Organisationsberatung statt Verkaufsgespräche

01.06.1979

Günter Hässel, Vorstand der lnteressengemeinschaft Collega

Der Markt der in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen rund 35 000 Steuerberater und Steuerbevollmächtigten wird von DV-Herstellern erneut stark umworben und als äußerst umsatzträchtig angesehen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß die in den Steuerkanzleien zu erledigenden unproduktiven Verwaltungsarbeiten laufend zunehmen, das Bedürfnis der Mandanten nach umfangreicher Schnellinformation größer wird, die Ausweitung des Personals in den meisten Fällen jedoch nicht oder nur beschränkt möglich ist und daß schließlich die Computer-Hardware immer billiger wird und damit auch für kleinere und mittlere Kanzleien vom finanziellen Aufwand her der Einsatz einer eigenen EDV-Anlage möglich erscheint. Begünstigt wird der Trend natürlich durch den zunehmenden Fristendruck von seiten der Finanzverwaltung, die aufgrund des Einsatzes ihrer Groß-EDV-Anlagen und aufgrund von Organisationsumstellungen zeitnäher als bisher arbeitet.

Die derzeitige Situation ist vergleichbar jener Anfang der 70er Jahre, als die Angehörigen der steuerberatenden Berufe sich mechanischer Lochstreifengeräte bedienten, wobei die Datenträger in Rechenzentren ausgewertet wurden. Seinerzeit kamen die ersten MDT-Anlagen auf den Markt und wurden von vielen Steuerberatern aus Unkenntnis in EDV-Fragen und teilweise blindem Vertrauen zu dem jahrelangen Geschäftspartner und Marktführer - nämlich dem Hersteller des Lochstreifengeräts - gekauft. Es sind Fälle bekannt, in denen aus diesen Gründen Entscheidungen über Investitionen in der Größenordnung von 60 000 bis 100 000 Mark innerhalb eines Tages getroffen wurden. Daß derartige Spontanentscheidungen nicht ohne teilweise recht unerfreuliche Auseinandersetzungen endeten, sei nur am Rande vermerkt.

In dieser Zeit wurden die ersten Schritte zur Gründung der Interessengemeinschaft zur Förderung der Tätigkeit von Angehörigen der steuer- und rechtsberatenden sowie wirtschaftsprüfenden Berufe e. V. - Collega - getan. Collega ist eine Solidargemeinschaft, in der das Wissen und die Erfahrungen der Berufskollegen in EDV-Angelegenheiten zusammengetragen und wiederum allen Mitgliedern nutzbar gemacht werden.

Soweit die Vorgeschichte. Die Situation derzeit gleicht der seinerzeitigen insofern, als die meisten Berufsträger nunmehr Datenerfassungsterminals mit Magnetbandkassetten als Datenträger eingesetzt haben. Die gesammelten Daten werden in Rechenzentren weiterverarbeitet. Die DATEV - Datenverarbeitungsorganisation des steuerberatenden Berufs in der Bundesrepublik Deutschland e. G. - hat hierbei eine ungeheuere Entwicklungsarbeit geleistet, so daß man ohne Übertreibung feststellen kann: Durch die Leistungen der DATEV wurde diese Art der Datenverarbeitung für die steuerberatenden Berufsträger verschlossen und damit eine nicht mehr wegzudenkende Hilfe für deren tägliche Berufsarbeit geschaffen. Keine Diskussion darüber, daß diese Summe von Hilfeleistungen bisher keine Stand-alone-Anlage hat bringen können und daß dies auch in Zukunft - das hoffen die Steuerberater - so sein wird. Die Ad-hoc-Dienste allerdings sind es, die die Kollegen immer wieder nachdenken lassen.

Die DV-Hersteller zielen nunmehr ganz bewußt auf die größeren Kanzleien, in denen die Terminals eingesetzt werden und versuchen dort "stand alone"-Anlagen als Alternative zu dem Terminal mit Anschluß an das Großrechenzentrum zu verkaufen. Die Angehörigen des steuerberatenden Berufs stehen also vor einer ähnlichen Entscheidung, wie Anfang der 70er Jahre. Seinerzeit sollten Lochstreifengeräte durch in den Kanzleien selbständig arbeitende MDT-Anlagen ersetzt werden (was in den meisten Fällen mißlang und den jeweiligen steuerlichen Berater sehr viel Geld kostete), nunmehr sollen die Terminalanschlüsse durch in den Kanzleien selbständig arbeitende Computer ersetzt werden.

Es muß zugestanden werden, daß die heute von einigen namhaften Herstellern angebotenen Computeranlagen sehr leistungsfähig und mit ausgetesteten Programmen versehen sind und daher ein unmittelbarer Vergleich mit den seinerzeit angebotenen MDT-Geräten nicht möglich ist. So wurde durch eine Reihe von Installationen bewiesen, daß diese "stand alone"-Anlagen in der Lage sind, die von einem Steuerberater geforderten Leistungen zu vollbringen.

Es muß allerdings bezweifelt werden, daß die optimale Lösung für den Steuerberater darin zu suchen ist, nunmehr zu entscheiden zwischen Großrechenzentrum oder eigener DV-Anlage. Vielmehr dürfte die Optimierung für den steuerlichen Berater darin liegen, durch Aufrüstung seines bisherigen Terminals beziehungsweise Umrüstung in eine dialogfähige Anlage - beides jedoch unter Beibehaltung des Anschlusses an das Großrechenzentrum - mehr Intelligenz in der Kanzlei zu installieren.

Collega hat aufgrund der seinerzeitigen Erfahrung nach Befragung der Mitglieder dieser Lösung den Vorzug eingeräumt. Durch Verhandlungen mit Herstellern und der DATEV sollen die näheren Einzelheiten geklärt werden.

Die ersten Gespräche mit den Herstellern haben gezeigt, daß neben den bisher stets diskutierten Hard- und Software-Fragen vor allem Organisationslösungen gesucht werden müssen. Die Verkäufer von DV-Anlagen sollten sich daher ganz vorrangig darauf vorbereiten, den Angehörigen der steuerberatenden Berufe geeignete "Orgware" anzubieten. In dem sich neu abzeichnenden Marktbereich wird sicherlich der Vertriebsbeauftragte Vorteile für sich verbuchen können, dem man nicht mißtrauisch gegenüberstehen muß, sondern der sich als Partner bei der Lösung von Organisationsfragen bewährt.

Collega jedenfalls hat sich aufgrund des eindeutigen Auftrags ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt, die damit zusammenhängenden Fragen mit den Herstellern und der DATEV zu untersuchen und möglichst rasch brauchbaren Lösungen zuzuführen.