Berater kritisiert einseitige Einstellungspolitik

Online-Recruiting ist kein Allheilmittel

29.01.2010
Von Christian Pape 
Den Wettlauf um die besten Kandidaten gewinnen die Arbeitgeber nicht mit immer ausgefeilteren Online-Fragebögen.
Personalberater Christian Pape kann die Euphorie vieler Unternehmen über das Online-Recruiting nicht teilen.
Personalberater Christian Pape kann die Euphorie vieler Unternehmen über das Online-Recruiting nicht teilen.

Alles geht bei Firmen nur noch online. Man will modern sein, zeigen, dass man das Internet "beherrscht". Dieser Fimmel treibt viele Unternehmen aber auch in eine gefährliche Sackgasse. Ein Trend und gleichzeitig Fluch ist das Online-Bewerben. Man will seine Recruiting-Wege optimieren. Gute Idee, sicher - aber was ist der Preis? Will ich es dem Zufall überlassen, wie mein idealer Mitarbeiter der Zukunft aussieht? Soll es davon abhängen, wer sich gerade die Zeit nimmt, sich mühsam durch die Routine des Online-Bewerbens zu quälen, um das Formular ordnungsgemäß auszufüllen? Wer tut sich diesen Online-Striptease an, wenn er nicht unbedingt muss? Sind das dann die neuen Hoffnungsträger des Unternehmens, das wertvollste Gut jeder Firma?

Die Online-Jobsuche als zusätzlicher Kanal für einen Bewerber? Sicher ein gutes und zeitgemäßes Instrument. Aber als alleinige Möglichkeit der Kontaktaufnahme für mögliche neue Mitarbeiter? Das geht gar nicht.

Einen großen Fehler machen Unternehmen, wenn sie nur noch Bewerber akzeptieren, die sich durch eine langatmige Prozedur der Online-Bewerbung durchgekämpft haben. Es ist doch unzumutbar, wenn man 45 Minuten und länger vor einem Online-Formular sitzen muss und dazu einen Seelentanz erster Klasse vollziehen soll, weil die Firma dann Bewerbungen leichter verarbeiten kann. Der Arbeitgeber will zeigen, wie fortschrittlich und innovativ er das Internet in Bezug auf Bewerbungen nutzt, aber im Grunde demonstriert er damit nur seine Engstirnigkeit. Wenn eine Firma die Besten haben will, dann muss sie sich auch um diese bemühen. Dann muss sie auch zulassen, dass ein Interessent sich nicht in ein vorgegebenes Raster zwängen lassen will. Das einstellende Unternehmen sollte ihn besser wie einen Kunden behandeln und ihm Alternativen bei der Kontaktanbahnung aufzeigen.

Von Absolventen und Berufseinsteigern abgesehen, bewerben sich bei Online-Zwangsprozeduren nur Kandidaten, deren Leidensdruck so groß ist, dass sie sich der umständlichen Routine stellen müssen. Man muss sich dann als Unternehmen vor Augen halten, dass Bewerber meist einen konkreten Grund für ihre Veränderungswilligkeit haben. Generell spricht man in diesen Fällen von "stark wechselmotivierten Kandidaten", die unter Umständen arbeitslos sind oder kurz vor einem Jobverlust stehen, die sich aus privaten Gründen regional verändern müssen oder deren Leidensdruck ins Unermessliche gestiegen ist.

Schlechteste Voraussetzungen also, um den "War of Talents" zu gewinnen, und noch schlechtere, wenn man daran denkt, dass Deutschland immer älter wird und die reiferen Mitarbeiter das Internet nicht als ihr Hauptwerkzeug ansehen. Jede Firma tut also gut daran, in der Personalsuche nicht nur dieses eine Pferd zu setzen. Ein gemischtes Recruiting ist die richtige Strategie, um die Besten langfristig als erfolgreiche Mitarbeiter zu bekommen