Orgware erspart keine organisatorische Kleinarbeit

04.04.1986

Einzig und allein im Bereich Erhebung des Ist-Zustandes sind heute bereits preisgünstige Instrumente auf dem Markt, die den Organisator ganz wesentlich bei seiner Arbeit in Bürokommunikationsprojekten unterstützen können", meint Horst Schönecker, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft für Büro- und Informationstechnik mbH über den Status quo im Anwendungsfeld Kommunikationsanalyse. Doch auch zur Beschreibung des Ist-Zustandes stehen dem Anwender derzeit nur recht wenige Hilfsmittel zur Verfügung. So haben es laut Christa Spengler-Rast, Projektleiterin bei Bifoa, erst wenige Instrumente geschafft, die Vielfalt der möglichen Untersuchungsergebnisse so einzugrenzen, daß mit einem vertretbaren Aufwand und unter Einbeziehung standardisierter Verfahrensschritte die für die Bürosystem-Planung relevanten Ergebnisse gewonnen werden können." Zu der bereits eingesetzten Orgware gehören unter anderem die beiden Produkte Ismod von IBM und Plakom von Siemens, wobei letzteres nach Angaben von Horst G. Wermuth von der Kraftwerk Union AG auch Vorschläge für den Einsatz von Bürotechnik macht und damit nicht ganz in das von Schönecker gezeichnete Bild paßt. Allerdings sei auch hier im Anschluß an das Verfahren eine Phase organisatorischer Kleinarbeit vonnöten. sch

Horst G. Schönecker

Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Büro- und Informationstechnik mbH, München

Es ist eine Tatsache, daß sich heute bereits jeder zweite Erwerbstätige hauptsächlich mit dem Faktor Information beschäftigt beziehungsweise im Büro- und Verwaltungsbereich tätig ist. Entsprechend hoch haben sich die einschlägigen Gemeinkosten entwickelt und lasten schwer auf den Schultern der Organisationen, die neue Informations- und Kommunikationstechnik zur Effektivierung des Bürobereichs planen und einsetzen wollen. So steht die Büroarbeit wohl wie kaum zuvor im Mittelpunkt des Analyseinteresses der Organisatoren.

Für sie bedeutet dieser Umstand allerdings einen erheblichen Mehraufwand an Erfassung, Analyse, Ergebnisdarstellung und Umsetzung. Dabei ist es nicht allein das Mehr an Aufwand, sondern es sind vor allem auch die völlig neuen Fragestellungen, die bei einer sinnvollen Planungsarbeit für den Einsatz der neuen Bürotechniken aufgeworfen und berücksichtigt werden müssen. In diesem Zusammenhang erfordert vor allem die Kommunikationsfähigkeit der neuen Bürotechnik zum Teil völlig neue Denkansätze in der methodischen und analytischen Vorgehensweise.

Hier liegen die Probleme der Organisationsabteilung in den nächsten Jahren, da die Personaldecke viel zu knapp ist und qualifizierte Organisatoren nicht in beliebiger Anzahl zur Verfügung stehen. Dieser bestehende "Leidensdruck" läßt sofort die Frage nach sinnvollen Methoden und vor allem nach "computergestützten Werkzeugen für den Organisator" laut werden. Gibt es solche Unterstützungsmöglichkeiten, mit deren Hilfe der Büroorganisator seinen umfassenden Projektverpflichtungen sehr viel effizienter nachgehen kann als bisher?

Nehmen wir uns einmal die drei klassischen Bereiche eines Projektes vor: Erhebung (Erfassung des Ist-Zustandes über relevante Beschreibungsfaktoren), Analyse (Interpretation des erfaßten Ist-Zustandes) und schließlich Gestaltung (Entwicklung eines Soll-Konzepts und dessen Realisierung). Dem Organisator wäre sehr geholfen, wenn zu all diesen Bereichen eine durchgängige und umfassende Unterstützung vorläge - leider ist dies zur Zeit nicht der Fall. So wird zwar über die drei Bereiche hinweg von Unternehmensberatern und übrigens auch Herstellern eine Handvoll durchdachter Methoden angeboten, ein durchgängiges computergestütztes Werkzeug, bis hin zur Umsetzung in die Gestaltung, ist weit und breit nicht in Sicht - gegenteilige Behauptungen können getrost als Scharlatanerie abgetan werden.

