Web

Oracle-E-Mails enthüllen angeblich Tricks beim Übernahmescharmützel von Peoplesoft

29.08.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Oracles Chef Larry Ellison ist bekannt für seine gediegenen Anzüge und seinen Geschmack für Inneneinrichtungen. Mit einem Wort: Man würde ihm Stil nicht absprechen. Was in der Auseinandersetzung zwischen seinem Unternehmen und Peoplesoft im Zuge der Oracle-Übernahmeofferte jetzt ans Tageslicht zu kommen scheint, liest sich dagegen ein wenig hässlicher. Danach legen von Peoplesoft vor Gericht in Auszügen vorlegte E-Mails nahe, dass die Ellison-Company bei ihren Fusionsplänen billigend in Kauf genommen hat, Peoplesoft-Kunden zu verunsichern und den Übernahmekandidaten wirtschaftlich zu schädigen. Oracle bestreitet dies heftig. Ein Gerichtstermin für die Peoplesoft-Klage ist bislang noch nicht angesetzt.

Peoplesoft hatte früher im August eine Klage gegen Oracle eingereicht. In dieser beschuldigte der ERP- und HR-Anbieter die Ellison-Company, mit dem im Juni lancierten Übernahmeangebot von zunächst 7,3 Milliarden Dollar nicht nur den Kauf von Peoplesoft in die Wege leiten, sondern vielmehr das Konkurrenzunternehmen schädigen zu wollen, indem dessen Kunden ob der Fusionspläne verunsichert werden sollten. Außerdem plante, so der Klagetenor, Oracle die Fusion zwischen Peoplesoft und J.D. Edwards zu hintertreiben. Der Klage fügte Peoplesoft E-Mails von teils hochrangigen Oracle-Managern bei, die vor Gericht aber anscheinend nur in Auszügen präsentiert wurden.

In der seit den ersten Fusionsabsichten mit harten Bandagen geführten Übernahmeschlacht zwischen Oracle und Peoplesoft - hier dürften persönliche Animositäten zwische Ellison und seinem ehemaligen Angestellten und jetzigen Peoplesoft-Chef Craig Conway eine nicht unwichtige Rolle spielen - führt Peoplesoft nun E-Mails in die Debatte ein, die Oracle in ein schlechtes Licht tauchen. Unter anderem habe ein Oracle-Manager geschrieben: "Wir haben Peoplesoft auf jeden Fall einen Schlag zugefügt." Diese elektronische Post datiert vom Tag nach der ersten Übernahmeofferte im Juni. "Selbst wenn unser Angebot keinen Erfolg zeitigen sollte, wird Peoplesoft Zeit brauchen, sich hiervon zu erholen."

Außerdem hatte sich Oracle anlässlich seiner ersten Offerte dahingehend geäußert, man werde die Peoplesoft-Anwendungen in die Oracle-Suite integrieren beziehungsweise auslaufen lassen. Diese Aussage hatte zu heftigen Protesten bei der Peoplesoft-Kundschaft geführt. Oracle sah sich in der Folge gezwungen, diese Ankündigung zu revidieren. Jetzt von Peoplesoft präsentierte E-Mails zeichnen ein anderes Bild des Vorgangs: Danach schrieb Oracles Vice President Safra Catz in einer internen E-Mail: "Wir werden die Peoplesoft-Produktlinie definitiv nicht fortsetzen."

Oracle beeilte sich, diese Darstellung zu konterkarieren. Alle E-Mail-Passagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Dazu habe man auch einen Antrag bei Gericht gestellt, dass der gesamte elektronische Postverkehr in Gänze dargestellt wird und nicht nur Passagen veröffentlicht werden. Jim Finn, Oracles Pressesprecher, sagte: "Es ist in diesem Zusammenhang schon wichtig anzumerken, dass Oracle die Anwürfe von Peoplesoft und die angeblichen Beweise im Ganzen präsentiert sehen wollte. Wir haben nämlich nichts zu verbergen." Angesprochen auf die Catz-E-Mail sagte Finn, tatsächlich habe sich der Manager nur über die Chancen geäußert, die Oracle durch eine Übernahme von Peoplesoft gewinnen würde. Würde man zudem die zitierte Passage im richtigen Kontext lesen, stellte man fest, dass Oracle sehr wohl ausgedrückt habe, die Produktlinie von Peoplesoft nicht nur fortzuführen, sondern sogar weiterzuentwickeln.

