Neue Art von Arbeitsteilung zwischen Anbieter und Kunde

OO-Techniken wirken sich auf die Entwickler-Arbeitsplätze aus

03.04.1992

WIESBADEN (qua) - In dem Maße, in dem sieh die objektorientierte Systementwicklung am Markt durchsetzt, verschiebt sich der Bedarf für Software-Entwickler von den Anwenderunternehmen zu den Herstellern. Diese These vertrat der britische Unternehmensberater Martin Butler anläßlich der "European Object-Oriented Conference", zu der die Software AG nach Wiesbaden eingeladen hatte.

"Die Objektorientierung liefert die Basis für eine Industrialisierung der Softwareproduktion." Dieses Fazit zog der Gründer des Beratungsunternehmens Martin Butler Associates Ltd. mit Sitz im britischen Hull aus dem von ihm entworfenen Szenario: Demzufolge werden die Anbieter schon in der nächsten Zukunft fertige Anwendungsobjekte zur Verfügung stellen, die die Kunden dann nach ihren eigenen Bedürfnissen zusammenbauen können. Laut Butler ist in einigen Softwarelabors - so beispielsweise bei Unify und Informix - die Arbeit daran bereits in vollem Gange.

Die Konsequenz aus dieser Entwicklung ist eine neue Art von Arbeitsteilung zwischen der Software-Industrie und den Anwenderunternehmen, in deren Folge sich die Situation der anwendereigenen Software-Entwicklungsabteilungen mit Sicherheit nachhaltig verändert. Die Aufgabe der Inhouse-Entwickler besteht Butlers Prognose zufolge künftig vor allem darin, die vorgefertigten Objekte zusammenzufügen.

Weniger, aber bessere Leute werden gebraucht

Dadurch verringert sich, so Berater, bei den Anwenderunternehmen der Bedarf für Software-Entwickler im eigentlichen Sinne. "Die User werden weniger, aber bessere Leute brauchen", lautete das Resümee des Briten. Als die "besseren" Leute bezeichnete er diejenigen Mitarbeiter, die in der Lage sind, auf einer eher konzeptionellen Ebene zu denken. Die Anwender seien gut beraten, wenn sie sich künftig vor allem Systemdesigner ins Haus holen.

Düstere Aussichten für Software-Entwickler? Nicht unbedingt, denn die eigentliche Entwicklungsarbeit wird zunächst nicht etwa verschwinden, sondern sich vielmehr aus den unternehmensinternen Software-Abteilungen in die Labors der Anbieter verlagern. Entwicklern, die hier nicht den Anschluß verpassen wollen, rät Butler allerdings, sich beizeiten mit objektorientierten Methoden wie zum Beispiel Hood zu beschäftigen.

Nach Ansicht des britischen Beraters werden es im übrigen nicht die Pioniere der OO-Bewegung sein, die mit der objektorientierten Technologie das große Geld verdienen. Wie bereits die Entwicklung des Unix-Marktes gezeigt habe, dürften sich am Ende doch wieder die großen (Hardware-)Anbieter den Kuchen teilen. Den kleinen innovativen Unternehmen fehle einfach die notwendige "Marketing-Muskulatur", um sich einen signifikanten Anteil an diesem Markt zu sichern.