Distributed Management Environment

OSF entwickelt Standard für verteilte Anwendungen

08.11.1991

Die Open Software Foundation (OSF) versucht ähnlich wie bei der Schaffung der grafischen Schnittstelle OSF-Motif, einen herstellerübergreifenden Industriestandard im Bereich Distributed Management Environment (DME) zu etablieren. Ziel dabei ist die Bereitstellung einer portablen Software- und Entwicklungsumgebung zur Verwaltung der Systeme, des Netzes und der Anwendungen. Ortwin Rose und Albert Fuß* beschreiben die Intentionen und den Entwicklungsstand des OSF-Projekts DME.

Traditionell haben sich Unternehmen eher einem einzelnen Hersteller zugewandt und von ihm alle wesentlichen DV-Komponenten bezogen. Kompatibilität der Einzelelemente und die Unterstützung bei der Systemverwaltung waren auf diese Weise sichergestellt. Inzwischen sind die Anwender nicht mehr in diesem Maße herstellerhörig und holen die Angebote mehrerer Anbieter ein.

Die traditionellen herstellerspezifischen Hilfsmittel sind für heterogene Umgebungen meist nicht verwendbar, da sie nur bedingt herstellerfremde Systeme unterstützen. Fehlende Standards machen dem Anwender schwer zu schaffen. Dies betrifft nicht nur die Kommunikation, sondern alle Aspekte einer verteilten Verarbeitung.

Offene und portable Software-Umgebung

Nur eine herstellerübergreifende Konzeption, bei der auch die entstehenden Standards - wie der von der ISO derzeit bearbeitete Standard zur Verwaltung der Kommunikationsaspekte offener Netze - berücksichtigt werden, sind für den Anwender eine längerfristige Lösung. Die Open Software Foundation (OSF) versucht ähnlich wie bei der Schaffung der grafischen Schnittstelle OSF-Motif, einen herstellerübergreifenden Industriestandard zu etablieren. Im Bereich der Distributed Management Environment (DME) wurde zunächst die Definition einer Architektur in den Vordergrund gestellt, die die kontinuierliche Integration anspruchsvollerer Lösungen erlauben soll. Ziel dabei ist, nicht nur die Verwaltung der Kommunikationsaspekte bei offenen Systemen zu unterstützen, sondern auch eine allmähliche Integration aller Aspekte einer verteilten Verarbeitung zu ermöglichen.

Ergebnis der OSF-DME Aktivitäten soll daher die Bereitstellung einer portablen Software- und Entwicklungsumgebung zur Verwaltung der Systeme, des Netzes und der Anwendungen sein. Um eine Weiterentwicklung der einzelnen Komponenten zu erleichtern sollen Lizenzen sowohl für den Objekt- als auch den Quellcode für alle in die DME integrierten Komponenten von den jeweiligen Herstellern an die OSF abgegeben werden. Ziel der OSF-DME ist die Schaffung einer offenen und portablen Software-Umgebung, in die sich Komponenten zur Verwaltung des Kommunikationsnetzes und der Systeme, Anwendungen und Benutzer selbst integrieren lassen. Dabei soll eine Management-Basis realisiert werden, die auch zur Verwaltung der anderen von der OSF geschaffenen Elemente wie des OSF/1-Betriebssystems, des OSF-Motif-Benutzer-lnterfaces und der Distributed Computing Environment dienen kann. Der hierzu an die Industrie und Forschungseinrichtungen gerichtete "Request For Technology" umfaßt zwei Bereiche, Management Framework und Management Applications.

Management Framework beinhaltet die Architektur und die konzeptionellen Aspekte eines verteilten System-Managements. Das Modell basiert auf der Definition von Managed Objects, die stellvertretend für die Komponenten des Verteilten Systems stehen. Sie umfassen damit Systemressourcen, etwa das File-System, Systemdienste, wie E-Mail und Print-Services, Netzdienste wie TCP/IP- oder OSI-Protokolle und die Systembenutzer. Der Zugriff auf die Managed Objects erfolgt mit Hilfe eines Common Management Information Service. Dieser stellt die Basis für ein sicheres, verteiltes und integriertes Management dar.

