Web

Pioniere im Internet

Online-Rückblick: Internet-Ikonen in den Wechseljahren

11.02.2008
Von WIWO WIWO
Internet-Jahre sind Hundejahre, behauptete der Unternehmer und Netscape-Gründer Jim Clark. Folgt man der Analogie, dann sind die Internet-Ikonen der neunziger Jahre heute im Greisenalter. Das ist übertrieben, aber einige von ihnen machen gerade ihre Midlife-Crisis durch. Was machen die Stars von einst?

Netscape

Dereinst: Löste Mitte der neunziger Jahre die Dot.com-Revolution aus. Sein erfolgreicher Börsengang verursachte einen Sturm auf Internet-Aktien. Der Netscape-Browser war bald auf fast jedem Rechner zu finden und wurde als Angriff auf Microsoft gewertet. Das führte zu den so genannten Browser-Kriegen mit Microsoft, die der Softwaregigant zwar gewann, die ihm aber eine Verurteilung als Monopolist einbrachten. Netscape wurde nach finanziellen Problemen 1998 für 4,2 Milliarden Dollar in bar und Aktien von America Online (AOL) geschluckt.

Heute: AOL entpuppte sich als Sterbehospiz für Netscape. Der einst populärste Internet-Browser der Welt segnete am 1. Februar das Zeitliche. AOL entwickelte ihn nicht mehr weiter. Besser erging es Netscape-Gründer Marc Andreessen. Der Internet-Pionier ist heute als Unternehmer und Business Angel im Silicon Valley tätig. Im Juli 2007 verkaufte er seine Firma Opsware für 1,6 Milliarden Dollar in bar an Hewlett Packard (HP).

AOL

Dereinst: Eine Art Vorläufer des Web, zählte der Online-Dienst Mitte der neunziger Jahre über zehn Millionen Kunden, die monatlich 20 Dollar Gebühr berappten. Der Siegeszug des World Wide Web konnte AOL zunächst nichts anhaben. Ende der Neunziger Jahre wurde die Firma mit 200 Milliarden Dollar an der Börse bewertet. Steve Case baute AOL zu einer Medien-Plattform aus. Bertelsmann verkaufte seine Anteile an AOL Europe 2001 für rund sieben Milliarden Dollar, einer der besten Deals in der Geschichte des europäischen Medienkonzerns. Im Jahr 2000 übernahm AOL für 164 Milliarden Dollar den Mediengiganten Time Warner, fast ausschließlich in Aktien. Ziel: AOL Time Warner sollte die erste Adresse im Internet werden.

Heute: Immer noch eine populäre Internet-Adresse, hat aber stark an Bedeutung verloren. Time Warner war die Fusion mit AOL zwischenzeitlich so peinlich, dass AOL aus dem Namen gestrichen wurde. AOL selbst ist von Managementproblemen geplagt, entlässt regelmässig Mitarbeiter. 2005 erwarb Google für eine Milliarde Dollar fünf Prozent an AOL. Gründer Steve Case investiert über seine Revolution-Gruppe in eine Vielzahl von Internet-Unternehmen sowie in Grundstücke in Hawaii.

Altavista und Excite

Dereinst: Mitte der neunziger Jahre kam niemand um die Suchmaschine Altavista herum. Damals war Altavista das, was Google heute ist. Wettbewerber Excite wiederum schuf eines der populärsten Internet-Portale. Konkurrent Yahoo erwog Ende 2008 einen Kauf für sechs Milliarden Dollar.

Heute: Altavista ging in den Wirren der Übernahme von HP durch Compaq unter. Compaq wollte Altavista zum Yahoo-Wettbewerber ausbauen, investierte jedoch zu wenig. Altavista ist noch immer eine Suchmaschine, hält viele Patente in dem Bereich und gehört heute zu Yahoo. Excite fiel dem Platzen der Internet-Blase zum Opfer, ging 2001 bankrott. Die stattlichen Büros von Excite am Highway 101 im Silicon Valley - einst Symbol des Dot.com-Reichtums - ausgestattet mit Rutschen für Mitarbeiter, gehören heute der Stanford Universität.

Yahoo

Dereinst: Die beiden Stanford-Studenten Jerry Yang und David Filo stießen mit ihren Internet-Katalog Yahoo auf Gold. Wagnisfinanzierer Michael Moritz nahm sie unter seine Fittiche und stattete das Startup mit Geld und Kontakten aus. Ende der neunziger Jahre galt Yahoo als der attraktivste Arbeitgeber des Internet, wimmelte dank großzügiger Aktienoptionen von Papier-Millionären. Das Platzen der Internet-Blase zerstörte zunächst einen Großteil des imaginären Reichtums. Doch dank des Booms in der Online-Werbung berappelte sich Yahoo schnell und hielt seine Position als populärstes Internet-Portal.

