Open-Source-Software/Kostenlos - aber nicht umsonst

Open Source ist keine Bezeichnung für Software vom billigen Jakob

12.02.1999
Von Nils Färber Wer behauptet, Open-Source-Software sei die kostenlose Variante normaler kommerzieller Programme, liegt falsch. Installation, Anpassung, Wartung und Weiterentwicklung fordern durchaus einigen Personaleinsatz. Mittlerweile gibt es auch schon Spezialanbieter für diese Aufgaben.

Da bieten große Softwarehersteller Pakete zu Preisen an, die einem die Tränen in die Augen treiben - dabei gibt es für viele Aufgaben vergleichbare Anwendungen kostenlos. Daß dies so manchen Entscheidungsträger verunsichert, ist nicht verwunderlich. Warum sollte jemand eine Software schreiben, mit der andere viel Geld verdienen, diese aber kostenlos und auch noch mit Sourcecode zur Verfügung stellen? Und was kann man von einer solchen Software erwarten?

Vor mehr als 15 Jahren vertrat eine kleine Gruppe von Programmierern die Ansicht, Software müsse jedermann zugänglich sein. Die von Richard Stallman gegründete Free Software Foundation (FSF) brachte zuerst ein Entwicklungswerkzeug heraus, von dem der heute sehr beliebte GNU-C-Compiler abstammt. Es folgten einige andere unter Unix übliche Werkzeuge.

Das alles wurde unter einer freizügigen Lizenz, der GNU Public License (GPL), in Form von Sourcecode öffentlich zur Verfügung gestellt. Ein vorrangiges Ziel der GPL besteht darin, zu verhindern, daß jemand ein Produkt der FSF in ein kommerzielles Produkt umwandeln kann. Die GPL gestattet aber ausdrücklich dessen kommerzielle Nutzung.

Seit solche Programme existieren, fühlten sich viele DV- Spezialisten motiviert, neue Ideen, Technologien, Trends und eigene Wünsche zu verwirklichen. Entsprechend vielfältig sind die Programme aus dem GNU-Projekt. Zudem war es den Benutzern möglich, den Entwicklern direkt Wünsche, Anregungen und Kritik mitzuteilen. Und nicht selten fanden sich diese Verbesserungen in den folgenden Versionen.

Der Internet-Boom hat die Zahl der mehr oder weniger direkt an Open-Source-Projekten beteiligten Personen dramatisch ansteigen lassen. Neben reinen Anwendern gibt es Konsumenten, die sich sporadisch an der Entwicklung beteiligen, weil sie dadurch Produkte erhalten, die ihren Anforderungen besser entsprechen. Daneben gibt es etliche Idealisten, die hier einen Großteil ihrer Freizeit investieren.

Open-Source-Projekte versammeln Know-how in einer Breite, wie sie kein kommerzieller Anbieter zur Verfügung hat. Dies führt zu Produkten, die in ihrer Funktionalität ihresgleichen suchen und äußerst stabil laufen, da sie zuvor von etlichen Mitentwicklern begutachtet wurden.

Zur Betriebssicherheit trägt auch bei, daß die freie Nutzbarkeit des Sourcecodes Portierungen auf andere DV-Plattformen vereinfacht. Dies resultiert wieder in neuen Verbesserungen, um eventuell erst dort entdeckte Schwachstellen zu beseitigen.

Unix-Spezialisten gehen offenbar besonders freizügig mit ihrer Arbeit um, denn es findet sich für Unix-Systeme auch die meiste Open-Source-Software. Inzwischen gibt es bereits einige Portierungen freier Pakete von Unix auf andere Betriebssysteme, darunter auch Windows. Die Hauptentwicklung findet jedoch weiter unter Unix statt. Besondere Popularität hat dabei Linux, das Open- Source-Betriebssystem, das PC-basierte Entwicklung ermöglicht.

Der historische Unix-Kontext stellt für Neulinge jedoch eine große Hürde dar. Unix wurde für ein Mehrbenutzerumfeld entwickelt, also für größere Server, und es verzichtet im Interesse von Stabilität und Datendurchsatz auf vieles, was den Umgang mit ihm etwas erleichtern könnte. Zudem steht eine logische Systemadministration durch entsprechend geschulte Fachkräfte im Vordergrund. Es wurde Wert darauf gelegt, daß alle Programme einem einheitlichen Schema folgen und keine redundanten Funktionen besitzen. Grundgerüst für diese Programme bildet die Kommandozeile, da sie viel universeller ist, als es eine grafische Benutzeroberfläche sein kann.

Das bedeutet für den Anwender, daß Open-Source-Software qualitativ hochwertig ist, jedoch von ihren Benutzern verlangt, daß sie genau wissen, was sie tun. Sie ist nicht dafür geschrieben, Anfänger für die Arbeit mit Computern zu begeistern oder die Arbeit möglichst angenehm zu gestalten. Und genau an diesem Punkt muß das Attribut "kostenlos" relativiert werden.

