Personalkosteneinsparungen als kritischer Wert in Kreditinstituten:

Online-Schalter gegen Warteschlangen

13.07.1979

Eine der vielen Einflußgrößen einer Kosten-/Nutzenanalyse für das Umstellen eines Kreditinstitutes von Stapel- auf Online-Verarbeitung ist die Verweilzeit der Kunden am Schalter. Die Personalausstattung muß derart sein, daß sich die Wartezeit der Kunden in vertretbaren Grenzen hält. Diese durchschnittliche Zeit, die auch als Indikator für den Servicegrad eines Unternehmens gelten kann, ist ermittelbar. Es bieten sich hierfür Simulationsmethoden an, die sich bei ähnlichen Wirtschaftlichkeitsanalysen seit Jahren bewährt haben. Vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität des Saarlandes wurde im Auftrag der Buchungsgemeinschaft "Saar" ein derartiges Simulationsmodell für ein flächendeckendes Filialnetz entwickelt. August-Wilhelm Scher erläutert im folgenden, in welchem Zusammenhang die diversen Einflußgrößen zueinander stehen und in welcher Weise eine exakte Entscheidungsgrundlage erstellt werden kann.

Die unterschiedlichen Einflußgrößen einer Kosten-/Nutzenanalyse für die Umstellung von Stapel- auf Online-Verarbeitung in Kreditinstituten zeigt Tabelle 1. Gruppe 1 dieser Tabelle enthält in Geldeinheiten meßbare Größen. Die Einflußgrößen der Gruppe 2 sind zwar quantitativ meßbar, ihre Umsetzung in Geldbeträge ist aber nicht oder nur sehr schwierig möglich. Gruppe 3 enthält Größen, die sich nur in der Änderung der ordinalen Reihenfolge angeben lassen.

Soll die Entscheidung über eine Online-Verarbeitung betriebswirtschaftlich begründet werden, so muß sie vor allen Dingen durch Größen der Gruppe 1 getragen werden. Von den Kostensenkungen sind die Personalkosteneinsparungen durch den Rationalisierungserfolg der Online-Verarbeitung am bedeutendsten; Einsparungen bei den Sachmitteln (zum Beispiel Fortfall von Geräten zur Datenerfassung) fallen dagegen nicht ins Gewicht. Die Personalkosteneinsparungen sind damit auch der kritische Wert für die zu tragenden zusätzlichen EDV-Sach- und Schulungskosten. Die EDV-Kosten sind durch Einholung von Angeboten leichter zu konkretisieren und werden deshalb nicht weiter betrachtet.

Die gebräuchlichen Verfahren zur Berechnung dieser Personalkosteneinsparungen sind aber unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sehr kritisch zu beurteilen. So werden häufig die Halbzeitkräfte umgestellt werden können oder die Anzahl der Mitarbeiter reduziert werden kann.

Andere Rationalisierungsuntersuchungen machen den Fehler, den für das Schalterpersonal sowie das Personal der Datenerfassung ermittelten Rationalisierungserfolg auf den gesamten Personalbestand pauschal in Form eines Prozentsatzes zu übertragen. Damit wird der Kostensenkungseffekt der Einführung einer Online-Verarbeitung stark überschätzt.

Eine exakte Untersuchung der Personalkosteneinsparungen muß deshalb auf effektiven Personalausstattungen der einzelnen Filialen nach Umstellung auf Online-Verarbeitung basieren. Nur so kann in einem Vergleich mit der gegenwärtigen Personalsituation der Kosteneffekt richtig erfaßt werden. Der benötigte Personalbedarf wird auf komplizierte Weise beeinflußt durch die starken aufgrund der schnelleren Bearbeitungszeiten einer Online-Bearbeitung reduzierten Bedienungszeiten der Mitarbeiter mit einem Personalkostenfaktor pro Zeiteinheit gewertet und als Kostenersparnis angesetzt. Bei dieser Berechnung wird nicht berücksichtigt, ob der Personalbestand in den Filialen des Kreditinstitutes tatsächlich zeitlich oder mengenmäßig abgebaut werden kann. Eine Kostenersparnis tritt aber nur dann ein, wenn zum Beispiel Vollzeitkräfte auf (freitags) und Stundenspitzen innerhalb des Tages.

Die unregelmäßigen Kundenankünfte führen zu Warteschlangen vor den Bedienungsschaltern. Die Wartezeiten sind aber nur mit Hilfe komplizierter Verfahren im voraus zu berechnen. Die Personalausstattung und damit die zu erzielenden Kostensenkungen sind also nicht ohne Beachtung des Einflußfaktors Kundenservice zu sehen, der durch die Verweilzeit der Kunden in dem Kreditinstitut zur Erledigung von Geschäftsvorfällen gemessen werden soll.

Mit dem Simulationsmodell des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik der Universität des Saarlandes wurden Standardausstattungen für die Filialen einzelner Größenklassen und unterschiedliche erwartete Wachstumsraten für den Geschäftsumfang festgelegt. Gleichzeitig wurde der Einfluß auf die Verweilzeiten der Kunden zur Bearbeitung von Geschäftsvorfällen als Indikator für den Servicegrad ermittelt.