Im Bereich Managment Applications sollen die Komponenten auf den Common Management Information Service aufbauen. Die OSF fordert Hersteller auf, existierende Management-Komponenten, die in den OSF-DME Rahmen integriert werden können, vorzustellen. Das betrifft die Bereiche Accounting, Backup und Restore, Lizenzverwaltung, Überwachung und Steuerung von Managed Objects, Print-Services, Software-Installation und -Verteilung, und Benutzerverwaltung.

Was die Software betrifft, wird den Herstellern nahegelegt, weitreichende Zugeständnisse bei der Lizenzvergabe an die OSF zu machen. Ein Schlüsselelement des Frameworks besteht in der Definition von Application Programming Interfaces (API), über die von den Management-Komponenten auf die einzelnen Bestandteile des Basissystems zugegriffen wird. Diese Trennung der Management-Applikationen von den Common Management Services, der Datenbasis und dem Benutzer-Interface sichert die problemlose Integration zukünftiger Erweiterungen und neuer Standards.

So könnte beispielsweise der Common Management Service zunächst über das SNMP-Protokoll realisiert sein, um mit stärkerer Präsenz des von der ISO genormten Protokolls CMIP durch dieses abgelöst zu werden. Das API wird in beiden Fällen gleich bleiben, so daß sich alle Applikationen vollkommen unbeeinflußt von dieser Modifikation weiterverwenden lassen.

Drei Application Programming lnterfaces

Das Framework definiert hierzu drei Application Programming Interfaces:

- Die Benutzerschnittstelle ist von der OSF sowohl als grafische als auch als Textschnittstelle geplant. Letztere kann bei einigen spezifischen Aufgaben effizienter verwendet werden und erlaubt die leichtere Integration einer Vielzahl bestehender Management-Applikationen.

- Aufruf der Common Management Services und Zugriff auf die Management-Datenbasis: Die Common Management Services enthalten beispielsweise Funktionen zur Steuerung des Meldungsflusses, der Aufzeichnung wichtiger Aktivitäten und zur Verwaltung von Managed Objects. Der Management-Information-Storage-Dienst bietet den Anwendungen einen einheitlichen Zugriff auf alle Management-Informationen.

- Schnittstelle zu den eigentlichen Managed Objects: Um die Portabilität der Anwendungen und des Basissystems zu gewährleisten, besteht die Notwendigkeit, auf die Managed Objects in einer uniformen Weise zugreifen zu können. Aus diesem Grund wird ein weiteres API zu den Managed Objects definiert.

Kriterien für Produktkomponenten

Die OSF (wie auch die ISO, das OSI-Netz-Management Forum und viele andere Organisationen) bedient sich eines objektorientierten Ansatzes zur Strukturierung der Distributed Management Environment.

Es handelt sich dabei um einen konzeptionellen Ansatz, der nicht die Realisierung aller Komponenten in einer objektorientierten Sprache vorschreibt.

Allerdings wird die Umsetzung der Konzepte bei der Verwendung einer solchen Sprache sehr stark vereinfacht, und viele der eingereichten oder vorgeschlagenen Management-Applikationen sind bereits in der objektorientierten Sprache C+ + realisiert.

Die OSF fördert die rasche Etablierung der DME durch die gezielte Integration bestehender Produkte in das Basissystem. Zu diesem Zweck wurden Hersteller aufgefordert, geeignete Produktkomponenten vorzuschlagen.

Fusionspläne zwischen IRI und Olivetti

MAILAND (vwd) - Olivetti und die italienische Staatsholding IRI sollen ihre Software-Aktivitäten fusionieren. Ein derartiger Vorschlag liegt nach italienischen Presseberichten bereits auf dem Schreibtisch von IRI-Präsident Franco Nobili.

Ein IRI-Sprecher bestätigte, daß man sich mit diesem Thema beschäftige, dementierte aber konkrete Pläne. Von Olivetti war keine Stellungnahme zu erhalten.

Kernpunkt des Fusionsvorschlags ist eine Zusammenlegung der IRI-Softwareholding "Finsiel" und der Olivetti Information Services (OIS). Durch diese Fusion entstünde Europas zweitgrößtes Software-Unternehmen.

