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Oracle präsentiert sich in Hochform

15.09.2000
501 Millionen Dollar Quartalsgewinn

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit 501 Millionen Dollar oder 17 Cent pro Aktie Nettogewinn im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres hat Softwareriese Oracle Corp. die Erwartungen der Finanzwelt - laut First Call/Thomson 13 Cent - deutlich übertroffen. Im Datenbankgeschäft war ein kräftiger Aufwärtstrend zu verzeichnen; die E-Business-Suite "11i" kommt indes nur langsam in die Gänge.

Im Vorjahresquartal hatte der Konzern einen mit 237 Millionen Dollar oder acht Cent je Anteilschein weniger als halb so großen Nettoprofit ausgewiesen. Der aktuelle operative Quartalsgewinn betrug 658 Millionen Dollar (Vorjahreszeitraum: 345 Millionen Dollar), die operative Gewinnmarge stieg von 17,4 Prozent im Vorjahresquartal auf 29,1 Prozent. Den Umsatz steigerte das Unternehmen von Chief Executive Officer (CEO) Lawrence "Larry" Ellison von 1,98 Milliarden Dollar übers Jahr um 14 Prozent auf 2,26 Milliarden Dollar.

Das Umsatz- und Gewinnwachstum ist deswegen bemerkenswert, weil sich die Oracle-Vertriebsmannschaft traditionell vor allem im vierten Quartal eines Geschäftsjahres mächtig ins Zeug legt - nicht zuletzt im eigenen Interesse, um eine möglichst hohe Provision zu erreichen. Dagegen verläuft das erste Fiskalquartal für gewöhnlich eher träge, unter anderem schon deswegen, weil viele der VBs (Vertriebsbeauftragten) - genau wie ihre Kunden - in Urlaub sind. "Dies war für unser Softwaregeschäft das beste erste Quartal seit sechs Jahren", meint Larry Ellison. Angesichts des erfreulichen Abschneidens kündigte Oracle, das gegenwärtig eine Marktkapitalisierung von knapp 250 Milliarden Dollar aufweist, gleich noch einen Aktiensplit im Verhältnis eins zu zwei an, der am 12. Oktober wirksam werden und zusätzliche Anleger anlocken soll.

Das Datenbankgeschäft boomt

Im Datenbankgeschäft konnte Oracle den Umsatz um überdurchschnittliche 32 Prozent auf 585 Millionen Dollar steigern, eine deutliche Erholung gegenüber den mäßigen zwölf Prozent Wachstum des Vorjahresquartals. Die Einnahmen mit Tools gingen um 38 Prozent zurück. Grund ist die geänderte Firmenpolitik: Oracle hatte Ende Mai angekündigt, man werde eine Vielzahl von Datenbankwerkzeugen den 1,1 Millionen Entwicklern des Oracle Technology Network (OTN) künftig kostenlos zur Verfügung stellen (Computerwoche.de berichtete). Außerdem waren eine Reihe von Produkten zur Anwendungsentwicklung verbilligt worden.

Applikationsgeschäft wächst schwächer als erwartet

Im Bereich Anwendungssoftware betrug das Wachstum 42 Prozent (auf 156 Millionen Dollar) und lag damit unter den Erwartungen der Wallstreet, die auf bis zu 60 Prozent Umsatzplus gehofft hatte. "Wäre das Application Business besser gelaufen, gäbe es die reine Euphorie", bescheinigt Robert Austrian, Analyst bei Banc of America Securities. Noch nicht ganz zufrieden war denn auch Larry Ellison mit dem Absatz des neuen E-Business-Hubs 11i. Dies sei aber durchaus verständlich, so der CEO: Eine Bestellung des Paketes bedeute für die allermeisten Kunden eine "größere Architektur-Entscheidung" und führe zu längeren Planungszeiten.

Mit "Oracle Sales Online", bei dem Anwender ein Modul der 11i-Suite kostenfrei nutzen können, hat das Unternehmen seit Start des Angebots am 28. August nach Angaben von Ellison bereits 3000 Kunden oder 100 000 einzelne Anwender gewinnen können. Nun hofft man darauf, dass das Angebot zur Nutzung weiterer Module anreizt und letztlich zu Kaufentscheidungen führt.

Ellison geht deshalb davon aus, das 11i im laufenden zweiten Quartal richtig in Schwung kommt. Noch "innerhalb der kommenden Woche" werde man den Großauftrag einer Finanzinstitution ankündigen, die sich für die Internet-Handelsplattform von 11i entschieden habe. Auch Finanzchef Jeff Henley gab sich in Sachen Anwendungen und 11i ausgesprochen optimistisch. Für das gesamte laufende Geschäftsjahr rechnet der Chief Financial Officer (CFO) mit einem Umsatzplus von wenigstens 50 Prozent. "Vielleicht schaffen wir sogar 100 Prozent - dieses Geschäft ist enorm im Aufwind", so Henley.

Europa leidet unter der Euro-Schwäche

Regional gesehen konnte Oracle im abgeschlossenen Quartal in Asien mit 35 Prozent am stärksten zulegen. Im Heimatland USA wuchsen die Umsätze um 15 Prozent. Das gleiche Wachstum hätte der Hersteller auch in Europa erreicht - wenn dieses nicht durch die anhaltende Schwäche des Euro unter dem Strich auf vier Prozent Plus reduziert worden wäre. CFO Henley hob im Rahmen einer Telefonkonferenz besonders das gute Abschneiden in Großbritannien hervor, wo Oracle im vergangenen Jahr "nicht so gut ausgesehen" hatte.

Ungeachtet der beeindruckenden Zahlen muss sich Oracle noch mit einigen Problemen herumschlagen. Zum einen gilt es, einen geeigneten Nachfolger für den langjährigen President und Chief Operating Officer (COO) Ray Lane zu finden, der sich mit Ellison überworfen und das Unternehmen im vergangenen Juli überraschend in Richtung der Venture-Capital-Firma Kleiner Perkins Caufield & Byers verlassen hatte. Daneben sind Image und Glaubwürdigkeit von Oracle leicht angekratzt. Heftige Kritik hagelte es zum Beispiel im Juli, nachdem der Konzern in einer 180-Grad-Wende ankündigte, er werde auch externen Application Service Providern (ASPs) gestatten, seine Anwendungssoftware zu vermieten (Computerwoche.de berichtete). Ellison höchstpersönlich hatte zuvor erklärt, so etwas werde "nur über seine Leiche" möglich sein. Für schlechte Publicity sorgte auch die Nachricht, dass Oracle im Rahmen des Kartellverfahrens gegen Microsoft den Konkurrenten durch eine mit fragwürdigen Methoden agierende Detektei hatte ausspähen lassen (Computerwoche.de berichtete).