So muß man wohl auch unterstreichen, daß in den Bereichen Analyse beziehungsweise Interpretation des Ist-Zustandes - und verstärkt noch bei der Gestaltung beziehungsweise Entwicklung von Soll-Konzepten und deren Umsetzung - die Fachkompetenz und vor allem die Kreativität des Organisators nach wie vor und auf Dauer dringendst benötigt werden - und dies auch dann, wenn der Organisator in den 90ern womöglich einmal eine simulationsfähige Expertenstation zur Hand haben sollte, die ihm allerdings auch nur Vorschläge entwickeln könnte (immerhin!).

Einzig und allein im Bereich Erhebung des Ist-Zustandes beziehungsweise Darstellung der Ist-Situation sind heute bereits preisgünstige Instrumente auf dem Markt, die den Organisator ganz wesentlich bei seiner Arbeit in Bürokommunikationsprojekten unterstützen können, und zwar auch ohne fremde Beratungshilfe! Diese Instrumente gestatten eine rasche und einfache Erfassung, eine umfassende Darstellung der relevanten Faktoren des Ist-Zustandes, einschließlich präsentationsreif geplotteter Grafiken (zum Beispiel Kommunikations-Netzwerke, Kreisdiagramme etc.) und bieten damit auch sehr gute Voraussetzungen für die Analyse- und Gestaltungsverpflichtungen der Organisatoren.

Mit dem zunehmenden Einsatz solcher Unterstützungsmöglichkeiten lassen sich die knappen Organisatoren-Ressourcen verstärkt dorthin lenken, wo man sie hauptsächlich braucht.

Horst G. Wermuth

Leiter des Placom-Projektes bei der Kraftwerk Union AG, Mülheim/Ruhr

Zunehmender Kostendruck führt im Werk Mülheim der Kraftwerk Union AG verstärkt zu Bemühungen, auch das im Bürobereich vorhandene Rationalisierungspotential auszuschöpfen. Bisher beschränkten sich die Anstrengungen auf diesem Gebiet einmal auf "klassische", das heißt ablauforganisatorische Maßnahmen beziehungsweise den punktuellen Einsatz von Büro-Technik. Bei den mehr strukturierten Arbeitsabläufen (wie zum Beispiel Auftragsabwicklung) und der Verarbeitung von Massendaten stand der Einsatz der DV im Vordergrund. Zunehmend setzte sich aber das Bewußtsein durch, daß man auch die weniger formatierten Informationsprozesse beziehungsweise -abläufe "in den Griff bekommen" sollte.

Der Versuch jedoch, ein ganzheitliches Konzept für den gesamten Büro- und Verwaltungsbereich zu entwickeln, scheiterte bisher am Unvermögen, den Kommunikations-Ist-Zustand ausreichend genau und mit vertretbarem Aufwand zu erfassen und darzustellen. Kenntnis des Ist-Zustandes ist jedoch unabingbare Voraussetzung für

- das Ergreifen zielgerichteter Maßnahmen auf dem Gebiet der Bürokommunikation,

- die Entwicklung eines in sich geschlossenen Systems (integriertes Bürosystem),

- die systematische Planung der Büroarbeit.

Zur Aufnahme des Ist-Zustandes am Standort und zur Entwicklung eines Kommunikationskonzeptes wurde in Mühlheim "Plakom" (Planungsverfahren zur Erarbeitung von Kommunikationskonzepten) eingesetzt, ein Verfahren, das bei Siemens in München entwickelt wurde und das folgendermaßen charakterisiert werden kann:

- Es kann flächendeckend eingesetzt werden.

- Es ist teilweise DV-unterstützt.

- Es beruht auf Schätzwerten, die per Fragebogen erhoben werden (keine Notwendigkeit zeitaufwendiger Einzelaufschreibungen).

- Nur eine beschränkte Anzahl von Mitarbeitern füllt Fragebögen aus.

- Es ist "Aufragen "-orientiert und kann - wenn gewünscht - auch "Prozeß"-orientiert eingesetzt werden .

- Aufbau (und Abwicklung) ist modular (mit den Komponenten Basisdatenermittlung, Analyse der Daten und Lösungsvorschläge).

Darüber hinaus hatte sich das Verfahren schon beim Einsatz in der Praxis bewährt.

