Datenbankspezialist will Telekom bei NC-Vermarktung einspannen

Oracle-Chef Ellison verspricht dem Internet-PC goldene Zeiten

14.06.1996

Großer Bahnhof war vergangene Woche in Frankfurt am Main angesagt: Vor mehreren hundert Zuhörern breitete Oracle-Chef Larry Ellison seine Vision von der künftigen Informationsgesellschaft aus. Die Hauptrolle spielt dabei der von Oracle - als künftige Alternative zum herkömmlichen PC - federführend konzipierte NC, der auf der Basis eines einheitlichen, auf Suns Internet- Programmiersprache Java basierenden Referenzprofils einen offenen Markt für Internet-PCs gewährleisten soll. Vor gut drei Wochen hatte Oracle hierzu eine Allianz aus rund 30 Firmen, darunter Apple, IBM, Netscape und Sun, auf die Beine gestellt (siehe CW Nr. 21 vom 24. Mai 1996, Seite 1: "Das Internet-Bündnis gegen Microsoft steht").

NC soll Microsofts Vorherrschaft brechen

Der NC-Standard samt Software-Angeboten soll Ellison zufolge das Quasi-Monopol von Intel bei Prozessoren und Microsofts Vormachtstellung bei PC-Software und -Betriebssystemen brechen. Die Monopolstellung von Microsoft sei "für niemanden von Vorteil, außer für Bill Gates", gab sich der Oracle-Chef kämpferisch.

Ellison geht davon aus, daß bereits im Jahr 2000 mehr NCs als herkömmliche PCs verkauft werden. In den nächsten zehn Jahren dürfte mehr als eine Milliarde Geräte produziert werden. Bereits Ende des Jahres sollen die ersten Internet-Computer serienreif sein und zunächst in Asien, den USA und Japan vermarktet werden. Europa folgt mit der NC-Markteinführung etwas später. Bei den zu erwartenden Geschäftsaussichten für sein Unternehmen gab sich der Oracle-Chef eher bedeckt und sprach lediglich von einem "Millionen-Dollar-Markt". Dabei wolle man sich auf seine Stärken als Softwarelieferant konzentrieren und nicht etwa als "Content- Provider" auf den Plan treten.

Als potentielle NC-Einsatzgebiete sieht Ellison nicht nur das professionelle Umfeld, sondern durchaus auch die privaten Haushalte. Der NC sei in seiner jeweiligen Version als PC, Set- top-Box oder Bildtelefon unabhängig von der jeweiligen Netzinfrastruktur und könne mit einem Glasfaser-Backbone, einer ISDN-Leitung oder aber einem 28,8-Kbit/s-Modem verbunden werden. Gleiches gelte für die Unterstützung von Komprimierungstechniken. Als Killeranwendung für den NC dürfte sich aber, so der Oracle- Chef, "eine neue Art multimediale E-Mail" und beileibe nicht das Surfen im World Wide Web herauskristallisieren.

Aus der Tatsache, daß vor allem die Verbreitung von interaktiven Diensten im privaten Massenmarkt für den Siegeszug eines abgespeckten Multimedia-PCs wichtig ist, machte Ellison keinen Hehl. Besonders stolz sei man daher, daß sich mit Bell Canada, British Telecom (BT) und France Télécom bereits drei renommierte internationale Netzbetreiber der NC-Allianz angeschlossen haben. In Deutschland liebäugelt der Oracle-Chef ganz offen mit einer Kooperation mit der Deutschen Telekom AG. Allerdings sei man in den Gesprächen noch zu keiner festen Vereinbarung gekommen, hieß es. Gerüchte, wonach es auch Kontakte zu Vebacom gibt, wollte man bei Oracle nicht kommentieren.