Pressentation Manager als Unix-Oberfläche

OSF/Motif: Microsoft und IBM sahnen ab

17.02.1989

*Quelle: IDC Deutschland GmbH, Kronberg, Markt-Info-Service Nr. 1 vom 27. 1. 1989, S. 1.

MÜNCHEN (CW) - "Der eigentliche Gewinner der OSF-Entscheidung für die Benutzeroberfläche Motif ist Microsoft. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Marktforschungsinstituts IDC Deutschland GmbH*. Als zweiten Sieger bei der Wahl um eine Standard-Unix-Oberfläche nennt die Studie den Branchenriesen IBM. Im folgenden der IDC-Text in leicht gekürzter Form.

Die Open Software Foundation wird die von ihr propagierte Unix-Version mit der Benutzeroberfläche OSF/Motif versehen, die im wesentlich en dem Presentation Manager entspricht. Genauer gesagt soll es sich um den von HP und Microsoft gemeinsam eingereichten Vorschlag des Common User Interface (CXI) handeln, der um Merkmale des Windows User Interface (XUI) von DEC bereichert wird.

Allerdings: OSF/Motif wird zwar im Aussehen dem Presentation Manager entsprechen, in den Systemaufrufen sind die beiden Fensteroberflächen jedoch völlig verschieden. Die Portabilität entsprechender Software ist somit zwischen den beiden Umgebungen nicht gegeben - jedenfalls vorläufig. Wer sich den Entwicklungsplan von Microsoft genauer ansieht, kann indes erahnen, welchen Weg die OSF-Benutzeroberfläche in Zukunft gehen wird:

Schon bis Mitte 1989 will Microsoft gemeinsam mit ihrer Tochter, der Santa Cruz Operation (SCO), die CXI-Schnittstelle so implementieren, daß sie nicht nur im "look and feel" dem Presentation Manager entspricht, sondern auch in den Systemaufrufen.

* Binnen Jahresfrist schließlich soll PM/X, der Presentation Manager (im Aussehen und in den Systemaufrufen) unter X-Windows fertiggestellt werden. Dazu ist es allerdings zunächst erforderlich, den Presentation Manager in C zu implementieren (der OS/2-Presentation-Manager ist in Assembler geschrieben).

PM/X wird den Planungen zufolge außerdem über eine weitgehende Client/Server-Architektur verfügen, wie sie für den Einsatz in Mehrplatzumgebungen unerläßlich ist. Vom Ansatz her ist nämlich der OS/2-Presentation-Manager nur für Single-User-Umgebungen konzipiert. Was bedeutet nun aber die Wahl des Presentation Manager für OSF/Motif?

Für IBM ist es ein weiterer wichtiger Schritt in dem Bemühen, die OSF-Gruppe zu beherrschen. Nach AIX als Betriebssystembasis kommt nun auch die IBM-Benutzeroberfläche Presentation Manager zum Zuge - laut IBM handelt es sich dabei immerhin um eine wesentliche Komponente der System-Anwendungs-Architektur (SAA).

DEC und Hewlett-Packard agieren -zumindest auf den ersten Blick- eher wie Statisten, die durch kleine Beteiligungen (DEC: XUI-Komponenten; HP: CXI-Mitwirkung) ihr Gesicht nach innen und außen wahren dürfen. Auf den zweiten Blick allerdings muß man feststellen, daß im Grunde tatsächlich keine andere Benutzeroberfläche derart konsensfähig wie der Presentation Manager ist - und zwar nicht nur innerhalb der Open Software Foundation.

Der eigentliche Gewinner der OSF-Entscheidung ist - einmal mehr - Microsoft. Sah es nach den Ereignissen im Unix-Markt im letzten Jahr (Stichworte OSF-Gründung oder Open-Look-Entscheidung von AT&T) zunächst so aus, als ob Microsoft die Felle in der Unix-Arena davonschwimmen würden, so steht die Gates-Company heute da.

Gemäß der seit Jahren praktizierten Strategie des "überall dabei sein, wo es etwas zu verdienen gibt", wird Microsoft trotz OSF-Oberfläche auch den Kontakt zu AT&T und zu Unix International intensiv pflegen. Immerhin hat Microsoft (zusammen mit Santa Cruz Operation) von AT&T mehr UNIX Lizenzen abgenommen als irgendein anderes Unternehmen.