Oracle kauft sich in vertikale Märkte ein

09.08.2005
Larry Ellison setzt seine Einkaufstour fort. Nach dem Einzelhandelsspezialisten Retek übernimmt Oracle jetzt die auf Bankensoftware fokussierte i-Flex.
Über zwei Drittel der 35 befragten europäischen Bankhäuser wollen in den nächsten Jahren ihre Kernapplikationen erneuern.
Über zwei Drittel der 35 befragten europäischen Bankhäuser wollen in den nächsten Jahren ihre Kernapplikationen erneuern.

Oracle will bis zu 61 Prozent an dem auf Anwendungssoftware für Banken spezialisierten indischen Softwareanbieter i-Flex übernehmen. Einig ist sich der Datenbankspezialist bereits mit der Citigroup Venture Capital International über den Kauf eines Anteils von 41 Prozent. 593 Millionen Dollar legt Oracle dafür auf den Tisch. Zusätzliche 316 Millionen Dollar wollen die Verantwortlichen im Firmenhauptquartier in Redwood Shores in die Hand nehmen, um weitere 20 Prozent im freien Aktienhandel zu erwerben und damit die Kontrolle über das indische Softwarehaus zu erlangen. Insgesamt lässt sich Oracle-CEO Lawrence Ellison i-Flex und damit eine stärkere Präsenz im Bankengeschäft über 900 Millionen Dollar kosten.

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"i-Flex ist die heißeste Software-Company im Bankensektor", freute sich Ellison über den Deal. Die Branche sei eine strategisch wichtige Industrie. Neun der zehn führenden Banken weltweit würden bereits Oracle-Applikationen einsetzen. Ziel sei es jedoch, diesen Kunden nicht nur betriebswirtschaftliche Standardlösungen anzubieten, sondern verstärkt auch branchenspezifische Funktionen mit der eigenen Software abzudecken. I-Flex sei der Schlüssel dafür, so die Erwartung Ellisons.

I-Flex zählt rund 575 Finanzinstitute in 115 Ländern zu seinen Kunden, darunter Schwergewichte wie die Citigroup, UBS und die Deutsche Bank. Etwa 5500 Angestellte arbeiten weltweit für das indische Softwarehaus. Das Unternehmen wurde 1985 innerhalb des Citigroup-Konzerns gegründet und 2002 im Rahmen eines Spinoff an die Börse von Bombay gebracht. Im Ende März abgeschlossenen Geschäftsjahr 2005 steigerten die Inder ihren Umsatz im Vergleich zum vorangegangenen Fiskaljahr um 44 Prozent auf 262 Millionen Dollar. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von über 53 Millionen Dollar nach einem Profit von 41 Millionen Dollar im Geschäftsjahr 2004.

Oracle will die bestehende Organisation von i-Flex vorerst nicht antasten. Chairman Rajesh Hukku und sein Management-Team sollen das Softwarehaus auch in Zukunft leiten. Ob dies im Sinne Oracles geschieht, darüber wacht Oracle-President Charles Phillips, der künftig im Aufsichtsrat des im indischen Mumbai beheimateten Unternehmens sitzen wird.

"Das Timing ist perfekt, weil viele Finanzinstitute derzeit über einen Wechsel von ihren Individuallösungen hin zu Standardsoftware nachdenken", warb Phillips für den Deal. In dieser Branche gebe es jede Menge zu automatisieren.

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Der Oracle-Manager gilt als Treiber hinter den jüngsten Akquisitionen des Datenbankspezialisten. Allein acht Übernahmen hat es im laufenden Jahr gegeben. Oracle plant Phillips zufolge, seine Organisation stärker an vertikalen Industrien auszurichten. Mit Hilfe von Akquisitionen sollen die eigenen Produkte stärker an bestimmte Branchen angepasst und damit der Marktanteil in diesen Segmenten ausgebaut werden.

Welche Industrien Phillips dabei konkret ins Visier nehmen wird, wollten die Oracle-Manager noch nicht verraten. Zuletzt war die Rede von acht Branchen. Zwei davon dürften nach den zurückliegenden Übernahmen klar sein. Neben der jüngsten Offensive im Bankensektor will Oracle mit den Käufen von Retek und Profit Logic sein Standing im Markt für Handelslösungen verbessern.

Mit der aggressiven Einkaufspolitik möchte Oracle gegen den Branchenprimus SAP Boden gutmachen. Oracle müsse diese Strategie weiterverfolgen, um seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber SAP zu festigen, meint David Mitchell, Analyst bei Ovum. Es gebe zwei Wege, um die eigene Branchenkompetenz auszubauen: selbst Lösungen entwickeln oder zukaufen. "Die Entwicklung dauert jedoch länger."

Jim Shepherd, Analyst von AMR Research, bezeichnete den jüngsten Oracle-Zukauf als geschickten Schachzug. Der Bankensektor biete Softwareanbietern großes Potenzial, da viele Finanzinstitute noch weit von Standardlösungen entfernt seien. Allerdings sei es nicht einfach, diesen Markt zu adressieren, da die meisten Unternehmen noch Eigenentwicklungen im Einsatz hätten. Oracle gewinne mit dem Zukauf von i-Flex zusätzliche Reputation. (ba)