Im einzelnen soll IRI zunächst Olivetti 100 Prozent des Finsiel-Kapitals überlassen, im Gegenzug überträgt Olivetti an IRI 49 Prozent der Anteile des neuen Tochterunternehmens. Die IRI-Tochter Finsiel erarbeitet in erster Linie Software für Großkunden, OIS hat ihren Schwerpunkt in Programmen für industrielle Anwender.

Diese betrachtet ein Gremium unter Kriterien, welche die OSF als verpflichtend für die Integrationsfähigkeit definiert hat. Dazu gehören:

- Konformität zu bestehenden Standard-Applikationen, die Bestandteil der OSF-DME werden sollen, müssen die bestehenden Standards wie OSI, X/Open, Posix, OSF/NM befolgen.

- Portabilität,

- Dokumentation (Englisch),

- Produktverfügbarkeit - nur Komponenten, die noch innerhalb des Jahres 1991 als Produkt verfügbar sein werden, können Bestandteil der (initialen) OSF-DME werden.

- Unterstützung bei Validierung und Testumgebungen für die einzelnen Produkte müssen vorhanden sein oder entwickelt werden.

- Angemessene Lizenzvereinbarungen.

- Die OSF verlangt Lizenzen zur Nutzung, Modifikation und Weitergabe von Sublizenzen für die eingebrachten Produkte sowohl als Object- als auch als Quellcode.

Erste Absichtserklärungen der Hersteller waren dabei für den 21. September 1990 angefordert worden. Die OSF erhielt in Reaktion auf diese Aufforderung 41 entsprechende Erklärungen. Die endgültigen Beiträge waren zum 15. Dezember 1990 angefordert. Die Liste der Teilnehmer umfaßte zu diesem Zeitpunkt noch 27 Anbieter. Die Bewertung der einzelnen Komponenten fand in der ersten Jahreshälfte 1991 in München statt. Der Abschlußbericht der Bewertungskommission sowie die öffentliche Benennung der ausgewählten Basisarchitektur sowie der integrierten Komponenten ist Ende Oktober 1991 zu erwarten. Aus der großen Liste der Bewerber sind zwei Gruppen zu nennen, zwischen denen mit großer Sicherheit die Entscheidung für die Bereitstellung der Basiskomponenten und des Frameworks fallen wird. Die erste Gruppe umfaßt Hewlett-Packard, IBM, Groupe Bull und die Siemens AG. Das zweite Team, das sich erst gegen Ende der Ausschreibung herausgebildet hat, besteht aus Digital Equipment sowie einer Reihe mittlerer und kleiner Anbieter. Diese Konstellation mit HP und DEC als zentralen Protagonisten der beiden Vorschläge ist weiter nicht verwunderlich, da beide seit längerer Zeit eine herstellerübergreifende Management-Plattform als Kernstück einer Management-Architektur vorschlagen.

DEC hat seine Enterprise Management Architecture (EMA) als Vorschlag für ein DME-Basissystem eingebracht. Er enthält die Management-Agents (das heißt die Auftragnehmer und Management-Aktivitäten) und die Management-Directors. Letztere dienen als Bindeglied zwischen dem Netzwerk und dem Netz-Operator. Digitals DME-Lösung bietet einen sehr umfangreichen Satz an APIs an. Grundgedanke bei der Einführung war die Konzentration aller Kernfunktionen im Basissystem, um so die Anwendungen selbst einfacher gestalten zu können. Diese sehr weitreichende Integration netzinterner Aspekte in das Basissystem selbst hat eine Reihe von Vorteilen. Sie erleichtert die Entwicklung von Anwendungen zur Netzverwaltung. Zudem können auf diese Weise die als sehr innovativ bekannten kleineren und mittleren Softwarehäuser Komponenten entwickeln, ohne umfangreiches Spezialwissen über Netzinterna zu besitzen.

