Kongreß für Textverarbeitung mit Symposium eröffnet:

Organisierte Textverarbeitung nichts für Einzelkämpfer

03.11.1978

KÖLN (pi) - Die Arbeit in Betrieben und Verwaltungen bedarf aufgeschlossener Partner, um optimale Aufgabenerfüllung einerseits und Arbeitszufriedenheit andererseits zu erreichen. Insbesondere bei organisatorischen und strukturellen Veränderungen, wie sie gerade gegenwärtig den Bürobereich betreffen, kann Planung und Realisierung nach Ansicht von Professor Eberhard Laux, Vorstandsmitglied des AWV (Ausschuß für wirtschaftliche Verwaltung in Wirtschaft und öffentlicher Hand e.V.), nur dann gelingen, wenn Umsicht, Geduld und Verständnisbereitschaft vorrangig vor schnellem wirtschaftlichen Erfolg stehen.

Wie Laux anläßlich des Eröffnungssymposiums des Kongresses für Textverarbeitung `78 erklärte, müssen Texter, Schreibkräfte, Leiter von Schreibdiensten und Verwaltungssekretariaten, Organisatoren aus der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung, aber auch Berater, Hersteller und Gewerkschaftler gemeinsam versuchen, eine Plattform für konstruktive Lösungen zu finden.

Zunächst wolle jeder, daß seine Wünsche möglichst schnell, umfassend und qualitativ hochwertig erfüllt wurden. Das Symposium könne aber zunächst nur Wege für eine gute und rationelle Teamarbeit aufzeigen; dies sei Zweck der weiteren Veranstaltungen des Kongresses .

Objektive Kriterien für Verständlichkeit gesucht

Absender und Adressat einer Nachricht kennen sich häufig nicht. Kommunikation wird dann schwierig. Es müssen deshalb objektive Kriterien für Verständlichkeit entwickelt werden, erklärte Unternehmensberater Rotger Greve, Saarbrücken, gerade auch im Hinblick auf die moderne Textverarbeitung.

Die bekanntesten Versuche, Verständlichkeit zu messen, erläuterte Greve an den Methoden von Flesch, Reiners, Günther-Groeben und Langer-Schulz von Thun-Tausch. Auf das Hamburger Verständlichkeitskonzept ging er besonders ausführlich ein. Anhand von alternativen Textbeispielen erklärte er die vier Dimensionen der Verständlichkeit: Einfachheit, Gliederung-Ordnung, Kürze-Prägnanz und zusätzliche Stimulanz.

Textverarbeitung und Bürostruktur

Die organisierte Textverarbeitung bestimmt einen wesentlichen Teil der innerbetrieblichen Arbeitsabläufe. Für jede Projektarbeit gilt daher die Forderung: Alle administrativen, unterstützenden und servicegebenden Tätigkeiten in allen Arbeitsplätzen im Büro müssen analysiert werden.

Der erste entscheidende Schritt zur Vereinfachung der Arbeitsabläufe muß daher - nach den Worten von Josef Fabeck, SEL, Stuttgart - der sein, Mischfunktionen zu trennen und Tätigkeitsvielfalt zu entflechten. Änderungen der Bürostruktur sollten auf keinen Fall als Organisationsmodell nach Schema F durchgesetzt werden. Es gebe kein allgemein gültiges Modell allenfalls drei Modellgruppen mit einer Vielzahl von Varianten.

Leistung und Bezahlung

Qualitative und quantitative Analyse des Schreibgutes sind als erstes erforderlich. Die qualitative Analyse ermittelt vermeidbares Schriftgut des Vordruckwesens, des Schreibautomaten-Einsatzes sowie des individual Post-Anteils.

Die quantitative Analyse ergibt statistische Grundlagen für eine bedarfsgerechte Personalplanung und Ausstattung mit Sachmitteln. Wie Bernd Mundt, Regierungsrat beim Berliner Senator für Inneres, erläuterte, spiegeln die Analyse-Ergebnisse den Organisationsgrad der Textverarbeitung im Unternehmen wider.

