Web

Open Source ist auf der Chefetage angekommen

04.06.2007
Nach einer Anwenderbefragung von Actuate sind deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich bei der Nutzung quelloffener Programme weit voraus.

An einer Online-Umfrage, die der Business-Intelligence-Anbieter Actuate in Auftrag gegeben hat, haben sich im Mai dieses Jahres 96 Business- und IT-Verantwortliche aus Deutschland, 117 aus Großbritannien sowie 390 aus den USA und Kanada beteiligt. Aus Deutschland waren vor allem Finanzdienstleister (41) und Industrieunternehmen (45) dabei. Sie verwenden zu 57 beziehungsweise 52 Prozent Open-Source-Software. Insgesamt liegt der Nutzungsgrad hierzulande mit 59 Prozent etwas höher. Dass mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen quelloffene Programme verwendet, fällt im internationalen Vergleich auf: In Großbritannien sind es 48, in den USA und Kanada 38 Prozent.

Das Motiv der Anwender besteht vor allem in den entfallenden Lizenzgebühren: 83 Prozent der Deutschen, 64 Prozent der Briten und 56 Prozent der US-Amerikaner und Kanadier nennen diesen Aspekt an erster Stelle. Eine ähnlich stärker in Deutschland ausgeprägte Motivation zeigt sich auch bei der zweithäufigsten Nennung. Hierzulande heben 63 Prozent der Anwender die Unabhängigkeit von kommerziellen Anbietern hervor, in Großbritannien 44 und in Nordamerika 39 Prozent. Erst danach kommen Punkte wie Flexibilität, Zugang zum Quellcode und Vorteile offener Plattformen. Das Potential für Open Source ist aber offenbar noch nicht erschöpft. So ist quelloffene Software für fast drei Viertel (73 Prozent) der Befragten erste Wahl oder eine der bevorzugten Techniken, wenn neue Software eingeführt wird. Actuate folgert aus diesem Ergebnis: "Von einem Nischendasein von Open-Source-Software kann also keine Rede sein."

Gleichwohl gibt es Barrieren für den Open-Source-Einsatz, auch wenn diese nicht so häufig genannt werden wie die Argumente dafür. Deutsche Unternehmen nennen in erster Linie (55 Prozent) mangelnde Verfügbarkeit von langfristigem Support und von Wartung. Die Vergleichszahlen in Großbritannien und Nordamerika liegen bei 46 beziehungsweise 49 Prozent. An zweiter Stelle werden mit jeweils gleicher Bedeutung (48 Prozent) in Deutschland die angenommene Inkompatibilität zu bestehenden Anwendungen und Datenbeständen sowie das Fehlen einer Freistellung von Rechten Dritter ("Indemnification") genannt. Ferner sind 43 Prozent der IT-Verantwortlichen skeptisch, ob in ihren Unternehmen die fachlichen Fähigkeiten zur Implementierung von Open-Source-Lösugen vorhanden sind. Actuate kommentiert: "Dieses Ergebnis zeigt, dass in allen Regionen noch ein großer Aufklärungsbedarf über die Support- und Wartungsmöglichkeiten für Open-Source-Software besteht." Daraus resultiere "ein klarer Auftrag" für reine Open-Source-Firmen ebenso wie für Anbieter von proprietärer und quelloffener Software.

Die Hemmnisse werden aber relativiert von einer insgesamt deutlich positiven Grundeinstellung zu Open Source. Für fast zwei Drittel (61 Prozent) der befragten Deutschen überwiegen im Vergleich zu Closed-Source-Angeboten die Vorteile quelloffener Alternativen. In Großbritannien und USA/Kanada gaben dies jeweils nur 52 beziehungsweise 45 Prozent an. Actuate schätzt: "Es besteht also eine große Chance für Open Source, in der nächsten Zeit noch stärker als gleichwertige Alternative zu kommerzieller Software angesehen zu werden." Bisher gilt das Vertrauen vor allem bewährten quelloffenen Lösungen. Die Hälfte der Unternehmen macht sich die besseren Möglichkeiten bei Open Source zunutze, die Anwendungen erst einmal ausführlich zu erproben.

In allen befragten Ländern haben die Verantwortlichen gleichermaßen (jeweils ein Drittel der Antworten) keine Scheu, sich als "Early Adopters" von Open Source zu bezeichnen. Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Entscheidungen über die Einführung von Open-Source-Software werden in deutschen Unternehmen von IT-Leitern getroffen. Hingegen sind für diese strategische Grundsatzentscheidung nur in einem Drittel der Fälle (33 Prozent) auf Vorstandebene angesiedelte CIOs zuständig. Gleichwohl folgert Actuate: "Open Source ist auf der Chefetage angekommen und verbreitet sich in Unternehmen nicht mehr wie früher ausschließlich von unten nach oben." (ls)