Kolumne

Open Sun: Zu halbherzig und zu spät?

30.11.2004

Sun hat zwei Grundprobleme: Sparc und Solaris. Dass die eigene Prozessorlinie und das eigene Unix-Derivat gleichzeitig auch die bisherigen Erfolgsgaranten des Unternehmens sind, macht die Sache eher schlimmer als besser. Sich von erfolgreichen Produktreihen zu trennen fällt viel schwerer, als Flops zu beerdigen. Und trotzdem wird Sun genau das tun müssen. Nur wenn sich das Unternehmen von dem erfolgreichen Erbe emanzipiert, genauso auf Intel- und AMD-Chips setzt wie die Konkurrenz und sich langfristig vom eigenen Betriebssystem trennt oder zumindest seine Weiterentwicklung auf eine breitere Basis stellt, kann Sun überleben. Sonst droht die Company unter der Entwicklungslast zusammenzubrechen. Im vergangenen Jahr gab Sun mit 1,9 Milliarden Dollar über 17 Prozent seiner Einnahmen für Forschung und Entwicklung aus. Konkurrenten wie HP bescheiden sich hier mit fünf Prozent, was aber in absoluten Zahlen immerhin noch 3,7 Milliarden Dollar für die Labore ausmacht.

Auch Sun hat offenbar erkannt, dass die Aufwände für Betriebssystem und CPUs in Zeiten der Austauschbarkeit dieser Elemente nicht wieder einspielbar sind. Dafür sprechen zumindest der Versuch, im Lowend auch Server mit Intel- beziehungsweise AMD-Herz unter Linux zu verkaufen sowie Solaris auf x86-Basis anzubieten. Außerdem soll die neue Version des Betriebssystems Solaris 10 unter einer Open-Source-Lizenz herauskommen.

Betreibt Sun das Vorhaben ernsthaft, schlägt das Unternehmen zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen müsste es die Weiterentwicklung nicht mehr allein stemmen, und zum anderen könnte die Verbreitung des Betriebssystems, das in seiner jetzt vorliegenden Version auch auf den Servern von IBM und HP laufen würde, sprunghaft ansteigen.

Trotz allem bleibt die Frage, wie Sun künftig Umsätze erzielen will. Seine Server kann das Unternehmen natürlich weiterverkaufen. Allerdings könnten bestehende und potenzielle Kunden dann auch die Produkte anderer Server-Hersteller wählen, ohne auf Solaris verzichten zu müssen. Und Service? Bisher hat sich Sun trotz neuester Initiativen außerhalb seiner eigenen Welt mit Serviceangeboten à la IBM oder HP sehr schwer getan. Auch im Softwaregeschäft hat die McNealy-Truppe trotz Java, Application-Server, weiterer Middleware und dem Java-Desktop bis dato kaum reüssiert. Sun muss Anwendern und Investoren auf diese Fragen schnell eine überzeugende Antwort geben, sonst hilft dem Unternehmen auch die Befreiung von übergroßen Entwicklungsaufwendungen nicht weiter.