Das Untersuchungsfeld im Werk Mülheim umfaßte grundsätzlich alle, das heißt zirka 1850 Büroarbeitsplätze. Durchgeführt wurde die Untersuchung in vier Monaten, und der Arbeitsaufwand des Plakom-Teams, das aus bis zu sechs Mitgliedern bestand, betrug zirka 15 Mannmonate. Darüber hinaus war ein nicht unerheblicher Aufwand der Mitarbeiter für das Ausfüllen der Fragebögen notwendig. Vorausgegangen war außerdem eine dreitägige Schulung der Teammitglieder. In bezug auf die Teamzusammensetzung sollte noch erwähnt werden, daß Erfahrungsträger aus den einzelnen untersuchten Bereichen im Team vertreten sein sollten - wenn irgend möglich mit organisatorischem Grundwissen und/oder Kenntnis moderner Büro- und Kommunikationstechnik. Als eine wesentliche Erleichterung bei der Analyse und Verdichtung der großen Datenmengen stellte sich die DV-Unterstützung heraus.

Die Ergebnisse der Untersuchung werden im April einem Entscheidungsausschuß vorgestellt. Ohne dieser Vorstellung vorgreifen zu wollen, kann jetzt schon gesagt werden, daß das Verfahren einen Überblick über die Kommunikationslandschaft am Standort liefert (nach Kommunikationsarten und -mengen beziehungsweise Partnerstrukturen) mit den Schwerpunkten in diesem Anwendungsfall auf den Kommunikationsarten Sprache und Text (einschließlich Grafik). Es liefert Vorschläge für den Einsatz von Bürotechnik (nach Art und Menge). Es macht eine Aussage über das Ratio-Potential im Untersuchungsfeld, das durch den Einsatz dieser Technik und begleitende organisatorische Maßnahmen realisiert werden kann, und es gibt darüber hinaus Hinweise auf die weitere Vorgehensweise bei der Realisierung von Kommunikationsprojekten im Untersuchungsfeld. Erwähnt werden sollte auch, daß durch das Verfahren natürlich nicht alle Fragen beantwortet werden. So werden weder Inhalt noch Zweck der Kommunikationsvorgänge erfaßt. Das Verfahren liefert auch keine fertigen Kommunikationslösungen.

Denn der flächendeckende Einsatz, der in der Natur des Verfahrens liegt, bedeutet implizit und bei der großen Anzahl von betroffenen Arbeitsplätzen auch ganz bewußt, daß die Analyse weniger tief, sondern mehr horizontal erfolgt. Das heißt allerdings, daß - wenn nach Abschluß der Kommunikationsanalyse über den Einsatz spezifischer Technik an spezifischen Arbeitsplätzen oder über konkrete Netzkonfigurationen entschieden werden muß - eine Phase organisatorischer Kleinarbeit vor Ort folgt, die in jedem Falle einer Realisierung vorangehen muß, bei der die DV dann nicht mehr helfen kann.

Christa Spengler-Rast

Projektleiterin am Bifoa Betriebswirtschaftlichen Institut für Organisation und Automation

an der Universität zu Köln

Die Verfügbarkeit und der Austausch von Informationen ist für die Aufgabenerfüllung und damit für den Unternehmenserfolg von wesentlicher Bedeutung. Daher wird der Schwerpunkt der Unterstützung im Bürobereich in der Zukunft noch stärker als bisher bei der organisatorischen und technischen Gestaltung von Kommunikationssystemen liegen. Deren Anforderungen basieren auf den gegenwärtigen und zukünftig erwarteten, individuellen Informationsbeschaffungs,- verarbeitungs- und damit verbundenen Kommunikationsprozessen. Die Erfassung und Bewertung dieser Prozesse stellt die wesentliche Aufgabe der Kommunikationsanalyse dar. Der individuelle Informationsbedarf sowie die Beschreibung und die Besonderheiten der verwendeten Informationsarten, einbezogene Kommunikationsmedien und Schwachstellen des bestehenden Informations- und Kommunikationssystems sind weitere Ergebnisse, die eine Kommunikationsanalyse heute liefern muß, um für die Planung der künftigen Bürokommunikation eine Hilfe zu sein.