Man erhält Open-Source-Software zwar gratis, doch ihre Installation und Anpassung verursacht durchaus Kosten. Diese können mitunter den Preis eines kommerziellen Produkts für dieselbe Aufgabe ausmachen.

Doch das Endergebnis ist ein qualitativ anderes. Hat man mit dem kommerziellen Produkt lediglich das Recht erworben, es einzusetzen, führen die gleichen Kosten mit Open-Source-Software zu einer funktionsfähigen Lösung. Systemausfälle sind deutlich seltener. Zuvor aber muß ein Anwender damit rechnen, daß es Personalaufwand erfordert, ein komplettes Open-Source-System an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.

Der Lernprozeß hat allerdings einen nicht zu unterschätzenden emotionalen Nebeneffekt: Endlich ist man wieder Herr über sein Arbeitsgerät. Man findet leichter Lösungen für DV-Probleme, der Black-Box-Charakter vieler Computersysteme ändert sich.

Gerade die erfahrenere Generation wird sich an diesem Punkt unwillkürlich an die Zeit erinnern, in der Computer riesige Kisten waren und nur ein kleines Team wußte, wie man es benutzt. Diese Leute waren unentbehrlich, und manche haben diese Situation ausgenutzt: Sie ließen stets auf sich warten, die Anforderungen waren prinzipiell schwierig, und die Lösung kostete immer viel Zeit und Geld.

Mindestens einen Experten braucht man auch für Open-Source- Installationen. Doch es gibt viele von ihnen, und sie sind nicht wie einst auf einen Hersteller eingeschworen. Eine Rückkehr in alte Abhängigkeiten ist nicht zu befürchten.

Immer mehr Firmen gestehen, die oft als Hackersysteme abgewerteten Open-Source-Produkte einzusetzen. Die gern angeführten Unternehmen wie Sixt oder Ikea lassen bei manchem Interessenten den Eindruck entstehen, nur große Firmen könnten sich derlei leisten, weil Linux etc. eben mit einem hohen Personalaufwand für Eigenentwicklungen verbunden sei.

Inzwischen aber sind auch Anbieter kommerzieller Komplettlösungen auf die Open-Source-Nachfrage aufmerksam geworden. Die Firma Kirchner Datentechnik bietet beispielsweise ein auf Linux basierendes komplettes betriebswirtschaftliches Paket an. Bekannt ist auch das Open-Source-Projekt "Linux-Kontor" für den Bereich Warenwirtschaft, das die IOS vorantreibt.

Für die Installation eines solchen Systems ist man nicht auf sich gestellt. Es gibt eine ganze Reihe von Anbietern, die sich auf Support oder gar die Installation schlüsselfertiger Lösungen spezialisiert haben. Hier hat sich beispielsweise die Suse GmbH einen Namen gemacht, deren Liste von Referenzkunden beachtlich ist. Die Firma IOS bietet ebenfalls solche Unterstützung. Daneben gibt es Schulungsanbieter wie zum Beispiel Transtec.

Auch Unternehmen wie Oracle, Informix, IBM, Corel, Sun, Compaq/Digital, Siemens und SAP portieren ihre Produkte auf Linux oder unterstützen es aktiv. Die Großen der Computerbranche haben das Thema Open-Source-Software also gleichfalls entdeckt. Und ihre Liste wächst sehr schnell.

Einige Links

- Linux bei Sixt http://ralfburger.com/sixt.html http://www.linux-magazin.de/ ausgabe.1997.02/Interview/interview.html

- Linux bei Ikea http://pauillac.inria.fr/lang/hot list/free/use/lj/ikea.html Siehe auch: Linux Journal, November 1995

- KDR - Kirchner Datentechnik http://www.kdr.de/

- Linux Kontor http://www.ios-online.de/Linux-Kontor/

- Suse http://www.suse.de/Referenz/

- IOS http://www.linux-verband.de/ success/IoS/

- Schulungen/Transtec http://www.transtec.de/

- SAP und Linux http://www.sapmag.de/D/DA/ DA02/da02.htm (-> SAP Wissen)

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Mit der offiziellen Anerkennung oder der aktiven Unterstützung von Linux und anderen Open-Source-Produkten durch große Namen der DV- Branche schwindet das Vorurteil, derlei sei "Hackersoftware". Doch wie professionelle Programme stellt auch der neue Typ Software einige Ansprüche an das DV-Personal. Letztlich kann sie so teuer werden wie ein kommerzielles Standardprodukt. Und doch überwiegen die Vorteile.

Nils Fäber ist Student der technischen Informatik in Siegen und freiberuflicher Berater für Unix und TCP/IP-Netze.