"Open Source ist kein Kinderkram"

27.02.2006
Sascha Labourey, Cheftechnologe von Jboss, hält eine Konsolidierung in der Open-Source-Welt für unumgänglich.

Zu Marktgerüchten geben wir grundsätzlich keinen Kommentar ab, um nicht falsch interpretiert zu werden" - mit diesen Worten verweigerte Labourey, der auch Emea-Chef von Jboss ist, jegliche Stellungnahme zu Gerüchten, wonach Oracle an einer Akquisition interessiert sein soll. Im Interesse der Gesellschafter und der Mitarbeiter, die rund ein Drittel der Jboss-Aktien halten, evaluiere das Management allerdings ständig, wie sich das Wachstum beschleunigen lasse. Dabei würden natürlich auch die von Zeit zu Zeit eingehenden Anfragen von Unternehmen geprüft, die an Jboss interessiert sind. "Zurzeit ist ein Börsengang für uns das Beste, der bevorzugte Weg zu neuem Wachstum", so Labourey im Gespräch mit der computerwoche. Dem Manager zufolge existiert bereits ein interner Zeitplan für das Initial Public Offering (IPO). Möglicherweise findet der Börsengang noch in diesem Jahr statt.

"Oracle wäre komplett verrückt, wenn…"

Auch in der Blogosphere wird eifrig über Sinn und Unsinn von Oracles angeblichen Einkaufsplänen diskutiert. Das Unternehmen wird mit Jboss und PHP-Entwickler Zend Technologies in Verbindung gebracht. Sleepycat, Anbieter der Embedded-Datenbank-Engine "Berkeley DB", hat sich der Datenbankkrösus bereits einverleibt. Wie SAP-Manager Charles Zedlewski in seinem Netztagebuch schreibt, würde auch die Übernahme von Zend für Oracle Sinn geben. Anders verhalte es sich mit Jboss, vor allem, wenn Oracle die angeblich geforderten 400 Millionen Dollar zahlen würde. Die Company sei zwar der führende Open-Source-Anbieter im Bereich Application Server, ein Milliarden Dollar schwerer Markt für Player wie IBM, Bea oder Oracle. Objektiv sei Jboss aber alles andere als eine erfolgreiche Softwarefirma: Trotz beachtlicher Download-Zahlen - laut Jboss über 16 Millionen - scheine Jboss mit seinem Appserver kein Geld zu verdienen. Den Großteil der Umsätze im zweistelligen Millionenbereich machten Beratungs- und Trainingsleistungen aus, die Hunderte von Java-Spezialisten genauso gut erbringen könnten.

Positiv ausgedrückt, weist Jboss zumindest noch ein "extremes Wachstumspotenzial" auf: Laut Michel Goosens, Vertriebschef für den Emea-Raum, haben den Jboss Appserver weltweit rund 20 000 Firmen im Einsatz - darunter seien 700 zahlende Kunden.

Ob Oracle Jboss kauft, scheint fraglich, ebenso, ob es zu einer Übernahme von Zend Technologies kommt. Dessen CEO Doron Gerstel sagte gegenüber der computerwoche, mit Oracle spreche man über Technik, nicht über eine Akquisition. Auch Gerstel sieht den Trend zur Konsolidierung im Open-Source-Markt, warnt jedoch davor, die Integration solcher Zukäufe zu unterschätzen. Vor allem wenn bislang keine oder eine sehr individuelle Open-Source-Strategie verfolgt worden sei, könne es - zum Beispiel wegen Differenzen bei der Lizenzierung - zu Konflikten kommen (siehe auch Seite 24).

Generell glaubt Labourey an eine bevorstehende Konsolidierung im Open-Source-Bereich. Die großen Player verfolgten zwar verschiedene Strategien, indem sie den Quellcode von im Haus entwickelter Software freigäben, Firmen übernähmen oder mit Partnern kooperierten. Gemeinsamkeit gebe es jedoch insofern, als sie sich für Open-Source-Middleware interessierten.

Labourey ärgert sich darüber, wie große IT-Konzerne mit Open-Source-Produkten umspringen: IBM etwa habe nach der Gluecode-Übernahme von "Bluewashing Geronimo" gesprochen. "Der Code des Applikations-Servers musste demnach gewaschen werden, um den Maßstäben für IBMs Websphere Community Edition zu genügen", entrüstet sich der Jboss-Manager.

Hintergrund sei die "Bait-and-Switch-Strategie", Kunden zuerst mit Geronimo zu ködern und dann zum Wechsel auf IBM Websphere zu ermutigen, Nach dem Motto: "Versucht unser Dritte-Welt-Zeug, und wenn ihr zufrieden seid, wechselt alles." Labourey streitet nicht ab, dass Oracle rein technisch einen ähnlichen Ansatz verfolgen könnte - mit dem Jboss Application Server als Unterbau. "Es gibt diese Strategie", erklärt der Schweizer, "aber sie ist primitiv, da sie ein sehr schlechtes Signal an den Markt ausstrahlt: Wir haben zwei Appserver, einen für Erwachsene und einen für Kinder."

Der Bait-and-Switch-Ansatz sei nur eine vorübergehende und primitive Antwort auf Probleme, die die IT-Konzerne heute nicht meistern könnten. Dass Open Source kein Kinderkram sei, habe bereits Linux bewiesen, das inzwischen von vielen Unternehmen in geschäftskritischen Umgebungen eingesetzt wird. (mb)