifendem Einsatz Interoperabilitaet zu erreichen, ist OSI fuer uns die einzige zukunftsorientierte Alternative.

CW: Ist die Realisierung von OSI fuer die Verwaltung bindend?

Rastetter: Fuer die Anwendung von OSI gibt es eine Rechtsgrundlage. Der IT-Ratsbeschluss weist die oeffentlichen Verwaltungen an, auf europaeische oder internationale Normen Bezug zu nehmen. In Nordrhein-Westfalen ist die Anwendung von Ephos durch Erlass vorgeschrieben, obwohl Ephos normalerweise nicht bindend ist.

CW: Gelten Internet-Protokolle fuer Sie nicht als internationale Norm?

Rastetter: Die OSI-Normen sind verabschiedet, die Internet- Protokolle nicht. Deshalb zaehlen sie fuer uns nicht als Norm.

CW: Kann sich eine Behoerde den Luxus leisten, zu sagen, da TCP/IP lediglich als De-facto-Standard zu werten ist, koennen wir ihn nicht nutzen?

Rastetter: Ich sehe darin keinen Luxus. Ausserdem nutzt die Landesverwaltung TCP/IP im Bereich der lokalen Netze. Wir muessen aber Wege finden, wo TCP/IP und OSI parallel laufen und eine sanfte Migration zu OSI gewaehrleistet ist. Unser Ziel ist klar definiert.

CW: Was halten Sie von einer Normierung der Internet-Protokolle?

Rastetter: Die EU sollte die Internet-Protokolle unbedingt in den Normierungsprozess einbringen. Sie koennten sehr schnell verabschiedet werden, weil sie stabil, offen und definiert sind. Fuer die Anwender waere das die ideale Loesung. Von diesem Augenblick an haetten wir keine Probleme mehr mit dem Einsatz von TCP/IP.

CW: Warum reicht die EU die Internet-Protokolle nicht zur Normierung ein?

Rastetter: Es gibt Bemuehungen der EU, aber von entscheidender Bedeutung ist, wer die Standards setzt. Im Internet dominieren im wesentlichen amerikanische Unternehmen, waehrend bei OSI, das mehr in Europa vorangetrieben wird, ueber die Normierungsgremien Anwenderbeteiligungen existieren. Dies moechten wir beibehalten. Wir wollen nicht von US-Firmenstandards abhaengig werden, sonst verkommen wir hier in Europa zu einer IT-Bananenrepublik.

CW: Stimmt die verbreitete Meinung, es gebe kaum OSI-Anwendungen im Markt?

Rastetter: Nein, das Angebot ist ausreichend. Wir setzen zum Beispiel im X.400-Bereich sechs verschiedene Produkte ein, die zufriedenstellend zusammenarbeiten. Damit beweisen wir doch, dass OSI funktioniert. Die Kommunikationsanwendungen, die wir in der Verwaltung vorrangig benoetigen, naemlich der Datenaustausch zwischen den Behoerden sowie die elektronische Post, sind in OSI- Form sogar besser als in einer proprietaeren Welt.

CW: Warum fragen die Anwender OSI dann nicht nach?

Rastetter: Das Bewusstsein fuer OSI hat sich noch nicht ausreichend verbreitet. Schuld sind wahrscheinlich die langen Entwicklungszeiten und schaedlichen, viel zu fruehen Ankuendigungen in den 80er Jahren. Dadurch hat OSI das negative Image bekommen, nur etwas fuer Theoretiker zu sein, das in der Praxis nicht funktioniert.

Ministerialrat Klaus Rastetter ist Koordinator fuer Informationstechnik in der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen. Das Gespraech fuehrte CW-Redakteur Peter Gruber.