Es sind bereits eine Reihe von Ansätzen zur Kommunikationsanalyse entwickelt worden Erst wenige Instrumente haben es jedoch geschafft, die Vielfalt der möglichen Untersuchungsbereiche so einzugrenzen, daß mit einem ver (..) aren Aufwand und unter

Einbeziehung standardisierter Verfahrensschritte die für die Bürosystem-Planung relevanten Ergebnisse gewonnen werden.

Allerdings wird es keine Kommunikationsanalyse geben, die automatisch alle Erkenntnisse liefert, die für eine richtige Planung von Bürokommunikationssystemen notwendig sind. Dies wird immer ein Prozeß der Zusammenführung, Interpretation und Ableitung von Schlußfolgerungen, meist in Verbindung mit anderen Analyseergebnissen, sein.

Es hat den Anschein, daß die Kommunikationsanalyse-Instrumente wie auch andere Büroanalyse-Instrumente eher darauf ausgelegt sind, Einsatzgebiete für das derzeit technisch Mögliche zu finden, als den tatsächlichen Bedarf beim Anwender festzustellen und die Gestaltung der Bürosysteme darauf auszurichten

Peter Klinker

Koordinator für den Einsatz von DV bei der Stadtverwaltung Leverkusen

Eine Stadtverwaltung, die in erster Linie Dienstleistungsfunktionen für ihre Bürger erbringt, hängt in großem Maße von einer breiten Palette unterschiedlichster Informationen ab, die für ihre Aufgaben benötigt werden. Dabei interessieren nicht nur die Informationen, die zum Beispiel durch den Bürger in Form eines Antrages einfließen auch der innere und von innen nach außen zufließende Informationsstrom soll analysiert werden.

Damit entsteht eine große Anzahl vielfältiger Kommunikationswege, die durch die bisherigen Organisationsansätze überwiegend nur in Teilaspekten behandelt wurden. Aufgabe der Kommunikationsanalyse ist es deshalb, eine Gesamtbeziehung des Informationssystems Stadtverwaltung zu leisten und im Endeffekt Kommunikations- und Informationswege zu optimieren. Die Kommunikationsanalyse, die von Beginn an durch den Personalrat mitbegleitet wird, baut auf dem gesamten Aufgabengebiet der Verwaltung auf, den sogenannten Prozessen.

Ermittelt werden auf dieser Basis die bei den jeweiligen Prozessen benötigten Informationen, das heißt die sogenannten Geschäftsdaten. Diese Erkenntnisse werden in Interviews mit repräsentativ ausgewählten Mitarbeitern ermittelt Sie charakterisieren dabei sowohl die Prozesse und die dafür benötigten Informationen und bewerten zusätzlich aus ihrer Sicht gesehen die Zufriedenheit mit den gelieferten Daten. Im Endeffekt wird daraus ein Ist-Informationsnetz zwischen den Prozessen einer Verwaltung und zwischen außenstehenden Stellen und der Verwaltung deutlich. Hier setzt nun eigentlich auch die gestalterische Phase zur Verbesserung der Informationsbeziehungen ein. Diese Überlegungen zur Architektur und zur Definition neuer beziehungsweise geänderter Informationsbeziehungen gehen von mehreren grundlegenden Faktoren aus, die sich qualitativ in dieser Phase sehr stark bemerkbar machen: Faktoren, die vom Verwaltungsmanagement als Ziel einer Verwaltung definiert wurden. Im Endeffekt ist es nach der Auswertungsphase möglich, absolute Prioritäten und Reihenfolgen für bessere Informationswege zu definieren, die dann in Einzelmaßnahmen münden und Schritt für Schritt abgearbeitet werden. Dabei umfassen die denkbaren konkreten Lösungsansätze die gesamte Palette der institutionellen und funktionellen Organisation.

Die Stadt Leverkusen wird bei dieser Kommunikationsanalyse durch eine Lizenzsoftware der Firma IBM unterstützt, die bei der kommunalen Datenzentrale Rheinberg-Leverkusen implementiert ist. Die kommunale Datenzentrale unterstützt den Softwareeinsatz mit dem dort vorhandenen DV-technischen Know-how. Des Programm mit der Bezeichnung ISMOD ist bereits vielfach für Kommunikationsanalysen, vornehmlich bei Industriebetrieben eingesetzt worden und wird bei der Stadt Leverkusen erstmals in der vollen Bandbreite für den Einsatz einer Stadtverwaltung genutzt.