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Oracles Ausblick setzt auch SAP unter Druck

19.09.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Wegen der düsteren Prognosen von Oracle sind viele Anleger skeptisch, dass der Konkurrent SAP sein Umsatzziel für das Gesamtjahr einhalten kann. Der Walldorfer Softwarekonzern hatte bereits im Juli seine Wachstumsprognose von 15 auf fünf bis zehn Prozent gesenkt (Computerwoche online berichtete). Nach Ansicht einiger Analysten kann SAP jedoch in diesem Jahr maximal einen Zuwachs von einem Prozent realisieren. Entsprechend schwer werde sich das Unternehmen tun, die anvisierte operative Gewinnmarge von 21 Prozent zu erzielen.

Zwar lassen sich die Geschäftsentwicklung von Oracle und SAP kaum direkt miteinander vergleichen. Zwei Umstände belasten allerdings auch die Walldorfer: So musste der Speicherspezialist im ersten Geschäftsquartal erneut schwache Zahlen melden (Computerwoche online berichtete). Außerdem hegt Oracle-Finanzchef Jeff Henley nur wenig Hoffnung auf eine baldige Besserung des schwächelnden Markts für Unternehmenssoftware. Entsprechend sank der Kurs der SAP-Aktie am gestrigen Mittwoch um 1,21 Euro auf 56,79 Euro. Damit hat das Papier nun innerhalb eines Jahres bereits rund 60 Prozent an Wert eingebüßt. Seit Anfang Juli hat sich fast die Hälfte des Geldes in Luft aufgelöst. Damals erschütterte eine frühere Warnung von Oracle die Börsen, SAP hatte daraufhin selbst seine Umsatzprognose nach unten korrigiert.

In Walldorf hieß es, man kommentiere grundsätzlich nicht die Ausblicke anderer Unternehmen. Da sich seit Juli nichts an der Marktsituation und dem Kaufverhalten geändert habe, halte der Konzern weiterhin an den Prognosen für Umsatzwachstum und Gewinnspanne fest, erklärte ein SAP-Sprecher.

Die Analysten erwarten indes mit Spannung die Entwicklung im vierten Geschäftsquartal. In den letzten drei Monaten des Jahres generiert SAP in der Regel rund 40 Prozent seiner Lizenzeinnahmen. In den vergangenen Jahren hatte der Konzern dabei jeweils ein Wachstum von über 100 Prozent gegenüber dem vorangegangenen dritten Quartal realisiert. In diesem Jahr könnte jedoch einiges anders laufen: Die Investitionsbereitschaft ist noch nicht zurückgekehrt, da die Unternehmenskunden unsicher sind, ob, wann und wie schnell die konjunkturelle Erholung im nächsten Jahr stattfinden wird.

Dennoch ist SAP gezwungen, im Schlussquartal einiges an Boden gutzumachen, um die Umsatzziele zu erreichen. So lagen die Gesamteinnahmen in der ersten Jahreshälfte nur 1,7 Prozent über dem Vorjahr, während die Lizenzerlöse im Startquartal um zwölf, im zweiten Vierteljahr sogar um 23 Prozent einbrachen. Um seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen, müsste der Konzern das Wachstum im Lizenzgeschäft in der zweiten Jahreshälfte von sechs auf 31 Prozent steigern, berechnete die Investmentbank Merrill Lynch.

Probleme bereitet auch die von Oracle beschriebene anhaltende Schwäche auf den europäischen und asiatischen Märkten. Hier lauert eine große Gefahr für SAP, da der Konzern in Europa rund 55 Prozent seiner Einnahmen erwirtschaftet. Sollten die Einnahmen jedoch im vierten Quartal nicht extrem einbrechen, haben die Walldorfer ein gute Chance, ihre anvisierte operative Marge zu erreichen. Mit Auftragsarbeiten in Höhe von rund 800 Millionen Euro jährlich und 500 Millionen Euro Boni besitzt SAP noch genügend Einsparungspotenzial. Auch sonst ist das Unternehmen nicht schlecht aufgestellt: Es kann mit Wartungs- und Serviceaufträgen von den derzeit gut 18 000 Kunden rechnen und gewinnt trotz Krise Marktanteile hinzu.(mb)