Oracle gewinnt das Rennen um Retek

22.03.2005
Für 11,25 Dollar je Aktie hat Oracle den Zuschlag für den Anbieter von Software für den Handel erhalten. SAP will kein neues Gebot vorlegen.

Nachdem Lawrence Ellison zu Beginn des Jahres nach mehrmonatigem Kampf die Peoplesoft-Übernahme feiern konnte, triumphiert der Oracle-Chef nun zum zweiten Mal. Mit einem Preis von 11,25 Dollar je Aktie sticht der Datenbankspezialist SAP im Rennen um das US-amerikanische Softwarehaus Retek aus. Damit lässt sich Ellison den Spezialisten für Retail-Lösungen rund 643 Millionen Dollar kosten. Die Walldorfer hatten zuletzt elf Dollar je Retek-Papier geboten. Nachdem sich Oracle und Retek handelseinig sind, hat SAP seine Übernahmeabsichten aufgegeben.

Die Fusionspartner haben bereits ihre Unterschriften unter einen verbindlichen Übernahmevertrag gesetzt, heißt es in der Erklärung weiter. Oracle sei die Nummer eins in Sachen Business-Applikationen in Nordamerika, behauptet Ellison. "Wir beabsichtigen diese Führungsposition weiter auszubauen." Die Fusion mit Retek sei ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Außerdem stärke der Deal Oracles Position im weltweiten Markt für Geschäftsanwendungen für den Retail-Bereich.

Der Kauf könnte sich als kostspieliger erweisen, als Retek eigentlich wert sei, kritisiert indessen Charles DiBona, Analyst von Sanford D. Bernstein & Co. Das Verhalten Ellisons deute auf mangelnde Geschäftsdisziplin. Der Oracle-Chef solle mehr auf das Wohl seiner Aktionäre und Investoren achten und nicht jeden Deal um jeden Preis durchsetzen. Diese Strategie sei riskant.

SAP denkt erstmal an die Kosten

Die SAP-Verantwortlichen führen ihre Verantwortung für Investoren und Aktionäre als Grund für den Ausstieg an. Elf Dollar sei das letzte und beste Angebot, hatten die Walldorfer im Vorfeld bekräftigt. "Die eigene Merger-Strategie muss zu einem Preis geschehen, der der guten finanziellen Performance der SAP keinen Schaden zufügt", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. Von einem weiteren Bieterkampf hätten weder die Investoren noch die Kunden im Segment Handel profitiert, erläutert SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann. SAP ziehe deshalb sein öffentliches Übernahmeangebot zurück und werde alle bereits eingereichten Aktien zurückgeben.

Das Retek-Management hatte offenbar keine Skrupel, SAP den Laufpass zu geben und Oracle die Hand zu reichen. "Wir glauben, dass das Oracle-Angebot ein gutes Geschäft für die Retek-Aktionäre bedeutet", versicherte Marty Leestma, President und Chief Executive Officer (CEO), seinen Aktionären. Daher empfehle der Vorstand, das Angebot anzunehmen.

Letztendlich ging es den Retek-Verantwortlichen nur um den Preis. Noch vor wenigen Tagen hatte Retek das SAP-Angebot im gleichen Wortlaut empfohlen: "Wir glauben, dass das SAP-Angebot ein gutes Geschäft für die Retek-Aktionäre bedeutet." SAPs Vorstandssprecher Henning Kagermann hatte am 17. März sein Angebot von 8,50 auf elf Dollar je Aktie erhöht, nachdem sich Oracle zwischenzeitlich mit einem Gebot von neun Dollar an den Walldorfern vorbeigedrängt hatte. Doch die Offerte war noch keine 24 Stunden alt, da zog Ellison mit einem Gebot von 11,25 Dollar erneut an SAP vorbei. Um seine Ambitionen zu untermauern, hatte Oracle zudem in den vorangegangenen Wochen rund 5,5 Millionen Retek-Anteile aufgekauft und sich damit bereits einen Anteil von rund zehn Prozent gesichert.

Nur der Preis zählt

Das Retek-Management werde unter großen Druck seitens der Aktionäre geraten, wenn es weiter für das SAP-Angebot optiere, orakelte zum damaligen Zeitpunkt bereits Paul Crispi, Managing Director der Investment-Bank Jefferies & Co. Vom rein finanziellen Standpunkt aus gesehen, gebe es dafür keine Argumente.

Auch technisch habe eine Verbindung zwischen Oracle und Retek mehr Sinn, urteilt Helmuth Gümbel, Analyst von Strategy Partners. Die Retek-Lösung sei mit Oracle-Tools entwickelt worden. Außerdem hätten die Kunden eine hohe Affinität zu Oracle. Als Problem für SAP hätte sich laut Gümbel der hohe Grad des Customizing erweisen können: Die Systeme der Bestandkunden seien so weitgehend individuell angepasst worden, dass sie sich untereinander kaum ähnelten. Die Pflege der Kundschaft sei sehr aufwändig. Wie Oracle diese Probleme angehen wird, bleibt abzuwarten.

Rivalität nimmt zu

Nach Einschätzung von Scott Langdoc, Analyst von AMR Research, ging es um mehr als nur um Retek. In dem Bieterstreit sei die wachsende Rivalität zwischen SAP und Oracle im weltweiten Geschäft mit Business-Applikationen zum Ausdruck gekommen. Aus technischer Sicht sei eine Retek-Übernahme für Oracle wichtiger. Die Softwareschmiede aus Redwood Shores verfüge über keine Retail-Funktionen in ihrer E-Business-Suite. Mit der Akquisition könnte sie dieses Loch stopfen und zugleich ihre Datenbankinfrastruktur in diesem Marktsegment schützen. Für SAP wäre die Übernahme dagegen aus dem Blickwinkel der weltweiten Marktausdehnung interessant gewesen.

"Lösungen für Groß- und Einzelhandelsunternehmen genießen weiterhin eine hohe Priorität bei SAP", versicherte Kagermann. Außerdem verfüge man über langjährige Erfahrung in der Entwicklung und Vermarktung von Lösungen für den Groß- und Einzelhandel. Die Geschäfte in diesem Segment liefen jedoch eher durchwachsen, räumte der SAP-Chef vor kurzem noch ein. Nach der geplatzten Retek-Übernahme werden die Walldorfer nach anderen Optionen suchen müssen, um ihrem Retail-Geschäft neuen Schwung zu geben.

Aufwandsentschädigung für SAP

SAP sollte nicht allzu enttäuscht sein, rät David Bradshaw, Analyst von Ovum. Oracle habe Retek nötiger gebraucht als SAP. Außerdem habe das deutsche Softwarehaus seinen US-amerikanischen Konkurrenten zwingen können, einen hohen Preis zu zahlen.

Versüßt wird den badischen Softwerkern die Niederlage durch einen Scheck aus Minneapolis. Da das Retek-Management auch mit SAP eine verbindliche Fusionsvereinbarung unterschrieben hatte, wird nun eine Vertragsstrafe in Höhe von 25 Millionen Dollar fällig. Geld, das SAP in seinen nächsten Übernahmeversuch stecken kann, sofern nicht wieder Oracle dazwischenfunkt. Denn in einem Punkt sind sich die Analysten einig. Die Konsolidierungswelle unter den Anbietern für Business-Applikationen wird ungebremst weiterrollen.