Online-Recruiting: Ernüchterung statt Euphorie

16.07.2002
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Christoph Reuther, sd&m

Unternehmen schätzen die Flut der Online-Bewerbungen ganz unterschiedlich ein. Für manche stellen die Mails eine zusätzliche Belastung dar, zumal die Interessenten eine schnelle Reaktion erwarten, andere hoffen, auf diese Weise talentierte Mitarbeiter zu finden. Beim Software-Beratungshaus sd&m kommt die Häfte aller Bewerbungen über das Netz. “Viele Bewerber nutzen die informelle E-Mail-Anfrage zur ersten Kontaktaufnahme. Die Hürde für die Bewerber ist dabei niedriger”, sagt Christoph Reuther, Personalleiter bei sd&m in München.

Das Unternehmen hat ebenfalls mit einer Bewerbungsflut per E-Mail zu kämpfen, nimmt die möglichen Nachteile allerdings in Kauf. “Wenn jemand am Samstagabend surft und zufällig auf unser Unternehmen aufmerksam wird, schnell eine E-Mail-Anfrage abschickt, dann kann das durchaus ein potenzieller neuer Mitarbeiter sein.” CSC Ploenzke setzt ebenfalls auf die virtuelle Bewerbungsmappe. “Uns ist es am liebsten, wenn Bewerber ihre Unterlagen online schicken. Bewerbungen in Papierform werden zur elektronischen Weiterleitung an die Fachabteilung eingescannt”, erklärt Petra Scheungraber, Leiterin des Personal-Marketings beim IT-Dienstleister das hausinterne Vorgehen.

Die Auswahl läuft, was die Technik betrifft, elektronisch ab, allerdings benötigt das Beratungsunternehmen später von den zukünftigen Mitarbeiter die vollständigen Unterlagen, denn die Personalakten verwaltet CSC Ploenzke nach wie vor in Papierform. “Vielleicht sind wir in diesem Punkt altmodisch, aber es ist oft angenehmer, die Akte der Mitarbeiters zu ziehen und darin zu blättern”, ergänzt die Personalfrau. Momentan kommen bereits 70 Prozent der Bewerbungen über das Netz, Scheungraber hält 80 Prozent für ein realistisches Ziel.

Auch das Münchner Beratungshaus sd&m möchte spätestens zum Vorstellungsgespräch eine Bewerbungsmappe, selbst wenn die elektronischen Unterlagen vollständig waren. Die SAP AG wickelt den Einstellungsprozess überwiegend online ab, führt die Personalakten aber auf Papier.