Daimler-Benz akquiriert weiter im IT-Bereich

OPG-Beteiligung soll Lücke im Debis-Angebot schließen

19.07.1991

HAMBURG (qua) - Ernst zu nehmende Konkurrenz für SAP in Sicht: Die zum Daimler-Benz-Konzern gehörende Debis Systemhaus GmbH, Stuttgart, will bis Ende 1993 eine rechnerunabhängige integrierte Lösung auf die Beine stellen. Wie sie jetzt auf einer Pressekonferenz in Hamburg bekanntgab, erwarb sie einen Anteil von 83,4 Prozent an der Organisationspartner GmbH (OPG), Bad Oldesloe, einem 80 Mitarbeiter starken Anbieter kommerzieller Anwendungspakete.

Niemand sprach sie aus, die drei Buchstaben, die für die unangefochtene Nummer eins auf dem deutschen Standardsoftware-Markt stehen. Aber es gab keinen Zweifel, wer gemeint war, als Günter Wilkes, bei der Systemhaus GmbH für den Geschäftsbereich industrielle Systeme und Projekte zuständig, eine "echte Alternative zum dominierenden Wettbewerber" in Aussicht stellte: In der IBM-370-Welt und auf den BS2000-Systemen von Siemens sind die integrierten Pakete der SAP AG, Walldorf, aufgrund ihres Verbreitungsgrades tatsächlich fast ein Standard.

Anders sieht es allerdings im Unix-Bereich aus; hier warten die SAP-Kunden bereits seit Jahren auf das versprochene "R/3"-System. Diese Vakanz könnten das Debis-Systemhaus und die OPG besetzen, wenn ihr ehrgeiziges Vorhaben gelingt: Bis zum Ende des übernächsten Jahres wollen sie aus dem gemeinsamen Bestand an Anwendungspaketen eine modular aufgebaute, integrierte Lösung geschmiedet haben, die nicht nur in einer MVS/DB2-Umgebung läuft, sondern auch in einer auf Unix und SQL basierenden rechnerunabhängigen Version zur Verfügung steht.

Dazu ist laut Wilkes ein komplettes Neudesign der Softwareprodukte notwendig. An diesem Projekt, das den Arbeitstitel "Leo" trägt, wird bereits gearbeitet - sowohl bei OPG in Bad Oldesloe als auch im Friedrichshafener Debis-Labor. Zunächst sollen jedoch die Anwendungssysteme der OPG sowie die auf der Debis-Seite vorhandenen PPS-Systeme "Cimos" und "Profis" durch gemeinsame Schnittstellen verbunden werden.

An die Profis-Rechte gelangte das Debis Systemhaus, als es der SAP im vergangenen Jahr die Dataring GmbH, Fellbach, quasi vor der Nase wegschnappte (siehe CW Nr. 5 vom 1. Februar 1991, Seite 12: "Aus heiterem Himmel anders entschieden"). Damals ahnte wohl kaum jemand, weshalb die kleine schwäbische Softwareschmiede zum Zankapfel zweier bedeutender Unternehmen wurde.

Genau genommen ist OPG "die erste Enkeltochter" (Wilkes) des Debis-Systemhauses; nicht der Debis-Ableger selbst, sondern dessen Tochter Systemhaus Industrie GmbH (SHI), trat als Käuferin auf. Im Einklang mit der Corporate Identity des Gesamtunternehmens werden die schleswig-holsteinischen Softwerker künftig als "Systemhaus OPG GmbH" firmieren.

Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter Klaus Hagen rechnet für das laufende Jahr mit Einnahmen in Höhe von 13 Millionen Mark, was eine nur unwesentliche Steigerung gegenüber dem 1991 erzielten Umsatz von rund 12,5 Millionen Mark bedeutet. Die Belegschaft soll bis zum Jahresende um fünf bis zehn Mitarbeiter wachsen.

Seit sie sich vor drei Jahren durch einen Buy-out von der Hako-Werke GmbH & Co., Bad Oldesloe, getrennt hat, war die OPG, so Hagen, auf der Suche nach geeigneten Partnern. "Wir bieten nur einen Teil einer Lösung an", erläuterte der OPG-Geschäftsführer; die Kundschaft hingegen frage zunehmend Komplettlösungen nach.

Bis vor kurzem hatten die Nordlichter noch wegen einer Kooperation mit einigen Unternehmen gleicher Größenordnung verhandelt, darunter die Heyde + Partner GmbH, Bad Nauheim. Die Entscheidung für den starken Partner aus Stuttgart fiel laut Hagen erst zu Beginn dieses Jahres.

Welchen Preis die Systemhaus Industrie GmbH für die OPG-Beteiligung zahlen mußte, wollten weder Wilkes noch der SHI-Geschäftsführer Peter Rode mitteilen. Sie gaben lediglich bekannt, daß das Grundkapital des norddeutschen Unternehmens von derzeit 700 000 auf zwei Millionen Mark aufgestockt werden soll.