Open Source bildet die Grundlage des Web 2.0

03.12.2007
Von Bruno von Rotz
Die Entwicklung von freier Software folgt seit Jahren ähnlichen Prinzipien wie das Mitmach-Web. Zudem senkt Open Source die Eintrittsbarrieren für Web-Startups.

Enterprise 2.0, Collaboration und Social Software gehörten zu den am stärksten diskutierten Themen beim Gartner IT Symposium in Cannes Anfang November. Die Analysten machten den teilnehmenden CIOs und IT-Verantwortlichen klar, dass nach ihrer Ansicht kein Weg am Web 2.0 vorbeiführe. Sie verwiesen auf das enorme Potenzial, das in den von dort bekannten Tools steckt, besonders für die Zusammenarbeit in großen Firmen und bei der Nutzung des heute vielfach schlecht zugänglichen Wissens. Eine Empfehlung lautete, dass Firmen, die sich hier einen Konkurrenzvorteil verschaffen wollen, nicht warten sollten, bis die großen Anbieter Enterprise-2.0-Funktionen und Features in ihre Produkte integriert haben.

Web 2.0: der Benutzer steht im Mittelpunkt

Ein wichtiges Element von modernen Web-2.0-Anwendungen sind eine Reihe von Partizipationsmöglichkeiten, die Benutzer dabei unterstützen, die relevantesten Inhalte zu identifizieren, über Inhalte zu diskutieren, Inhalte zu bewerten und eigene Metadaten (Tagging) einzuführen. Die Informationen werden über diese Prozesse fortwährend angereichert und verbessert. Häufig sind es aber auch Gruppen von Gleichgesinnten, so genannte Communities, die sich Plattformen Dritter zunutze machen, um ihr Bedürfnis zu befriedigen

Attraktiv für den Benutzer werden moderne Web-Seiten vor allem durch die immer mächtigeren Oberflächen ("Rich User Interface"), die einen ähnlichen Bedienerkomfort bieten wie Desktop-Applikation. Web-Seiten erlauben heute den Einsatz von Drag and Drop, sie aktualisieren Bestandteile ihrer Oberfläche, ohne eine Seite gänzlich neu laden zu müssen, sie verstehen Tastatureingaben als Navigationsanweisung und bieten Kontextmenüs über die rechte Maustaste.

Um der immer schnelleren Entwicklung von Bedürfnissen und Ideen Rechnung zu tragen, werden einfach integrierbare Komponenten verwandt. Die verschiedenen Ansätze und Kombinationen werden frühzeitig dem Benutzer zur Verfügung gestellt und implizit nach seinem Verhalten sowie natürlich explizit nach seinem Feedback modifiziert. So tragen viele Web 2.0-Anwendungen dauerhaft die Bezeichnung "Beta", was auch zum Begriff "perpetual Beta" geführt hat. Die fehlende Reife bezieht sich hier nicht auf die Funktionen selbst, sondern auf die Kombination oder Ausrichtung der Funktionen ("functional beta"). Der Kunde wird in die Produktentwicklung einbezogen, soll sich aber natürlich nicht mit Programmfehlern, sondern mit Anwendungsfällen auseinandersetzten.

Open Source als Katalysator

Ohne Open-Source-Software wären typische Web 2.0-Vertreter wie Google, YouTube, Flickr oder Facebook nie in dem bekannten Maße erfolgreich gewesen. Die Investitionen in Software-Lizenzen wären gerade für Startups kaum bezahlbar gewesen. Neue Online-Dienste stellen erhebliche Anforderungen an die Infrastruktur, die sich nicht bloß auf niedrige Lizenzkosten beschränken:

  • Die Architektur muss günstig und schnell skalierbar sein. Man spricht in diesem Zusammenhang von "Scale Out" und erwartet, dass man zusätzliche Verarbeitungskapazität durch Hinzufügen günstiger Standard-Hardware und ohne exponentielle Software-Lizenzkosten bereitstellen kann.

  • Der initiale Aufbau und der Betrieb muss kostengünstig sein. Proprietäre Hardware-Plattformen und teure Lizenz- und Wartungsverträge passen hier nicht ins Konzept.

  • Anwendungen müssen stabil laufen, die Plattform insgesamt robust sein.

  • Die Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der Architektur sind gerade mit AJAX und den damit verbundenen vervielfachten Requests an den Server sprunghaft angestiegen.

  • Anwendungen müssen einfach integrierbar sein und sollen offenen Standards folgen.

Open Source erfüllt Anforderungen

Auch stark frequentierte Social Networks wie Facebook setzen auf einen "LAMP"-Stack auf.
Auch stark frequentierte Social Networks wie Facebook setzen auf einen "LAMP"-Stack auf.

Linux ist ein bewährtes Betriebssystem und für Web-Anwendungen in vielen Unternehmen die erste Wahl. Apache hat sich als der meistverwendeter Web-Server durchgesetzt. MySQL bietet als Datenbank genau die Fähigkeiten, die für schnelle, stark frequentierte Websites benötigt werden, unter anderem Replikation, Query Caching und Clustering. Zusammen mit PHP, Perl oder Python wurde diese Basistechnologie als "LAMP" bekannt und unterstützt Millionen von Webseiten. Komplettiert mit Web-Frameworks wie Symfony, Catalyst oder Django bilden sie die ideale Basis für agile Web 2.0-Entwicklungen.

Eine der Charakteristiken von Web 2.0-Anwendungen sind reichhaltige und hochgradig interaktive Benutzerschnittstellen. Diese basieren in der Regel auf Ajax, Flash oder immer häufiger auch einer Kombination von beiden. Es hat sich dafür der Begriff " Rich Internet Applications" (RIA) eingebürgert. Die meisten und gleichzeitig auch die beliebtesten Ajax-Frameworks sind Open Source Tools.

Neben Tools für die Infrastruktur kommen auch viele Funktionen aus der Open-Source-Welt, die typisch für das Mitmach-Web sind: Collaboration, Wikis, CMS, sowie Weblog- und Social Software:

  • Freie Content.Management.Lösungen wie Alfresco, Drupal, Mambo, Joomla, eZpublish, Magnolia oder Typo3 sind der Motor für viele bekannte Websites;

  • Wiki-Anwendungen, darunter auch die Wikipedia, basieren in den meisten Fällen auf Open-Source-Produkten wie Mediawiki oder Twiki;

  • Bei den Blogging-Tools dominieren freie Technologien wie Wordpress oder Apache Roller, auch von Movable Type soll es in Kürze eine freie Variante geben;

  • Bei Foren ist phpBB die meist genutzte Software

  • Funktionen wie Social Bookmarking oder Collaborative Filtering können durch Angebote wie Pligg, Scuttle oder Vogoo abgedeckt werden

Web 2.0 ausschließlich mit Open Source ist also keine Utopie, erfolgreiche Web 2.0-Anbieter, die keine Open-Source-Komponenten einsetzen, werden hingegen Randerscheinungen bleiben. (ws)