Heute: Google, Google, Google - Yahoo findet einfach kein Rezept gegen die übermächtige Suchmaschine. Die Ironie: Yahoo hat Google selbst groß gemacht mit seinem Auftrag, die Suchmaschine von Yahoo zu betreiben. Der Fehler ist korrigiert. Gründer Jerry Yang hat wieder das Ruder übernommen, auch, um das Ausbluten durch die stetige Abwanderung von Talenten zu stoppen.

Amazon

Dereinst: Mit seiner Idee vom Vertrieb von Büchern und CDs übers Internet formte der ehemalige Investmentbanker Jeff Bezos einen Online-Handelsgiganten. Schnell vertrieb Amazon nahezu alles, von Kinderspielzeug, Schlagbohrmaschinen bis hin zur Küchenausstattung. Bezos wurde als Pionier des E-Commerce gepriesen. Doch er hatte Probleme, Profite zu erwirtschaften.

Heute: Amazon ist profitabel, Bezos hat seinen Ruf als Visionär verteidigt. Er baute die Plattform mehr und mehr als erste Adresse für den Bezug von digitalen Gütern aus, von Musik und Film-Downloads bis hin zu elektronischen Büchern, die auf das E-Book Amazon Kindle geladen werden. Amazon betätigt sich außerdem als Internet-Dienstleister. Strategisch wichtig sind die Produktkritiken, die täglich Millionen von Internet-Nutzern anziehen.

Ebay

Dereinst: Von Pierre Omidyar in dessen Wohnzimmer im Silicon Valley gegründet, etablierte sich der einstige Online-Trödelmarkt schnell als Handels-Plattform und Internet-Aktien-Senkrechtstarter. War stets profitabel, hat sein Risikokapital von fünf Millionen Dollar bis heute nicht angetastet. Ende der neunziger Jahre baute Ebay erfolgreich sein Auslandsgeschäft aus, Deutschland entpuppte sich dabei rasch als wertvollster Markt.

Heute: Hat Wachstumsprobleme. Das von Omidyar erdachte Feedback-Modell, bei dem Käufer und Verkäufer sich untereinander bewerten, hemmt beim Ausbau des Geschäfts. Wer schlechte Bewertungen erhält, kehrt Ebay zumindest zeitweise den Rücken. Ein neues Bewertungsmodell soll das ändern. Die Übernahme des Internet-Telefonunternehmens Skype hat sich als Rohrkrepierer erwiesen. Ebay-Chefin Meg Whitman zieht sich aus dem Unternehmen zurück.

Google

Dereinst: Verrücktes Forschungsprojekt der Stanford-Doktoranden Sergey Brin und Larry Page. Ziel: Das Internet herunterladen, analysieren und damit schneller Inhalte finden. Das funktionierte rasch sehr gut und überzeugte den Deutschen Andreas von Bechtolsheim, einen 100.000-Dollar-Scheck für die Gründung von Google auszustellen. Hatte Ende der neunziger Jahre jedoch kein Geschäftsmodell, adaptierte später eins vom Internet-Unternehmer Bill Gross.

Heute: Das Microsoft des Internets mit einer Börsenbewertung von 155 Milliarden Dollar. Hunderte von Ex-Googlern wurden Multimillionäre, Investoren, Hauskäufer und befruchten die lokale Wirtschaft des Silicon Valley. Ist jedoch vielen Talenten zu groß und zu erfolgreich, verliert neuerdings Spitzentalente an den Aufsteiger Facebook.

Facebook

Heute: Das neue Google des Silicon Valley. Ex-Harvard-Student Mark Zuckerberg schrieb in knapp zwei Monaten das Grundgerüst des momentan am schnellsten wachsenden sozialen Netzwerks. Microsoft kaufte für 240 Millionen Dollar einen Mini-Anteil, der Facebook mit 15 Milliarden Dollar bewertete. Die Expansion nach Deutschland steht bevor.

Morgen: Ob es Facebook in zehn Jahren noch gibt, hängt davon ab, ob Zuckerberg und seine Leute langfristig erfolgreiche Geschäftsmodelle finden.

MySpace

Heute: Das in Santa Monica ansässige Unternehmen ist Hollywoods Beitrag zum Internet. MySpace ist das größte soziale Netzwerk der Welt, sein chaotisch-kreativer Aufbau zieht vor allem Teenager, Künstler und Dauer-Partygänger an. Von Medienzar Rupert Murdoch für im Rückblick magere 580 Millionen Dollar gekauft.

Morgen: Siehe Facebook - können soziale Netzwerke ihre Attraktivität bewahren?