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Online-Shop Boo.com geht die Puste aus

18.05.2000
135 Millionen Dollar Risikokapital verbrannt

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit Boo.com legte eine der ersten größeren Dotcom-Firmen die von Analysten schon länger beschworene Bauchlandung hin. Wie gestern bekannt wurde, hat die schwedische Online-Boutique ihr Venture Capital von 135 Millionen Dollar bis auf 500 000 Dollar verbraucht. Dem erst im vergangenen Jahr gegründeten Unternehmen gelang es nicht, seine Investoren zu weiteren Finanzspritzen zu bewegen oder einen Käufer zu finden. Inzwischen wurde die Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsfirma KPMG als Konkursverwalter berufen.

Vor einem Jahr waren die Firmengründer Ernst Malmsten, CEO (Chief Executive Officer) von Boo.com, Patrik Hedelin und das Ex-Model Kajsa Leander mit großem Optimismus und den Taschen voll Geld gestartet. Sie wollten zum größten globalen Online-Anbieter von Sportkleidung werden. Allerdings begannen die Probleme schon vor dem Launch der Website. Aufgrund technischer Probleme musste er um fünf Monate bis zum November 1999 verschoben werden. Dann hagelte es von allen Seiten Kritik zu der grafiklastigen Website, die zu lange Ladezeiten erforderte.

Obwohl Boo.com auch unter dem allgemeinen Abgesang auf Dotcoms und auf das Business-to-Consumer-Geschäft litt, war das Unternehmen für einige seiner Probleme selbst verantwortlich. Der Auftritt der Firma, zu deren Investoren die Benetton-Familie, der französische Unternehmer Bernard Arnault sowie die Investmentbank JP Morgan gehören, sollte nur vom Feinsten sein. Boo.com stattete seine ersten Mitarbeiter beispielsweise mit "Palm Pilots" und anderen Prestige-Objekten aus. Führungskräfte wurden mit Fünf-Sterne-Hotels und First-Class-Flügen zu Modeveranstaltungen in Paris und Mailand verwöhnt. Und schließlich verschlangen die 450 Mitarbeiter in Niederlassungen in London, New York, München, Stockholm, Paris und Amsterdam sowie hohe Marketing-Ausgaben Unsummen. Boo.com soll zuletzt immer noch vor rund eine Million Dollar pro Woche verbraucht haben, trotz kürzlich durchgeführter Umstrukturierungsmaßnahmen, die die Mitarbeiterzahl auf rund

300 reduzierten.

Unternehmenssprecher Malmsten gibt zu: "Wir haben uns zu sehr auf die Visionen konzentriert. Alles sollte perfekt sein, dabei haben wir die Kostenkontrolle aus den Augen verloren. Mein Fehler war, dass ich keinen starken Finanzcontroller als Gegenpart hatte." Analysten befürchten nun, dass das Beispiel von Boo.com die Anleger-Skepsis bezüglich Internet-Firmen weiter verstärken könnte. Laut Michael Whitaker, Chef der Internet-Investmentgesellschaft New Media Spark, ist jetzt Schluss mit dem Mythos, dass die althergebrachten Geschäftsmodelle nicht für Online-Firmen taugen. "Online-Flair reicht nicht aus. Erfolgskritisch sind konventionelle Offline-Fähigkeiten in allen zentralen Geschäftsbereichen," erklärte er.