Konzentration im Markt für Content-Management setzt sich fort

Open Text kauft Gauss Interprise

05.09.2003
MÜNCHEN (as) - Die Fusionswelle im Markt für Content-Management hat nun auch die Gauss Interprise AG erreicht. Für elf Millionen Dollar in bar geht das Hamburger Softwarehaus voraussichtlich an den kanadischen Konkurrenten Open Text.

"Gauss zu verkaufen, war eine vom Aufsichtsrat forcierte Exit-Strategie, nachdem die Zahlen nicht mehr stimmten", kommentiert Peter O''Neill, Director Consultant bei der Meta Group in Deutschland, die Übernahme. Die Hamburger hatten sich mit ihrer Lösung für Web-Content-Management "Gauss VIP" sowie Software für Integrated Document and Output Management (IDOM) etabliert und zählten zuletzt mehr als 1000 Kunden. Rund 40 Prozent des Umsatzes stammte aus dem Finanzdienstleistungs-Umfeld.

Finanziell war das auf die Standorte Hamburg und Irvine, Kalifornien, verteilte Geschäft jedoch in Schieflage geraten. So fiel im ersten Halbjahr 2003 der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 40 Prozent von 8,4 Millionen auf fünf Millionen Euro.

Zwar meldete die US-Tochter, die 58 Prozent zum Umsatz beisteuerte, das siebte Quartal in Folge einen operativen Gewinn, doch musste Gauss in der Region Europa, Naher Osten und Asien nach wie vor einen Betriebsverlust verbuchen. Immerhin sank der Nettofehlbetrag im Jahresvergleich von 10,2 Millionen auf 6,1 Millionen Euro, die Finanzreserven schrumpften aber von fünf Millionen auf 1,1 Millionen Euro.

"Sie hatten eigentlich keine Chance mehr, weiterzumachen", urteilt O''Neill. Vor allem die Übernahme des US-Anbieters von Workflow- und Content-Management-Technik Magellan vor drei Jahren habe die Hamburger überfordert. Die Produktlinien und die Firmen seien bis heute kaum integriert worden, und das US-Management habe sich schnell abgesetzt. Die Folge war, dass Gauss VIP kaum in den USA und Magellan kaum in Europa verkauft wurde. Bei Gauss in Hamburg mochte man sich zu den Hintergründen nicht äußern.

Open Text expandiert

Anders ist derzeit die Lage beim Käufer Open Text aus dem kanadischen Waterloo: Mit der Produktsuite für Knowledge-Management und Collaboration "Livelink" erwirtschaftete das Unternehmen im letzten Geschäftsjahr (Ende: 30. Juni 2003) ein Umsatzplus von 15 Prozent auf 117 Millionen US-Dollar und einen Nettogewinn (bereinigt) der um 33 Prozent auf 28,2 Millionen US-Dollar stieg. Barreserven von rund 100 Millionen Dollar erlauben es, die seit Jahren betriebene Expansion über Zukäufe fortzusetzen. Um sich auf Dauer gegen Konkurrenten wie IBM, Documentum, Filenet oder Oracle zu behaupten, die sich ebenfalls durch Zukäufe stärken, sollte der Hersteller aber mehr auf Partnerschaften und Marktpräsenz setzen, so der Kommentar der Marktforscher von Ovum.

Der jetzt angekündigte Deal kommt zustande, wenn Open Text über seine Tochter 2016090 Ontario Inc. mehr als 75 Prozent der Gauss-Aktien erhält. Nach Absprachen mit Aktionären habe man bereits die Besitzer von 73 Prozent der Anteile überzeugt. Anlässlich einer Pressekonferenz erklärten Firmenchef Tim Jenkins von Open Text und Ron Vangell von Gauss, dass die bereits begonnene Integration ihrer Produkte zu einer umfangreichen Suite für Enterprise Content-Managements führen werde. So gewinne Open Text Workflow-Technik und IDOM-Software hinzu und werde dank des Produkts "Content Manager" von Gauss zusätzliche Funktionen für das Verwalten, Bearbeiten und Publizieren von Content erhalten. Die Überschneidungen im Portfolio halten die Manager für gering. Jenkins versprach, alle Produktlinien fortzuführen und im November auf der Hausmesse erste Resultate vorzuzeigen.

Abb: Ähnliches Angebot

Trotz gegenteiliger Aussagen weisen die Produktpaletten Überschneidungen auf. Quelle: Market Leaders Emerging in Enterprise Content Management, Giga Information Group