Problematisch bei diesem Ansatz ist einerseits der Umfang der APIS, der eine sehr lange Entwicklungszeit voraussetzt. Vor allem jedoch kann seine Grundidee nur dann zum Tragen kommen, wenn der Satz der in den APIs festgelegten Funktionen so ausgereift ist, daß mit diesen High-level-Funktionen alle wesentlichen Aufgaben beim Netz-Management erfüllt werden können. Beide Forderungen sind mit den Vorstellungen der OSF, die vor allem eine rasche Bereitstellung des Basissystems verbunden mit einer Neuerungen gegenüber offenen und damit auch stabilen Architektur bevorzugen, nur schwer zu vereinbaren. HP und IBM hatten sich von Anfang an zu einer Kooperation im Hinblick auf OSF-DME entschlossen. Nachdem die initialen Vorschläge eingereicht waren, wurde klar, daß sich auch die Pläne von HP und Groupe Bull weitgehend ähneln. Beide haben sich daraufhin entschlossen, einen gemeinsamen Satz von APIs zu definieren und diesen Entwurf einzureichen.

Der Vorschlag basiert weitgehend auf HPs Openview Network Management Architecture. An Kommunikationsprotokollen werden sowohl OSI-CMIP als auch SNMP unterstützt, die grafische Benutzerschnittstelle basiert auf OSF-Motif. Die Portierbarkeit des Systems wurde von HP bereits durch eine Installation auf Sun-Workstations bewiesen. Wesentliche Anforderungen der OSF werden daher schon vom Basissystem erfüllt. Um die Position dieses Vorschlags zu stärken, wurden von HP folgende Anwendungen eingereicht:

- HP-Openpool als verteilter Print-Service, er basiert auf dem MIT-Athena-Palladium-Projekt und nutzt bereits Teile von OSF-DCE sowie OSF-Motif,

- HP-Omniback für verteiltes Backup,

- eine Anwendung für die Verteilung und Installation von Software aus HP-Unix, die auf Motif und DCE-RPC aufsetzt,

- Network Load Balancing, ein Hilfsmittel zum Lastausgleich in verteilten Systemen, basierend auf dem Task-Broker-Produkt von HP,

- Performance-Management-Tool.

IBM hat dem Vorschlag eine Reihe wesentlicher Komponenten hinzugefügt. Als wichtigste ist hier die Data Engine zu nennen, eine objektorientierte, verteilte, fehlertolerante Datenbasis. Sie eliminiert eine der wesentlichen Schwächen von HP-Openview, der eine Datenbasis vollkommen fehlt. Weiterhin wurden folgende Komponenten eingebracht:

- AIX Error-Logging Facility zur Aufzeichnung systemlokaler Fehler,

- AIX System Resource Controller zur Überwachung und Steuerung von Unix-Daemonen-Prozessen,

- AIX Management Interface Tool, das eine menügesteuerte textuelle Schnittstelle bereitstellt, sowie die AIX Device Configuration Application.

Der umfangreiche Satz verfügbarer Anwendungen bringt den HP/IBM-Vorschlag in eine sehr günstige Position gegenüber der DEC-Lösung, die sich noch weitgehend in einer konzeptionellen Phase befindet.

Bis heute liegt eine Reihe von Normen zur Verwaltung offener Systeme vor, jedoch ist man von einer umfassenden Standardisierung aller zur Verwaltung notwendigen Bereiche noch weit entfernt. Die bereits verabschiedeten Standards existieren darüber hinaus erst seit relativ kurzer Zeit, und die großen Hersteller zeigen derzeit nur eine geringe Neigung zur Berücksichtigung dieser Normen bei eigenen Produkten.

Der Vorstoß der OSF zur Etablierung einer offenen, portablen (Entwicklungs-)Umgebung zur Verwaltung verteilter Systeme kommt daher zu einem sehr günstigen Zeitpunkt. Da internationale Normen (zumindest bezüglich der Definition eines Rahmenwerks) bereits vorliegen, können sie bei der Festlegung der grundlegenden Architektur mit berücksichtigt werden.

Durch die über den Aspekt der Normung hinausgehende Festlegung von Application Programming Interfaces wird zudem eine Möglichkeit geschaffen, kleinere und mittlere Unternehmen zu beteiligen. Die derzeitige Konkurrenzsituation einzelner Gruppen bei der Festlegung der grundlegenden Architektur kann nur als förderlich angesehen werden. Alle Bewerber haben bereits angedeutet, daß sie im Fall der Auswahl einer anderen Gruppe durchaus bereit sind, ihre Komponenten an die letztlich ausgewählte Basisarchitektur anzupassen.