Konsolidierung im deutschen Markt setzt sich fort

Orbis gibt sein CRM-Geschäft zu Gunsten von SAP auf

05.10.2001
MÜNCHEN (mo) - Die Orbis AG, Saarbrücken, wird ihre CRM-Software "IC Solutions" nicht mehr weiterentwickeln. Stattdessen konzentriert sich einer der großen CRM-Anbieter in Deutschland auf sein SAP-Beratungsgeschäft.

Aus für IC Solutions, die CRM-Software von Orbis. Nur noch 20 der bislang 80 Mitarbeiter werden künftig an der Software arbeiten. Die restlichen 60 Programmierer und Vertriebler wechseln auf die Gehaltsliste der SAP und basteln dann an SAPs Kundensoftware Mysap CRM. Sie bleiben aber in Saabrücken, und zwar in einem eigens von den beiden Unternehmen eingerichteten Competence Center. Das Orbis-Produkt wird strategisch nicht mehr weiterentwickelt, sondern es werden nur noch die Verpflichtungen aus den bestehenden Verträgen erfüllt. Die 50 CRM-Berater bei Orbis, die sich bislang um die Einführung von IC Solutions gekümmert haben, betreuen künftig Mysap-CRM-Projekte. Bestehende Orbis-Kunden erhalten bei Bedarf Hilfe zur Migration auf die Walldorfer Produktlinie.

Mangelnder Verkaufserfolg ist der Grund für die Entscheidung des am Neuen Markt in Frankfurt am Main gelisteten Softwarehauses, die CRM-Entwicklung einzustellen. In den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres hat Orbis den Umsatz mit SAP-Beratung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt. Das Produktgeschäft lag dagegen nur leicht über Vorjahresniveau. Damit sank der Anteil am Gesamtumsatz von gut einem Drittel auf unter ein Viertel. "Durch den zunehmenden Markteintritt globaler E-Business-Anbieter sowie die konjunkturbedingte Zurückhaltung bei Software-Neuinvestitionen konnte Orbis wie die meisten anderen CRM-Anbieter die gesteckten Ziele nicht erreichen", erläutert Klaus Kieren, Vorstandssprecher der Orbis AG, und prognostiziert weitere Übernahmen und Geschäftsaufgaben unter mittelständischen Anbietern in diesem Segment.

Doch die Schuld liegt nicht nur im Umfeld, urteilt Wolfgang Schwetz, Inhaber des auf CRM spezialisierten Beratungsunternehmens Schwetz Consulting in Karlsruhe: "Eine Voraussetzung für das Überleben in diesem umkämpften Markt ist die ausschließliche Konzentration auf CRM." Bei Orbis hätten aber immer das Integrationsgeschäft und die Beratung rund um SAP im Vordergrund gestanden, und dort habe das Unternehmen auch seine Gewinne erzielt. Ein weiterer Grund für das ausbleibende Wachstum in der CRM-Sparte ist nach Ansicht von Schwetz, dass Orbis in den Zielbranchen Bau und Konsumgüter keine gute Lösung vorzuweisen hat, was unter anderem daran liegt, dass das entsprechende Know-how erst kürzlich zugekauft worden ist. "Die Entscheidung, sich aus dem CRM-Geschäft zurückzuziehen, ist angesichts des geringen Erfolgs aus Orbis-Sicht nur konsequent und absolut richtig", zeigt Schwetz Verständnis für den Vorstand.

Ausgetragen wird die Marktbereinigung allerdings auf dem Rücken der Kunden. "Ich verstehe, dass es für Softwareanbieter nötig sein kann, zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Einschnitte im Produktportfolio vorzunehmen. Die Bedürfnisse der Kunden werden dabei jedoch von den Anbietern oft vernachlässigt", sagt Reinhard Menges, Leiter Sales Service bei der Bonduelle GmbH, die Orvis/S3 als Branchenlösung für die Konsumgüterindustrie einsetzt. Dazu dürfte auch gehören, dass die Ankündigung der CRM-Aufgabe völlig überraschend kam. Noch vor rund einem Monat hatte der Vorstandsvorsitzende Kieren gegenüber der COMPUTERWOCHE Gerüchte über eine Einstellung des Produkts dementiert und die Weiterentwicklung für die nächsten Jahre zugesichert.

Verträge sollen erfüllt werdenZumindest bestehenden Kundenverpflichtungen will Orbis aber wohl nachkommen. "Das Unternehmen hat uns zugesichert, die Verträge zu erfüllen, das heißt, die versprochenen Funktionen und Module zur Verfügung zu stellen und mittelfristig weiterzupflegen", zeigt sich Thomas Paulus, Projektleiter CRM bei dem Orbis-Neukunden Wagner Tiefkühlprodukte GmbH, optimistisch. Glücklich ist er mit der Entscheidung aber nicht: "Natürlich ist es zunächst ärgerlich, dass ein bei uns neu eingeführtes Produkt nun keine langfristige Zukunftsperspektive mehr hat." Trotzdem könne er die Gründe, die Orbis zu diesem Schritt bewogen haben, nachvollziehen.

Langfristig werde man aber die CRM-Strategie überdenken müssen. Als SAP-Kunde könne man auch an Mysap CRM denken. Das ist bei Bonduelle anders. "SAP ist für uns derzeit keine Alternative, da wir im ERPBereich keine SAP-Produkte einsetzen", stellt Bonduelle-Mann Menges klar.

Die Zahl der Alternativen wird aber stetig kleiner - und meist bleibt nur ein ERP-Anbieter. So sind eine Reihe von CRM-Unternehmen im vergangenen Jahr gekauft worden, wie zum Beispiel TPS Labs von Bäurer und Braun Informationssysteme vom Schweizer Softwarehersteller Miracle. Miracle ist mittlerweile vom Markt verschwunden, und die Reste von Braun sind von CRM-Konkurrenten übernommen worden. Daneben sind auch reine CRM-Anbieter Pleite gegangen, wie die S3 AG, von denen Orbis Teile übernommen hat.

Daher steht zu vermuten, dass Orbis nicht das letzte Unternehmen sein wird, das beim Thema CRM die Notbremse ziehen muss. Für Berater Schwetz liegt der Schlüssel zum Überleben in der ausschließlichen Konzentration auf CRM: "Wer in der Vergangenheit auf dieser Basis bereits erfolgreich und profitabel CRM-Software entwickelt und verkauft hat, hat wesentlich bessere Überlebenschancen als Anbieter, bei denen CRM nur einen Teilbereich darstellt."

Scharfer WettbewerbNach Einschätzung des auf CRM spezialisierten Beratungsunternehmens Schwetz Consulting hat sich das Wachstum im deutschen CRM-Markt deutlich abgekühlt (siehe Grafik "CRM-Umsatz in Deutschland"). In diesem Jahr dürfte außerdem SAP auf Anhieb Platz eins unter den Anbietern hierzulande einnehmen - gefolgt vom früheren Spitzenreiter Siebel. Der zunehmende Druck durch weitere internationale ERP-Anbieter wie Oracle und Peoplesoft macht den mittelständischen deutschen Anbietern, die über keine ausgeprägte Spezialisierung verfügen, zusätzlich das Leben schwer. Allerdings haben sie noch eine Chance im Mittelstand: Dort fassen die Global Player nur schlecht Fuß.

Abb: CRM-Umsatz

Statt der in den vergangenen Jahren üblichen rund 40 Prozent Wachstum muss die CRM-Branche in Deutschland in diesem Jahr einen Rückgang auf etwas über 20 Prozent verkraften. Quelle: Schwetz Consulting