Open-Source-CRM ist der Praxis näher

15.03.2005
Die Flexibilität und die Transparenz, welche Open Source mit sich bringt, sind im geschäftskritischen Anwendungsbereich CRM ein großer Vorteil.

Technisch ist CRM nicht so anspruchsvoll wie ERP. Aber die DV-gestützte Pflege der Kundenbeziehungen ist jünger als die Buchhaltung per Computer. Das erklärt, warum CRM auf Linux-Basis nicht so verbreitet ist wie ERP, das durch das frühe Angebot von SAP für dieses Betriebssystem einen enormen Publicity-Schub bekommen hat.

"Aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis CRM-Systeme auf Linux-Basis ihre ERP-Pendants überholt haben", ist Hansjörg Schmidt sicher. Und derzeit erlebe vor allem Open-Source-CRM, also quelloffene Programme für dieses Anwendungssegment, "eine rasante Entwicklung". Schmidt ist Marketing-Leiter des Hamburger Unternehmens Wice, das eine CRM-Lösung namens "Web Integrated Corporate Environment" (Wice) vertreibt. Die Anwender dieses Produkts bekommen den Quellcode mitgeliefert und dürfen mit diesem machen, was sie wollen.

Die wenigsten Wice-Anwender beschäftigen sich eingehender mit dem Sourcecode. Für sie sind die Vorteile von Open Source anderer Art: Transparente Programme können nichts verbergen, auch keine Fehler und Grenzen. Wenn die Kunden wollten, könnten sie den Code verändern. Nach eigenem Gusto und mit eigenen oder anderen Programmierressourcen. Sie sind nicht an die Produktlebenszyklen und Entwicklungsrichtungen des Herstellers gebunden. "Anwender und Hersteller können jederzeit getrennte Wege gehen", stellt Schmidt fest. "Gerade die Flexibilität und die Transparenz, welche Open Source mit sich bringt, sind im geschäftskritischen Anwendungsbereich CRM ein großer Vorteil."

Es gibt umfassendere, funktionsreichere CRM-Lösungen als Wice, aber das lässt Schmidt nicht als Gegenargument gelten: "Open-Source-Lösungen enthalten keine Funktionen, die nur aus Marketing-Gründen aufgenommen wurden, sondern nur solche, die der Erfüllung von Anwenderbedürfnissen dienen." Benötigt ein Anwender eine spezielle Funktion, kann er sie selbst entwickeln oder sie von Wice oder anderen Softwarehäusern programmieren lassen. Schmidt: "Open-Source-CRM schlägt sich in höherer Praxisnähe nieder."

Grundsatz: Keep it simple!

"Wer die Komplexität der Systeme und die verlockende Funktionsvielfalt als Maßstab für das eigene Kundenbeziehungs-Management heranzieht, wird scheitern", warnt der Wice-Manager. "Vielmehr hat sich der Grundsatz ,Keep it simple!? als der erfolgreichere Weg erwiesen, weil damit bereits nach kurzer Zeit spürbare Verbesserungen erreicht werden können."

Das "Do-what-you-want"-Prinzip bringt letztlich auch das Ausgangsprodukt weiter. Zu einem erheblichen Teil entscheiden die Anwender, in welche Richtung sich ein Produkt entwickelt. Ohne die Kunden findet keine Entwicklung statt. Sie müssen sich nichts gefallen lassen, sondern können selber zu Innovatoren werden.

Doch wer will sich mit Innovationslorbeeren schmücken? Den meisten Anwendern reicht ein Produkt, das erstens funktioniert, zweitens ihren Bedürfnissen entspricht und drittens einen guten Support hat. Gerade der letzte Aspekt spricht nicht für Open Source, hinter dem in der Regel eine unbekannte Entwickler-Community steht. Die reagiert auf Fehlermeldungen, garantiert aber niemals Problembehebung innerhalb bestimmter Zeiten, schon gar nicht fein austarierte Service-Levels.

Das spricht gerade bei unternehmenskritischen Anwendungen wie CRM für klassisches Closed Source. Schmidt: "Mit den Lizenzkosten erkaufen Anwender sich auch die Sicherheit, notfalls Druck auf die Hersteller ausüben zu können, falls etwas schief geht." Als kommerzieller Anbieter füllt Wice die Open-Source-Lücke, erklärt der Manager: "Wir geben unseren Kunden die Gewissheit, dass sie nicht im Regen stehen, wenn sie Unterstützung benötigen. Notfalls können unsere Kunden uns den Hals umdrehen."

Zu einem erheblichen Teil lebt der Hamburger Anbieter von Service und Support. Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung, denn um die Jahrtausendwende sind noch etliche Unternehmen gescheitert, die dies zum Kern ihres Open-Source-Business-Modells hatten. Offenbar ist die kritische Masse an Anwendern quelloffener Programme erreicht. Der bekannteste Name auf der Kundenliste von Wice ist Warner Music Deutschland.

Die Nachfrage zieht an

Das Open-Source-Angebot hat einen nicht zu unterschätzenden Effekt auf den CRM-Markt: Die Produkte sind in der Regel deutlich günstiger als die Closed-Source-Konkurrenz. "Die Existenz der Open-Source-CRM-Anbieter sorgt dafür, dass die Preise nicht steigen", erklärt Schmidt. Besonders deutlich sei das beim Wice-Angebot von Hosted CRM. "Wir liegen mit unseren Preisen 50 Prozent unter denen von Salesforce.com und Siebel." Schmidt erwartet, dass der ASP-Markt noch in diesem Jahr durch die Nachfrage des Mittelstands "deutlich an Fahrt gewinnt".

Auf was sollten nun an Open-Source-CRM Interessierte achten? Wice-Manager Schmidt fasst die wichtigsten Punkte zusammen: "Haben die Produkte ihre Praxistauglichkeit bewiesen? Stehen hinter ihnen genügend Entwickler? Wie sieht es mit der professionellen Unterstützung bei der CRM-Einführung aus? CRM ist primär kein Softwarethema. Also benötigt man neben der Software auch gute Berater, die bei einem CRM-Vorhaben unterstützen. Kann dieser Prozess aus einer Hand geliefert werden? Welchen Support kann ein Anwender erwarten?"

Mittelstand im Fokus

Bei Wice ist man sich sicher, genau im Trend zu liegen. Die eigene "Kombination aus günstigem Einstieg, hoher Investitionssicherheit und praxisnaher Funktionalität" sei insbesondere für den von allen zurzeit heiß umworbenen Mittelstand sehr interessant, meint Schmidt. "Die vermehrten Aktivitäten der Open-Source-Anbieter bringen dem Markt neue Impulse und werden im kommenden Jahr verstärkt Druck auf die kleineren Hersteller herkömmlicher CRM-Software ausüben."