Den Kundenfluß bei traditioneller Bedienung und bei Online-Verarbeitung zeigen Abbildungen 1a und 1b. Bei traditioneller Bedienung teilt sich der Kundenstrom in Kunden, die lediglich Bedienungen an der Kasse fordern und solche, die zunächst an den Schalter gehen. Bei einer Online-Verarbeitung mit Universalschaltern gehen dagegen die Kunden jeweils nur zu einem Schalter und verlassen anschließend den Schalterraum.

Die benötigten Anteilswerte, wurden saisonalen Schwankungen der Kundenbedienungen über Jahreszeiten, Monatsspitzen (Ultimo, Medio), Tagesspitzen über einen längeren Zeitraum durch Beobachten ermittelt. Weitere Inputdaten für das Modell sind die Bearbeitungsdauer der einzelnen Geschäftsvorfälle sowie ihr regelmäßiger Anfall und die Ankunftsverteilung der Kunden beziehungsweise Geschäftsvorfälle. Die Bearbeitungsdauer der einzelnen Geschäftsvorfälle der bestehenden Organisation wurden mit Hilfe von Zeitmessungen ermittelt, die erwartete Bearbeitungsdauer bei Online-Verarbeitung durch Analyse der einzelnen Tätigkeitselemente. Die Ankunftsverteilungen der Kunden wurden

mit Hilfe von Vergangenheitswerten über tägliche Aufzeichnungen der Kassenposten und durch Beobachtungen errechnet. Ergebnis war eine Verteilung der Kundenankünfte, in denen sowohl die jahreszeitlichen saisonalen Effekte als auch die unterschiedlichen Ankunftsintensitäten über den Tagesablauf hinweg erfaßt wurden. Abbildung 2 zeigt den Verlauf dieser Verteilung für eine Kleinfiliale mit zwei Schaltern und einer Kasse. In rund 20 Prozent der Geschäftszeit kommen lediglich rund fünf Kunden pro Stunde an; in über 50 Prozent der Geschäftszeiten betreten rund 15 Kunden pro Stunden den Schalterraum.

Mit Hilfe des Simulationsmodells wurden diese Ankunftsverteilungen mit der Verteilung über die Bearbeitungsdauer für verschiedene Organisationsformen der bisherigen Stapelverarbeitung und Online-Verarbeitung untersucht. Dabei wurden folgende Fragen analysiert:

- Wie ändern sich die durchschnittlichen Verweilzeiten der Kunden bei bestimmten Wachstumsraten in den nächsten Jahren bei der bisherigen Organisationsform?

-Um wie viele Mitarbeiter (zusätzliche Schalter) müssen die Filialen vergrößert werden, um den gegenwärtigen Servicegrad, also die gegenwärtigen Verweilzeiten der Kunden, weiterhin einhalten zu können?

-Wie ändern sich die Verweilzeiten bei Online-Verarbeitung bei einem geringerem Personaleinsatz?

-Wie ist die Auslastung der einzelnen Arbeitsplätze bei den unterschiedlichen

Organisationsformen?

-Wie wirkt sich die Einrichtung einer Schnellzone zur Ausgabe von Kontoauszügen etc. bei Online-Verarbeitung auf die Verweilzeiten aus?

Die Abbildungen 3a bis 3d zeigen für die Filiale mit zwei Schaltern und einer Kasse bei gegenwärtiger Organisationsform die Verteilungen der Geschäftsstunden, in denen jeweils bestimmte durchschnittliche Verweilzeiten (Angabe in Minuten) pro Kunde auftreten. Zusätzlich sind die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten eingetragen, so daß die Wartezeiten deutlich werden.

Abbildung 3a und 3b beziehen sich auf die gegenwärtige Organisation, wobei in Abbildung 3a die Kundenankunftsverteilung des Jahres 1976/77 und in 3b ein 35prozentiges Wachstum angesetzt ist. In Abbildung 3c und 3d sind für die gleichen Kundenankünfte die Organisation einer Online-Verarbeitung mit zwei Universalkassen angesetzt. Bei der gegenwärtigen Organisationsform wird bei einem angenommenen 35prozentigen Wachstum der Geschäftsvorfälle die durchschnittliche Verweilzeit erheblich erhöht, während dies bei einer Online-Verarbeitung kaum merkbar wird. Durch Sensitivitätsanalysen kann somit bereits vorzeitig erfaßt werden, wie die künftige Ausgestaltung der Filialen sich entwickeln wird.

Die bei diesen Standardausstattungen gegenüber den gegenwärtigen Mitarbeitern und für die Zukunft erwarteten Ausstattungen erzielbaren Personalkostenersparnisse bilden einen kritischen Wert für die in Kauf nehmbaren Sachkosten der EDV sowie des erforderlichen Schulungsaufwandes.

Gegenwärtig wird am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik das System"Capsim" (Computer-am-Arbeitsplatz-Simulation) entwickelt, das aus relativ einfachen Strukturvorgaben ein Simulationsmodell generiert, mit dessen Hilfe obige Aussagen erzielt werden können. Dieses Modell soll dicht nur für den Bankenbereich, sondern auch für andere CAP-Anwendungen praktisch eingesetzt werden.

*Prof Dr. August-Wilhelm Scheer ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken.