E-Mails enthüllen angeblich brisante Stellungnahmen des Managements

Oracle: Miese Tricks beim Fusionspoker?

05.09.2003
MÜNCHEN (CW) - In der Übernahmeschlacht gegen Oracle fährt Peoplesoft schweres Geschütz auf. Das Unternehmen legte vor Gericht E-Mails vor, die beweisen sollen, dass die Ellison-Company bei ihren Fusionsplänen nicht nur die Verunsicherung von Peoplesoft-Kunden billigend in Kauf nahm, sondern Peoplesoft wirtschaftlich schaden wollte. Oracle bestreitet dies heftig.

Peoplesoft hatte Anfang August eine Klage gegen Oracle eingereicht. In dieser beschuldigte der Anbieter von Geschäftssoftware Oracle, mit dem im Juni lancierten Übernahmeangebot von zunächst 7,3 Milliarden Dollar nicht nur den Kauf von Peoplesoft im Sinn gehabt zu haben. Vielmehr habe Oracle intendiert, die Kunden des Konkurrenten durch die Fusionsankündigung zu verunsichern. Damit habe das Management um Larry Ellison Peoplesoft schaden wollen. Außerdem habe Oracle geplant, die Fusion zwischen Peoplesoft und J.D. Edwards zu hintertreiben, heißt es in der Klage. Als Beleg fügte Peoplesoft E-Mails von teils hochrangigen Oracle-Managern bei, die vor Gericht aber anscheinend immer nur in Auszügen präsentiert wurden.

In der seit Anbeginn mit harten Bandagen geführten Übernahmeschlacht zwischen Oracle und Peoplesoft, in der persönliche Animositäten zwischen Ellison und seinem ehemaligen Angestellten und jetzigen Peoplesoft-Chef Craig Conway eine wichtige Rolle spielen dürften, führt Peoplesoft nun E-Mails in die Debatte ein, die Oracle in ein schlechtes Licht tauchen. Unter anderem habe ein Oracle-Manager geschrieben: "Wir haben Peoplesoft auf jeden Fall einen Schlag zugefügt." Diese elektronische Post datiert vom Tag nach der ersten Übernahmeofferte im Juni. "Selbst wenn unser Angebot nicht zum Erfolg führen sollte, wird Peoplesoft viel Zeit brauchen, sich hiervon zu erholen."

Außerdem hatte sich Oracle anlässlich seiner ersten Offerte dahingehend geäußert, man werde die Peoplesoft-Anwendungen in die Oracle-Suite integrieren beziehungsweise die Software-Pakete der Conway-Company auslaufen lassen. Diese Aussage hatte zu starker Verunsicherung in der Peoplesoft-Kundschaft geführt. Oracle sah sich in der Folge gezwungen, diese Ankündigung zu revidieren. Jetzt von Peoplesoft präsentierte E-Mails zeichnen ein anderes Bild des Vorgangs: Danach schrieb Oracles Vice President Safra Catz in einer internen E-Mail: "Wir werden die Peoplesoft-Produktlinie definitiv nicht fortsetzen."

Oracle beeilte sich, diese Darstellung zu korrigieren. Alle E-Mail-Passagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Man habe einen Antrag bei Gericht gestellt, dass der gesamte elektronische Postverkehr in Gänze dargestellt wird und nicht nur Passagen. Jim Finn, Oracles Pressesprecher, sagte: "Es ist in diesem Zusammenhang schon wichtig anzumerken, dass Oracle die Anwürfe von Peoplesoft und die angeblichen Beweise im Ganzen präsentiert sehen möchte. Wir haben nichts zu verbergen." Angesprochen auf die Catz-E-Mail sagte Finn, tatsächlich habe sich der Manager nur über die Chancen geäußert, die Oracle sich durch eine Übernahme von Peoplesoft eröffnen würde. Würde man zudem die zitierte Passage im richtigen Kontext lesen, stellte man fest, dass Oracle sehr wohl ausgedrückt habe, die Produktlinie von Peoplesoft nicht nur fortzuführen, sondern sogar weiterzuentwickeln.

Peoplesoft-Kunden verunsichert?

Peoplesoft hat in seiner Klage auch einige Fälle benannt, in denen Kunden von Investitionen in Peoplesoft-Produkte Abstand nahmen, nachdem die Oracle-Offerte publik wurde. Allerdings werden keine Kundennamen genannt. Ein Auftragsmoratorium wurde allerdings im Detail ausgeführt: Der Verwaltungsbezirk von Los Angeles hat ein 100 Millionen Dollar schweres Software-Projekt mit Peoplesoft zunächst auf Eis gelegt. Grund hierfür seien die Unsicherheiten bezüglich der Zukunft von Peoplesoft-Produkten, seit Oracles Übernahmeangebot veröffentlicht wurde.

Das erstmals im Juni 2003 veröffentlichte Übernahmeangebot von Oracle belief sich auf 16 Dollar pro Peoplesoft-Anteil und erhöhte sich seitdem auf 19,5 Dollar. Auch die Laufzeit der Offerte verlängerte sich mehrfach. Mittlerweile ist das Angebot auf den 19. September terminiert. Bis zum 8. August 2003 waren allerdings erst die Besitzer von zehn Prozent der Peoplesoft-Anteile bereit, auf das Angebot einzugehen.

Brisant ist auch der Vorwurf von Peoplesoft, Oracle habe versucht, Industrieanalysten bezüglich der Übernahme zu beeinflussen. Aus den dem Gericht vorgelegten Dokumenten werde deutlich, dass Peggy O''Neill, Oracle-Vice-President und in dieser Funktion für die Kontakte zu Wirtschaftsanalysten zuständig, einem Experten geschrieben habe, "dass man Ratschläge für Peoplesoft-Anwender betonen sollte, die klarmachen, dass es sinnvoll sei, sich mit Investitionen in Peoplesoft-Produkte zurückzuhalten, bis die Übernahmeofferte in der einen oder anderen Weise beendet ist."

Gemeint war offensichtlich ein Gartner-Analyst. Der bei dem Marktforschungs- und Beratungshaus angestellte Jeff Comport sah sich darauf genötigt zu betonen, sein Unternehmen sei unabhängig.

Neben diesem neuerlichen Scharmützel hatte Peoplesoft Oracle eine weitere Hürde in den Weg gelegt. Kurz nach dem erstmaligen Kaufangebot hob Peoplesoft ein so genanntes "Kunden-Absicherungs-Programm" aus der Taufe. Darin garantierte das Unternehmen seinen Abnehmern bei Neuabschlüssen die Rückerstattung des Kaufpreises, wenn im Falle einer Übernahme das betroffene Produkt eingestellt wird. Oracle könnte dieses Angebot teuer zu stehen kommen: 391 Millionen Dollar würde es Ellison kosten, wenn er für diese Verpflichtung gegenüber Peoplesoft-Kunden einstehen müsste.

Unabhängig von dem Schlagabtausch zwischen der Ellison- und Conway-Company soll die Fusion zwischen Peoplesoft und J.D. Edwards noch diese Woche vollendet werden. Am 4. September planen die beiden dann vereinten Unternehmen ein Analystentreffen, in dem die 1,8-Milliarden-Dollar-Fusion dargelegt und die Prognosen und Zukunftsoptionen des Gemeinschaftsunternehmens erklärt werden sollen. (jm)