Oracle sucht neuen Kurs

15.02.2006
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Kunden fordern klare Botschaften

Auf der Anwenderseite sorgten diese Botschaften meist für Verunsicherung. "Wir vermissen klare Aussagen zur Produktstrategie", monierte Ende vergangenen Jahres Peter Mischok, der Vorsitzende der deutschen J.D.-Edwards-Anwendervereinigung. Die Oracle-Verantwortlichen müssten eindeutige Botschaften an den Markt richten, sonst würden die Anwender geplante Projekte hinauszögern. "Es dauert sehr lange, bis man vernünftige und belastbare Informationen zum Project Fusion bekommt", ergänzte Frank Schönthaler, Sprecher der deutschen E-Business-Suite-Anwender. Die Kunden fragten sich, inwieweit bestehende Produkte in Fusion einfließen werden und wie hoch der Migrationsaufwand sein wird. "Hier ist sicher noch viel Aufklärungsarbeit notwendig."

"Das wird kein bloßes Upgrade werden", räumte Deutschlands Oracle-Chef Rolf Schwirz ein. Der Umstieg von monolithisch aufgebauten Softwareblöcken auf eine Service-orientierte Architektur bedeute einen Paradigmenwechsel, der sich nicht von heute auf morgen bewerkstelligen lasse. Die erste Fusion-Version soll Ende 2008 auf den Markt kommen. Schon 2007 sollen einzelne Komponenten fertig sein. Man werde die Kunden jedoch nicht zum Umstieg zwingen, verspricht Oracle-President Phillips. Die Anwender könnten selbst den Zeitpunkt bestimmen, wann sie auf Fusion wechseln wollten.

Nach dem Platzen der Dotcom-Blase erreichten Oracles Umsätze im Geschäftsjahr 2005 wieder ein Rekordniveau.
Nach dem Platzen der Dotcom-Blase erreichten Oracles Umsätze im Geschäftsjahr 2005 wieder ein Rekordniveau.

Um die Anwendungskunden bei der Stange zu halten, hat das Oracle-Management weitreichende Entwicklungs- und Supportversprechen gemacht. Bis 2013 sollen die bestehenden Applikationen weiterentwickelt und gepflegt werden. Darüber hinaus werde es einen lebenslangen Support für alle Produkte geben, hieß es. In dieser Phase würden die Produkte nicht mehr weiterentwickelt, die Kunden erhielten jedoch telefonische Unterstützung und Patches.

Während Oracle darum kämpft, die Kunden zu halten, warten die Konkurrenten nur auf eine Gelegenheit, eine Bresche in die Phalanx des Gegners zu schlagen. SAP hat dazu vor einem Jahr den US-amerikanischen Dienstleister Tomorrow Now gekauft, der Support- und Wartungsservices rund um Peoplesoft- und J.D.-Edwards-Produkte anbietet. Damit bekämen Anwender dieser Software Wartung für rund die Hälfte der Gebühren, die Oracle erhebt. Außerdem könnten Oracle-Kunden im Rahmen des "Safe-Passage"-Programms auf SAP-Produkte wechseln, wobei beim Kauf einer Mysap-Lizenz Investitionen in die Konkurrenzprodukte angerechnet würden.