Portfolio und Firmenstruktur werden an das Web-Geschäft angepaßt

Oracle will sich vom Image eines Datenbankherstellers befreien

26.11.1999
MÜNCHEN (CW) - Oracle will nicht nur Datenbanken, sondern die gesamte Infrastruktur für das E-Business liefern. Dies machte der Hersteller auf der diesjährigen Anwenderkonferenz Open World in Los Angeles klar. Die rund 20000 Teilnehmer erwarteten entsprechende Service- und Produktankündigungen, darunter die Messaging-Plattform "Integration Server" sowie Release 2 der Datenbank "8i".

Oracle empfing seine Gäste in aufgeräumter Stimmung. Mit einer ganzen Palette an Infrastrukturprodukten und Dienstleistungen fühlt sich das Unternehmen gewappnet, den Kunden zu zeigen, daß man zu einer ernstzunehmenden E-Business-Company herangereift sei. Zuspruch für seine Strategie erhielt das Unternehmen dabei von der Wall Street, die während der Veranstaltung einen Kurssprung der Oracle-Aktien um zehn Prozent meldete. Finanzanalysten, die sich am Rande der Konferenz mit Oracles President Raymond Lane getroffen hatten, bestätigten ebenfalls die Entschlossenheit, die das Unternehmen aus Redwood Shores derzeit vermittelt: Sie empfahlen ihren Kunden, Aktien des Herstellers zu kaufen. Stellvertretend hieß es beim Finanzexperten J.P. Morgan, daß Oracle nun auch eine Firma für das E-Business und Anbieter von Infrastruktursoftware sei.

Umstrukturierung soll eine Milliarde Dollar einsparen

Der Optimismus der Anleger wird auch von den internen Umstrukturierungsmaßnahmen bei Oracle genährt. So will der Hersteller nicht nur sein Portfolio, sondern auch seine Unternehmensstruktur stärker auf Web-basierte Technologien ausrichten sowie sein Dienstleistungsangebot überarbeiten. Ziel ist es, in den nächsten zwölf Monaten die Ausgaben um eine Milliarde Dollar zu senken. Dazu sollen beispielsweise die bisherigen Rechenzentren auf eines reduziert, die derzeit 14 E-Mail-Server auf zwei gebündelt werden. Weitere Einsparungen und neue Einnahmequellen erhofft sich das Unternehmen von der Abwicklung von Geschäften, Einkauf und Kundenbetreuung über das Web. Schon heute erfolgen 80 Prozent von Oracles Geschäftstransaktionen unter einer Million Dollar über das neue Medium. Zusätzliches Geld soll auch der Ausbau von Angeboten wie das Application-Service-Providing (ASP) bringen. Derzeit zählt der eigene Hosting-Service "Oracle Business Online" 30 Benutzer.

Was die Produktankündigungen in Los Angeles betraf, so war der Integration Server der Star der Konferenz. Dieser basiert auf dem Datenbank-Flaggschiff "8i" und stellt eine Java-basierte und XML-fähige Messaging-Plattform dar. Sie vereint neben einer Reihe eigener Produkte auch die Transformations-Engine von TSI Software, einem Anbieter von Produkten für die Anwendungsintegration (Enterprise Application Integration=EAI). Des weiteren zählt zum Paket Oracles "Message Broker" für den Datenaustausch zwischen Applikationen sowie eine neue Version von "Oracle Workflow", mit der sich Geschäftsprozesse koordinieren lassen.

Dank der Integration in die Datenbank 8i ist es möglich, Queuing-Services, Datentransformations-Dienste und die Management-Funktionen des "Oracle Internet Directory" zu nutzen. Diese verwalten zentral Anwendernamen, Paßwörter und Zugriffsrechte und gibt durch einen einzigen Login-Vorgang zuvor festgelegte Ressourcen frei. Weiter bietet die Suite Adapter zu Oracles Kunden-Management-Anwendung und zu "Oracle Applications". Adapter zu betriebswirtschaftlicher Standardsoftware anderer Hersteller sind geplant.