Nach Ansicht von Dieter Grevel, VW AG, Wolfsburg, kann man sich auf den Standpunkt stellen, daß durch Prämien- und Leistungsanreize die Schreibkräfte angehalten werden, das Letzte aus sich herauszuholen. Diese Sicht erscheint einseitig. Wie Grevel an einem Beispiel erläuterte, können Mitarbeiterinnen zusätzlich zu dem gültigen Tarifvertrag, an dem das Gruppenverhalten und die Qualität der Arbeit gemessen werden, in eine

neue tarifvertragliche Regelung mit der Gewerkschaft einbezogen werden, welche die durchschnittliche tägliche Anschlagsleistung auf 36 000 Anschläge begrenzt. Wird dieser Wert auf die Dauer überschritten, müssen weitere Schreibkräfte eingestellt werden. Liegen die Anforderungen jedoch nur kurzfristig hoher, sind Überstunden angemessen. Leitgedanke dabei sei gewesen, die vorhandene Arbeit auf so viele Arbeitskräfte zu verteilen, daß die Belastung für die einzelne Mitarbeiterin vertretbar bleibe.

Im Schreibdienst wird erfahrungsgemäß die Leistung gegenüber dem "dezentralen Schreiben" verdoppelt; dies ist möglich, weil im zentralen Schreibdienst weniger Störungen auftreten.

Auswahlkriterien für den Anwender

Die immer größere Zahl der Anbieter von Textsystemen stärkt grundsätzlich die Marktposition des Interessenten; er hat mehr Auswahl. Zusätzlich sorgt der Konkurrenzdruck für eine ständige Verbesserung des Preis-/Leistungsverhältnisses

Als kritischer Beobachter dieser Situation stellte Unternehmensberater Werner Nickel, Bornheim-Sechtem, die Frage, ob der Anwender seine Vorteile überhaupt nutzen könne. Einmal sehe er sich einer verwirrenden Vielzahl von Angeboten gegenüber, zum anderen sei er oft in seinem Fachwissen überfordert. Beim Erarbeiten der Auswahl- und Anwendungskriterien treten nach Nickel unter anderem folgende Fragen auf:

- Wer bietet Textsysteme an?

- Wie groß ist die Angebotspalette?

- Wie kann man sich informieren?

- Ist eine externe Beratung sinnvoll?

- Wie kann man sich einen Anforderungs- und Entscheidungskatalog erarbeiten?

- Welche Voruntersuchungen sind erforderlich?

- Was muß nun beim Einholen der Angebote beachten?

- Wie kann man Textsysteme praktisch testen?

- Wie kann man nachhaltig den eventuellen Erfolg sichern?

Wer ein Textsystem bewußt auswählen will, braucht nach Ansicht von Rolf Schreiber, ift, Stuttgart, Antwort auch auf diese Fragen:

- Was will ich mit dem Automaten machen?

- Welche Funktionen und Hardware-Aggregate sind für diese Arbeiten wichtig?

- Welche Automaten bieten diese Funktionen?

- Bei welchen Geräten ist die Ausführung der Funktionen und das dafür notwendige Handling am besten?

Bisher hat es als Hilfsmittel für die Anwender in erster Linie Check-Listen über technische Ausstattung und Funktionen der verschiedenen Modelle gegeben. Neuerdings sind allerdings die ersten Check-Listen auf dem Markt, in denen die Funktionen getrennt nach Einsatzgebieten - zum Beispiel Textbearbeitung, Baustein-Textverarbeitung, Dateiverarbeitung -, aufgeführt sind.

Verkaufs-, Organisations- und Kommunikationsinstrument

Wer sich heute im Markt; wo teilweise Wettbewerbsschlachten mit bisher unbekannter Schärfe geschlagen werden durchsetzen will, der muß ständig auf der Suche nach effizienten Verkaufsförderungs-Instrumenten und -Maßnahmen sein.

Die programmierte Textverarbeitung ist ein solches Instrument für den Vertrieb und außerdem ein hervorragendes Organisations- und Kommunikationsmittel.

Wie Werner Ertelt, E. Wagner KG, Reutlingen, an einem typischen Anwenderfall demonstrierten, war und ist eine engagierte Geschäftsleitung, "die uns den Rücken stärkt, eine Vertriebsleitung, die mitzieht und die notwendige Schützenhilfe leistet und Teamarbeit in der Informationsphase, Text-Erarbeitung, Text-Formulierung, Text-Gestaltung Einführungsphase, PTV-Pflege und PTV-Weiterentwicklung die Voraussetzung für den Erfolg".

Aber Textverarbeitung ist nicht mir programmierte Textverarbeitung. Das hat man während der PTV-Entwicklung klar erkannt. Deshalb habe man sich inzwischen ein weiteres Ziel gesetzt: Von der PTV zur Textverarbeitung, in die alles eingebettet ist, was mit Konzipieren Formulieren, Diktieren, Schreiben, Vordruckgestalten, Reproduzieren, Transportieren und Archivieren von Texten zu tun hat.

Organisierte Textverarbeitung - die ganzheitliche Lösung - kann nicht ohne Änderung der gewachsenen, traditionellen Struktur verwirklicht werden. Die Zielsetzung wird vielerorts unter den bisherigen hierarchischen und organisatorischen Bedingungen nicht erreichbar sein. Die individuellen Aktivitäten in den Verwaltungen - der Ist-Stand in den Büros, den Basis- und Hilfsdiensten (Schreib- und Sekretariatsdienste) müssen nach Ansicht von Bert Raeder, Böblingen, erstmalig in der Geschichte vieler Verwaltungen aufgezeigt werden. Die Analyse werde dann ergeben, daß die Resttätigkeiten - neben dem Schreiben an vielen Arbeitsplätzen die eigentlichen Haupttätigkeiten seien. Raeder wörtlich: "Schreiben ist also oft - zur großen Überraschung der Analytiker - die wirkliche Nebentätigkeit."

Organisierte Textverarbeitung ist eine Managementaufgabe

Es gibt gute Gründe, warum sich das Management der Unternehmen und der Verwaltungen mehr um die Textverarbeitungsorganisation kümmern sollte - auch unter Kostengesichtspunkten. Dies stellte Dipl.-Kfm. Dr. Heinz Christen, Hamburg, zu Beginn einer Expertenrunde fest, an der sich Dipl.-Ing. Günter C. Heintz, Bremen, Gerd Höppner, Kreissparkasse Stormarn in Bad Oldesloe, Hans-Hermann Mörke, Magistrat der Stadt Elmshorn und Ilse-Marie Schneider, Medizinische Hochschule Hannover, beteiligten.

Das Ergebnis der Diskussionsrunde lautete: Gute und zweckmäßige Arbeitsabläufe entwickeln sich nicht von selbst; sie müssen nach eindeutigen Vorgaben des Managements, welche die Anforderungen, Wünsche und Möglichkeiten in Einklang bringen, gestaltet werden. Optimale Konzepte und Ergebnisse lassen sich nur durch eine gute Zusammenarbeit der Sachverständigen mit allen "Betroffenen" erzielen.

Ohne Teamarbeit geht nichts mehr

Die heutige betriebliche Praxis zeigt einen deutlich erkennbaren Trend, immer mehr Aufgaben gemeinschaftlich zu lösen. Die Abkehr vom "Einzelkämpfer-Dasein" hat nach Ansicht von Dr. Horst Lindelaub, Leiter der Akademie für Organisation in Gießen, ihre Gründe sowohl im personalen, organisatorischen und methodischen als auch im technischen Bereich. Dies treffe besonders für die Einführung, aber auch für die Anwendung der Textverarbeitung zu.

Wie Lindelaub in der Abschluß-Podiumsdiskussion weiter feststellte, wird optimale Teamarbeit speziell in der Einführungsphase gefordert. Hier hätten bürokratische Methoden und veraltete Technologien keinen Platz mehr.

Aber auch später sei immer mehr Teamarbeit erforderlich. "Sie ist, richtig verstanden, den überkommenen konventionellen Arbeitsformen im Büro überlegen." Wichtig dabei sei, daß die einzelnen Mitglieder über ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit verfügen. Die Mitarbeiter müssen seiner Meinung nach deshalb neben dem organisatorischen und technologischen Wissen über gruppensoziologische Mindestkenntnisse verfügen, um diese besondere Form der Gruppenarbeit effizient werden zu lassen.