Peoplesoft hat in seiner Klage auch einige Fälle benannt, in denen Kunden von Investitionen in Peoplesoft-Produkte Abstand nahmen, seit die Oracle-Offerte publik wurde. Allerdings sind diese alle nicht genau spezifiert, die Kundennamen zudem nicht genannt. Ein Auftragsmoratorium wurde allerdings im Detail ausgeführt: Der Verwaltungsbezirk von Los Angeles hat ein 100 Millionen Dollar schweres Software-Projekt mit Peoplesoft zunächst auf Eis gelegt. Grund hierfür seien die Unsicherheiten bezüglich der Zukunft von Peoplesoft-Produkten, seit Oracles Übernahmeangebot veröffentlicht wurde.

Das erstmals im Juni 2003 veröffentlichte Übernahmeangebot von Oracle belief sich auf 16 Dollar pro Peoplesoft-Anteil und erhöhte sich seitdem auf 19,5 Dollar. Auch die Laufzeit der Offerte verlängerte sich mehrfach. Mittlerweile ist das Angebot auf den 19. September terminiert. Bis zum 8. August 2003 wurden allerdings erst zehn Prozent der Peoplesoft-Anteile für eine Oracle-Übernahme zur Disposition gestellt.

Brisant ist auch der Vorwurf von Peoplesoft, Oracle habe versucht, Industrieanalysten bezüglich der Übernahme zu beeinflussen. Aus den dem Gericht vorgelegten Dokumenten werde deutlich, dass Peggy O'Neill, Oracle-Vice-President und in dieser Funktion für die Kontakte zu Wirtschaftsanalysten zuständig, einem Experten geschrieben habe, "dass man Ratschläge für Peoplesoft-Anwender betonen sollte, die klarmachen, dass es sinnvoll sei, sich mit Investitionen für Peoplesoft-Produkte zurückzuhalten, bis die Übernahmeofferte in der einen oder anderen Weise beendet" ist. Gemeint war offensichtlich ein Gartner-Analyst. Zumindest unterstrich der bei dem weltweit führenden Unternehmensberater angestellte Jeff Comport, sein Unternehmen sei unabhängig.

Neben diesem neuerlichen Scharmützel hat Peoplesoft eine weitere Hürde für Oracles Übernahmepläne aufgebaut beziehungsweise erneuert. Kurz nach dem erstmaligen Kaufangebot von Oracle hatte Peoplesoft ein so genanntes "Kunden-Absicherungs-Programm" aus der Taufe gehoben. Darin versicherte die Conway-Firma seinen Kunden, dass jeder Peoplesoft-Klient, der Softwareprodukte von Peoplesoft gekauft hat, eine Rückerstattung des Kaufpreises erhält, wenn im Falle einer Übernahme dieses Produkt eingestellt wird. Oracle könnte dieses Angebot teuer zu stehen kommen: 391 Millionen Dollar würde es Ellison kosten, wenn er für diese Verpflichtung gegenüber Peoplesoft-Kunden einstehen müsste.

Unabhängig von dem Schlagabtausch zwischen der Ellison- und Conway-Company soll die Fusion zwischen Peoplesoft und J.D.Edwards noch diese Woche vollendet werden. Am 4. September planen die beiden dann vereinten Unternehmen ein Analystentreffen, in dem die 1,8-Milliarden-Dollar-Fusion dargelegt und die Prognosen und Zukunftsoptionen des Gemeinschaftsunternehmens erklärt werden sollen. (jm)