Oracle präsentiert Fusion Middleware 11g

08.07.2009
Der Druck auf SAP und IBM wächst: Oracle vereint seine Tools und Techniken für Java-Entwicklung, Prozessmodellierung, Portalaufbau und Governance zu einer mächtigen Infrastruktur-Suite.

Oracle Fusion Middleware 11g ist das erste große Release der hauseigenen Infrastrukturprodukte seit Abschluss der Übernahme des Java-Spezialisten Bea Systems. Es verspricht eine tiefere Integration zwischen den zahlreichen Funktionen und Tools und wartet mit neuen Komponenten auf, die zusammen ein möglichst durchgängiges Arbeiten bei der Anwendungsentwicklung und Prozessgestaltung sowie IT-Governance ermöglichen sollen. Dabei definiert Oracle Middleware als einen Verbund wiederverwendbarer und an Standards orientierter Services, die zwischen den Business-Anwendungen à la Oracle Applications, die vermutlich zum Herbst kommen, und der Datenbank plus Hardware vermitteln.

Mit der Ankündigung legt Oracle auch ein deutliches Bekenntnis zum Java-Standard und zu Java-Techniken ab, die sich insbesondere mit der integrierten Entwicklungsumgebung "JDeveloper" und dem Java-Applikations-Server "Weblogic" nutzen lassen. Zudem sei das Portfolio laut John Aisien, Vice President Product Management Oracle Fusion Middleware, einerseits für die haus-eigene Datenbank optimiert worden, andererseits als "offene Plattform" konzipiert, die sich auch mit Anwendungen anderer Hersteller kombinieren lasse. Wie Rivale IBM hofft Oracle, mit diesem Ansatz insbesondere SAP-Anwendern eine Alternative zur Netweaver-Plattform schmackhaft machen zu können.

Für einen ersten Überblick über das komplexe Middleware-Portfolio ordnet Oracle dieses in fünf Suiten, deren Bestandteile in verschiedenen Editionen vorliegen können.

1) SOA Suite 11g

Sie dient dem gemeinsamen Entwurf und der Integration von System-, Personen- und Dokumenten-zentrierter Prozesse sowie dem Aufbau Service-orientierter Architekturen (SOA). Dabei sieht sich Oracle als erster Anbieter, der die Spezifikationen einer Service Component Architecture (SCA) nativ unterstützt. SCA ist ein Vorschlag führender Java-Unterstützer zur Implementierung infrastrukturunabhängiger Services. Wichtiges Hilfsmittel ist dabei der neue "SCA Designer" der eine Drag-and-Drop-Umgebung für die Prozessgestaltung sowie zur Zusammenarbeit von Entwicklern und Architekten bereitstellt.

Ferner sollen Unternehmen mit der SOA Suite 11g auch das Softwarearchitekturmuster einer Event Driven Architecture (EDA) umsetzen können, bei der das Zusammenspiel der Komponenten durch Ereignisse gesteuert wird. Weitere Highlights sind Tracking-Funktionen im Administrationswerkzeug "Oracle Enterprise Manager" für ein detailliertes Auditing von Prozessen und verteilten Anwendungen, integrierte Features für SOA-Governance, Policy-Management sowie eine Business-Rules-Engine zur Prozesssteuerung.

2) Weblogic Suite 11g

Herzstück der Weblogic Suite ist der Java-Applikations-Server "Oracle Weblogic Server" in Version 10.3, der laut Hersteller zusätzliche Möglichkeiten zur Überwachung und Automatisierung des Betriebs bietet, wie zum Beispiel das Feature Oracle WebLogic Operations Control. Neue Funktionen sind unter anderem der "Gridlink" für Real Application Clusters (RAC) und die auf dem Java Message Service von Weblogic basierende Messaging-Technik "Enterprise Grid Messaging", die für eine höhere Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Server sorgen soll. Der "ActiveCache" gestattet zudem eine schnelle Skalierung, um auf wechselnde Anwendernachfragen und Systemlast reagieren zu können.

Ebenfalls zur Suite gehört "Oracle Coherence" (früher Tangosol), laut Hersteller eine Memory-Data-Grid-Lösung, die Kunden die vorhersagbare Skalierung unternehmenswichtiger Anwendungen durch schnellen Zugriff auf häufig verwendete Daten ermöglicht. Überarbeitet wurde auch die Java Virtual Machine "JRockit", die zum Beispiel deterministische Garbage-Collection-Funktionen erhalten hat.

3) Webcenter Suite 11g

Das Portal Oracle Webcenter bietet wiederverwendbare Komponenten, die sich laut Hersteller in nahezu jede Art von Portal wie zum Beispiel Intranets, Composite Applications oder Web-basierende Communities einbinden lassen und Funktionen für Social Networking und Produktivität umfassen. Neu ist der "Oracle Composer", ein nach Angaben des Herstellers selbsterklärendes Browser-basierendes Tool, mit dem Endbenutzer und Entwickler Anwendungen, Portale und soziale Web-Seiten erstellen, teilen und personalisieren können.

Ebenfalls neu sind die "Oracle Webcenter Spaces", die vorgefertigte Social Networks (Group Spaces und Personal Spaces) enthalten. Mit den "Task Flows" können Anwender zwischen rund 50 vorgefertigten Portalkomponenten wählen, die sich als funktionale Portlets in die Portalumgebung einbinden und anpassen lassen.

4) Identity Management Suite 11g

Das IM-Paket enthält nach Angaben des Herstellers die ersten Komponenten einer voll integrierten Identity-Management-Suite und verfügt über eine verbesserte Integration mit anderen Fusion-Middleware-Lösungen. Dazu gehören neue Funktionen wie Deployment Accelerators, Universal Federation Framework sowie eine Benutzerschnittstelle, die auf dem Oracle Application Development Framework (ADF) basiert. So umfasst die "Oracle Identity Access Management Suite" Funktionen:

zur Erstellung und Verwaltung von Benutzern in einem Directory-Service;

  • zur Provisionierung von Benutzern in verschiedenen Informationssystemen und Standardanwendungen;

  • zum Management der Zugehörigkeit des Benutzers zu Rollen und Gruppen sowie zur Administration der Berechtigungen des Benutzers für die Zugriffskontrolle;

  • zur Bereitstellung eines Web-basierenden Single-Sign-on;

  • zur unternehmensübergreifenden Authentifizierung der Benutzeridentität bei Geschäftspartnern mit auf Standards basierden Federation-Techniken;

  • zur Überwachung und Prüfung der Einhaltung von Sicherheitsrichtlinien des Unternehmens (Enterprise Security Policies) und gesetzlicher Vorschriften.

5) Java-Werkzeuge

Wichtiger Bestandteil und immer enger verzahnt mit den übrigen Produkten der Fusion Middleware 11g sind Oracles Entwicklungswerkzeuge. Hierzu gehören die Java-IDE Oracle JDeveloper, die nun in der Version 11.1.1.1 vorliegt, ferner das Persistenz-Framework Oracle Toplink für eine objektrelationale Datenspeicherung sowie das Oracle Application Development Framework (ADF). Letzteres stellt Oracles Framwork-Implementierung für Java Server Faces (JSF) dar und steht für einen visuellen und deklarativen Ansatz in der Java-Entwicklung, den Oracle gegenüber dem bisherigen "hard coding" mittlerweile favorisiert. Zudem implementiert ADF Java-Design-Patterns und folgt dem Konzept des Model View Controller (MVC).

Nach Oracle-Angaben sind die Werkzeuge für die Entwicklung und das Deployment unterschiedlichster Server- und Client-Anwendungen geeignet (Rich Internet Applications, Java Enterprise Edition 5, Web 2.0 und Ajax). Außerdem habe man für die bessere und sichere Projektverwaltung Funktionen wie ein einheitliches Metadaten-Management und Application-Lifecycle-Management (ALM) zu bieten.

Java Server Faces

Zugleich betont der Hersteller seinen Ansatz im Bereich der Entwicklung von Web-Anwendungen: Während Microsoft diesbezüglich auf Silverlight, Adobe vor allem auf Flex und wieder andere auf Open-Web-Techniken wie Javascript und DHTML setzen, unterstreiche Oracle den Aspekt der Abstraktion sowie JSF als das darunterliegende Komponentenmodell, erklärte Ted Farrell, Chief Architect und Senior Vice President Tools and Middleware bei Oracle. JSF orientiere sich an der traditionellen MVC-Architektur. In puncto ALM ist nun die Software "Team Productivity Center" mit der Fusion Middleware 11g erhältlich. Sie unterstützt Entwicklerteams bei der Fehlersuche und gemeinsamen Nutzung von Code: "Entwickler können direkt mit anderen chatten, ohne die IDE verlassen zu müssen", sagte Farell. Auch könnten sie andere ALM-Produkte wie die Versionskontroll-Software "Subversion" verwenden.

Bekenntnis zu Java

Marktbeobachtern zufolge ist Oracles Bekenntnis zu Java eine gute Nachricht für die Java-Gemeinde. Diese ist seit der Übernahme des Java-Erfinders Sun Microsystems durch Oracle besorgt, wie es mit der Entwicklung und Offenheit des Java-Standards weitergeht. Mit dem JDeveloper könnten Entwickler Anwendungen und Dienste für verschiedene Applikations-Server und damit nicht nur für Weblogic erstellen, warb der Hersteller. Zudem wolle man die Open-Source-Gemeinde über das bereits letztes Jahr vorgestellte "Oracle Enterprise Pack for Eclipse" stärker einbeziehen. Es umfasst eine Sammlung von Plug-ins für das quelloffene Eclipse-Framework, welche die Entwicklung, das Deployment und das Debugging von Anwendungen für die Oracle-Middleware erleichtern soll. Offen bleibt hingegen die Zukunft der Java-IDE Netbeans, die Sun bislang favorisiert hatte.

Applications in 100 Tagen

Anlässlich der Vorstellung der Oracle Fusion Middleware 11g kündigte der Hersteller zugleich an, dass er in den "kommenden 100 Tagen" weitere Neuheiten seines laut Insidern auf 7000 Produkte geschätzten Portfolios präsentieren werde. Dieser Marathon soll bis zur nächsten Kundenveranstaltung "Oracle Open World" in San Francisco anhalten, auf der dann wohl die lang angekündigten und auf Fusion basierenden Business-Anwendungen "Oracle Applications" gezeigt werden.