Integration Server soll im ersten Quartal 2000 verfügbar sein und dem Hersteller helfen, im Markt für Software zur Anwendungsintegration Fuß zu fassen. Die Fähigkeit der Suite, beim Online-Geschäft auftretende große Transaktionszahlen bewältigen zu können, sieht Oracle als wichtigsten Vorteil gegenüber im Intranet verwendeter EAI-Software. Erster Anwender auf Basis des Integration Servers ist Oracle selbst, das zur Konferenz den Online-Marktplatz "Exchange" mit rund 270 Zulieferern eröffnet hat. Erster Kunde, der seine eigene Exchange-Site betreibt, ist der US-Autohersteller Ford, der für die Entwicklung seiner Internet-basierte Logistikkette "Autoexchange" Oracle als Joint-venture-Partner an Bord holte (siehe CW45/99, Seite 1). Weitere Abschlüsse sollen kurz bevorstehen. Im Gespräch sind Firmen wie Boeing, American Express und General Motors.

Als weiteres Highlight war in Los Angeles erstmals Release 2 der Datenbank 8i zu sehen, das im zweiten Quartal 2000 erhältlich sein soll. Dieses zeichnet sich zum einen durch Verbesserungen bei der Performance (Failover) und zusätzliche Verwaltungsfunktionen wie den erweiterten "Enterprise Manager 2.1" aus. Zum anderen kommen Features für die Anwendungsentwicklung hinzu. So bietet die Datenbank jetzt eine native Unterstützung der zum Jahresende erwarteten "Enterprise Edition" des Java-2-Standards sowie einen Java-basierten XML-Parser für das Lesen und Generieren von Dokumenten, die die Extensible Markup Language (XML) verwenden. Damit könnten Programmierer direkt auf der Datenbank arbeiten, ohne eine zusätzliche Entwicklungsumgebung benutzen zu müssen.

Die zweite Neuheit in 8i sind integrierte Analysetechniken für Data-Warehousing. Diese "Analytic Functions" sind in der Core-Engine der Datenbank angesiedelt, die ihrerseits etwa bei der Partitionierung optimiert wurde. Damit werden, so Oracle, die bisher von einem speziellen Server für das Online Analytical Processing (Olap) angebotene Funktionalität zur Datenextraktion, -aufbereitung, -transformation, -aggregation sowie das Zurückschreiben in eine Datenbank weitgehend von 8i übernommen. Anwender erhalten laut Hersteller mit den Tools die Möglichkeit, per SQL-Statements eine ganze Reihe gängiger Queries (Ad-hoc-Abfragen) wie etwa Rankings gegen die Datenbank zu machen. Oracles eigener Olap-Server "Express" wird dennoch nicht obsolet, da die Analytic Functions Möglichkeiten, wie etwa die tägliche Trendanalyse oder Forecasts nicht abdecken.

Neben den Produktvorstellungen nutzten Oracle und seine Partner die Gelegenheit, um weitere Kooperationen und Projekte vorzustellen. So gab Ann Livermore, President and CEO Enterprise Computing Solutions bei HP, bekannt, daß die im September mit Oracle vereinbarte Kooperation zur Entwicklung von Internet-fähigen Anwendungen erweitert wird. Dieses von HP als "E-Services" bezeichnete Portfolio beinhaltet Funktionen aus Suchmaschinen, Datenbanken, Enterprise-Resource-Planning(ERP-)Software, System-Management-Lösungen oder Workflow-Systemen. Oracle will nun auch bei der Entwicklung von E-Services für mobile, Internet-fähige Geräte mitarbeiten und HPs Java-basierte Runtime-Umgebung "Chai" zusammen mit der Embedded-Datenbank "8i light" für Handhelds, Handies und Set-top-Boxen vertreiben.