Optimieren, simulieren

19.10.1977

Man sitzt am Rhein und schaut auf den Rhein und trinkt den Wein vom Rhein und freut sich, daß die frische Nordwest-Brise das Wasser stromaufwärts kräuselt. Und da die Alltagsgedanken wiederkommen, schmunzelt man, daß Computer wenigstens nie die Details der kleinen Schaumkronen berechnen können, zumal da Wellen eines Schleppzuges alles durcheinanderbringen.

Indes, was wird nicht alles schon berechnet. Eben die Einsatzplanung dieser Riesenschleppzüge erfolgt durch ein aufwendiges Simulations-Programm, das Wartungsintervalle, Lastanfall, Strömungsgeschwindigkeit und vieles mehr in ein Optimierungskalkül für Schubschiffe und Schuten einbezieht; wie schon vor Jahren in den IBM-Nachrichten beschrieben wurde.

Immer mehr intelligente Anwender

Die Zigarettenwerbung der Marke auf dem Tisch, so war kürzlich in "werben & verkaufen" zu lesen, wurde durch ein intelligentes Media-Planungs-Programm gestreut, die optimale Farbabstimmung zuvor durch Marktforschung-Panels und soziographische Auswertungsverfahren ermittelt. Die Tourenplanung für die gerade anfahrende Peer-Auslieferung stammt von einem Fuhrpark-Optimierungs-Programm. Das Restaurant hat eine elektronische Kasse als Input für vermutlich komplizierte Verfahren der Ermittlung von Umschlagshäufigkeiten und der Bestimmung von Lagerbeständen. Bezahlt wird per Kreditkarte, auch hier wird wohl nicht nur abgerechnet, sondern Auswertungen folgen nach Verfahren des Operations Research. Das Bild In der Illustrierten konnte mit Hilfe einer Thesaurus-Abfrage aus einer Datenbank für nichtformatierte Informationen ausgewählt worden sein. Im Supermarkt, wo die Illustrierte gekauft wurde, werden die Regale und Truhen nach Intelligenten OR-Programmen umsatzmaximierend bestückt.

Das Labor-Schiff auf dem Rhein macht per Prozeßrechner an Bord Vorverarbeitung für weitere Auswertungen mit komplizierten Zeitreihen aus Datenbeständen und intelligenten Analyse-Programmen.

Bewußtseins-Spaltung

Fehlt nur noch, daß an der Wand eine Computer-Grafik hinge. Aber dort prangt ein röhrender Hirsch. Und die Mitmenschen wissen mittlerweile, daß man Computer nicht mehr mit "K" schreibt - und sonst über die elektronische Hexenkunst immer noch so gut wie gar nichts. Selbst DV-Fachleuten wird erst allmählich klar, daß die Datenverarbeitung rundum einen qualitativen Sprung macht von der reinen Abrechnungsarbeit hin zu immer mehr intelligenten Anwendungen. Zunehmend wird per Computer optimiert, disponiert, manipuliert, simuliert und eben nicht mehr nur fakturiert.

Gute Operations Research-Fachleute - lange Zeit brotlose Künstler - sind heute gefragt wie einst gute Programmierer. Während die totale Computerisierung im Abrechnungs-Technischen fortschreitet, kommt ein zweiter Schub von Anwendungen auf erhöhtem organisationstechnischem Niveau. So wird, was lange Zeit Zukunftsmusik war, langsam Alltagsmelodie. Intelligente Anwendungen sind bereits vielfältig um uns - und daraus ergeben sich Konsequenzen für die DV-Praktiker, denn wenn die Konkurrenz beginnt, kommt der Druck, bald nachziehen zu müssen.

Auf dem Rhein kräuseln sich Wellen. In der Blasenkammer-Elementarteile-Physik wurden mittlerweile Verfahren entwickelt, mit denen vermutlich auch die Bewegung der Rheinwellen determiniert werden konnte - wenn man nur wollte.